In der Fertigung sind einfache Lösungen gefragt, die sich mit vorhandenen Maschinen und Personen schnell und kostengünstig umsetzen lassen. Ein Beispiel dafür ist die Smart-Automation-Lösung der Firma Andreas Maier. Die kompakt bauende Beladezelle steigert an vorhandene Maschinen die Produktivität indem sie zuverlässig und ohne Bedienpersonal für eine kontinuierliche Be- und Entladung sorgt. Dank Reinigungsmodul gelangen die Teile außerdem blitzsauber zur weiteren Bearbeitung. Unter den Aspekten Fachkräftemangel, Investitionssumme und Amortisation ist die Lösung eine echte Bereicherung in der zerspanenden Fertigung.
Spanntechnik zur Automatisierung kleinster Losgrößen
Ebenfalls praxisnah zeigt Hainbuch mit einem automatisierten Spannmittelwechsel für die Firma WTO, dass vollautomatisierte flexible Fertigung auch für kleine Stückzahlen möglich ist. In der Smart Factory werden für jeden neuen Auftrag die Maschinen gänzlich autonom per Roboter gerüstet. Mit einer Genauigkeit von 3μm am Werkstück bei jedem Spannmittelwechsel wird mannlos rund um die Uhr von Losgröße 1 bis 100 gefertigt. Für die Außenspannung kommt ein automationsfähiges Spannfutter mit Achszug zum Einsatz. Das Spannfutter erlaubt prozesssichere Spannkopfwechsel, um eine hohe Werkstückvarianz fertigen zu können und so die Produktivität zu steigern. 18 Spann-Sets – bestehend aus Spannkopf mit Anschlag – werden von Robotern automatisiert ins Futter auf der Maschine eingewechselt. In der Schleifzelle sowie in der Dreh-/Fräszelle stehen zehn vorgerüstete sechseckige Spanndorne für die Innenspannung bereit. Über eine Schnell-wechsel-Schnittstelle werden die vorbereiteten Spanndorne automatisiert um-gerüstet. Die eingesetzte Schnittstelle garantiert eine optimale Kraftübertragung und Präzision, was zu einer verbesserten Oberflächengüte der bearbeiteten Teile führt. Philipp Sommer, Bereichsleiter Automation bei Hain-buch, betont: „Prozesssichere Spanntechnik ist die Grundlage jeder Automatisierung. Mit unserem Prozesswissen, Produkten für In- oder Post-Process-Messungen und der Schnellwechseltechnologie besetzen wir die Schlüsselbereiche für eine erfolgreiche Automatisierung.“ Auf der EMO 2025 zeigt Hain-buch mit einer Live-Automatisierung, wie Produktionsunternehmen der Schritt zur automatisierten Fertigung selbst bei kleinsten Losgrößen gelingen kann (siehe auch Infokasten Hainbuch).
Smarter Clamping
Der Spann- und Greifmittelspezialist Röhm aus Sontheim an der Brenz bietet eine weltweit einzigartige Spannlösung: Die messende Spannbacke ist mit Sensorik und kabelloser Datenübertragung ausgestattet und kann so während der Zerspanung die Spannkraft in Echtzeit messen. „Damit revolutionieren wir den Fertigungsprozess in der Zerspanung nachhaltig, denn die Echtzeitmessung der Spannkraft während des Bearbeitungsprozesses bringt dem Anwender eine ganze Reihe an Vorteilen“, ist CEO Gerhard Glanz überzeugt. „Das fängt bei einer höheren Maschinenverfügbarkeit an, weil sich die Rüstzeiten verkürzen und die Bearbeitungsprozesse beschleunigen lassen. Dadurch reduzieren sich auf der einen Seite die Teilekosten, während auf der anderen die Teilequalität steigt. Das ist Prozessoptimierung pur und ein echter Meilenstein in der Digitalisierung der Fertigung.“
Und so funktioniert es: Die in die Backe eingeleiteten Kräfte werden von einem integrierten Sensor erfasst und die Daten verarbeitet. Gemessen werden die tatsächlich anliegenden Spannkräfte – das gestattet Prozess- oder Produktivitätsanalysen sowie die Dokumentation von Messdaten. Mit einer App der Süddeutschen können Anwender zudem mobil auf die Daten zugreifen und Bearbeitungsparameter auswerten. „Gerade bei der Produktion von dokumentationspflichtigen Bauteilen, z.B. in der Luft- und Raumfahrt, ist das natürlich ein hochinteressantes Feature“, so Glanz. „Unser Produkt archiviert quasi den digitalen Fingerabdruck der Bearbeitung als Qualitätsnachweis des Fertigungsprozesses. Dies und vieles mehr gibt es zur EMO 2025 auf unserem Stand zu sehen.“ Die Spannbacke ist also besonders für die messtechnische Quantifizierung der an einem Werkstück wirkenden Spannkräfte geeignet. Zu diesem Ergebnis kam auch das VDW-Forschungsinstitut im Rahmen einer Studie (siehe Infokasten Röhm).
Wie weit ist die KI?
