Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im Mai 2022

Die wirtschaftliche Entwicklung im Mai steht ganz im Zeichen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Die ersten verfügbaren Indikatoren für den Berichtsmonat März zeigen infolge des Krieges eine deutlich geschwächte Industrieproduktion und einen gedämpften Außenhandel.

Die Einzelhandelsumsätze waren nahezu unverändert, hier dürfte sich die Rücknahme von Corona-Beschränkungen und der Kriegseffekt in etwa ausgeglichen haben. Bei den umfragebasierten Stimmungsindikatoren zeichnet sich eine vorsichtige Stabilisierung im April ab. Nach dem deutlichen Rückgang im März ist das ifo-Geschäftsklima im April wieder leicht gestiegen. Dabei verbesserten sich sowohl die Lageeinschätzungen als auch die Geschäftserwartungen. Demgegenüber zeigte der Einkaufsmanagerindex erneut eine leichte Abwärtsbewegung im April.

Die Inflationsrate bietet weiterhin Grund zur Sorge: Im April lag sie bei erneut sehr hohen 7,4% und zeigt mittlerweile eine Verteuerung für eine Breite an Kategorien des Warenkorbs. Die Teuerungsimpulse speisen sich in Teilen also aus Zweitrundeneffekten der hohen Energiepreise. Die Preise für die wichtigsten Energieträger selbst haben sich derweil wieder etwas beruhigt. Die Gaspreise beispielsweise waren im April wieder rückläufig, stehen aber weiterhin auf einem sehr hohen Niveau über den Vorkriegswerten. Der Ausblick für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten steht damit unter dem Vorzeichen des nach wie vor hohen Preisdrucks und der immer noch ungewissen Dauer und dem Ausgang des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Weltwirtschaft entwickelt sich zurückhaltender

Die Weltwirtschaft wird zunehmend vom Krieg in der Ukraine beeinflusst. So stieg die weltweite Industrieproduktion im Februar mit +