Keine Automation ohne Daten: Wie sehen die Forschung und Entwicklung hier den aktuellen Stand an der Werkzeugmaschine? „Die CAD-CAM-NC-Kette in der Produktionstechnik ist oft noch von einer vielfältigen Softwarelandschaft mit einer nicht durchgängigen Datenstruktur geprägt“, weiß Dr. Marcel Fey, Oberingenieur der Abteilung Maschinendatenanalyse und NC-Technik am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen unter Leitung von Prof. Christian Brecher. Letzterer hat das bundesweite, BMBF-geförderte Projekt ProKI koordiniert und nun in der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) verstetigt. „Während im CAM-System noch viele Informationen zu Werkzeug, Rohbauteil, Material und Prozessparametern vorliegen, geht dieser Kontext auf der Werkzeugmaschine mit der Erstellung des NC-Codes größtenteils verloren. Dieser Kontext ist jedoch notwendig, um sinn-volle Anwendungen von Künstlicher Intelligenz in der Produktion umzusetzen“, so Fey. „Selbst in digital gut aufgestellten Unternehmen stellt uns die Erfassung der Rohdaten mit den nötigen Kontextinformationen vor weitaus größere Herausforderungen als die eigentliche KI-Anwendung. Zudem schafft die reine Verfügbarkeit kontextualisierter Informationen aus der Produktion bereits einen erheblichen Kundennutzen. Weiterhin kann die Auswertung dieser Daten in vielen Fällen bereits ausgezeichnete Ergebnisse liefern, wenn sie auf Grundlage eines ingenieurtechnischen Sachverstandes erfolgt und nicht durch eine KI.“ Das solle nicht heißen, dass Künstliche Intelligenz in der Produktion nicht großes Potenzial habe. Vielmehr biete sie gerade bei komplexen Zusammenhängen, die kausal noch nicht in Gänze verstanden werden, enorme Möglichkeiten. „Dennoch liegt die Herausforderung im deutschen Maschinenbau zunächst darin, die notwendigen Voraussetzungen im Sinne einer Software-Infrastruktur zu schaffen, welche die benötigten Daten bereitstellt, bevor KI-Anwendungen einen realen Nutzen in der Produktionstechnik generieren können“, bilanziert Fey.
Die Werkzeugmaschine als Koordinatenmessgerät
Bei der smarten Automation geht es immer auch darum, Prozesse zielgerecht miteinander zu verbinden. „Da Werkzeugmaschinen standardmäßig mit 3D-Messtastern ausgestattet sind, erscheint der mögliche Einsatz als Koordinatenmessgerät naheliegend. Am Markt verfügbare Soft- und Hardware unter-stützen dies bereits“, berichtet Dr. Philipp Dahlem vom WZL der RWTH Aachen, Lehrstuhl für Informations-, Qualitäts- und Sensorsysteme in der Produktion unter der Leitung von Prof. Robert Schmitt. „Obwohl Werkzeugmaschinen durch den technologischen Fortschritt immer präziser werden, bleiben Herausforderungen bestehen: Die goldene Regel der Messtechnik besagt, dass die Messunsicherheit um den Faktor 10 kleiner sein soll als die Toleranz. Zudem sind Werkzeugmaschinen im Vergleich zu klassischen Koordinatenmessgeräten wechselnden Produktionsbedingungen ausgesetzt, was stabile Messergebnisse erschwert.“ Kann man den Messergebnissen dann überhaupt vertrauen? „Unter anderem damit beschäftigt sich das Normungsprojekt ISO TS 230-13 damit“, erläutert Dahlem (siehe Infokasten RWTH Aachen). „Es zielt darauf ab, industriell anwendbare Methoden zur Messunsicherheitsermittlung bei Werkzeugmaschinen international festzulegen. Mögliche Anwendungsszenarien wie auch die Grenzen dieser Technologie werden beschrieben – und auch die EMO 2025 zeigt hier sicher wieder entscheidende Weiterentwicklungen auf.“
Schnellwechselsystem
Das Video von Hainbuch America verdeutlicht, wie sich die Schnellwechseltechnologie des international aufgestellten Anbieters (elf Tochterunternehmen weltweit) mit Hauptsitz in Marbach am Neckar produktiv nutzen lässt: https://www.youtube.com/watch?v=LRL8ZrcXqCM
Messende Spannbacke: Studie und Video
Die smarte Spannbacke von Röhm ist ideal für die messtechnische Quantifizierung der an einem Werkstück wirkenden Spannkräfte geeignet. Zu diesem Ergebnis kam jetzt das VDW-Forschungsinstitut im Rahmen seiner Studie ‚SensoSpann‘. Das entwickelte Messkonzept, das auf dem Einsatz mehrerer dieser Spannbacken basiert, stellt „eine qualifizierte Grundlage zur weiterführenden experimentellen Untersuchung der Werkstückspannung im Stillstand und Prozess dar“, heißt es im Studienfazit des Forschungsinstituts, das nun die Spannbacken für weitere Untersuchungen einsetzen möchte.
Wie sich das smarte Produkt von Röhm als Nachrüstlösung an Werkzeugmaschinen nutzen lässt, veranschaulicht ein Youtube-Video unter https://youtu.be/dsoDQld_Ia4
Normungsprojekt weckt internationales Interesse
Das Normungsprojekt ISO TS 230-13 ist ein wichtiger Schritt, um das ‚Messen mit Werkzeugmaschinen‘ für die industrielle Praxis zu erschließen. Durch die Verlagerung von Bauteilmessungen auf die Werkzeugmaschine können Qualitätsregelkreise verkürzt und Ressourcen in der Produktion eingespart werden. Zusammen mit der rapiden Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und dem Verständnis für das Stabilitätsverhalten von Werkzeugmaschinen, an der auch der Lehrstuhl für Informations-, Qualitäts- und Sensorsysteme in der Produktion an der RWTH Aachen forscht, wird eine Werkzeugmaschine, die ihre Fertigungsqualität selbst überwacht, immer realistischer. „Als Leiter des Projekts erlebe ich auch international großes Interesse an dem Thema“, sagt Dr. Philipp Dahlem. „Initiiert ín Deutschland stellt das Normungsvorhaben auch einen wichtigen Aspekt gegenüber der starken Werkzeugmaschinenindustrie in China dar, die zunehmend Einfluss in der Normung nimmt.“
www.iso.org/standard/87413.html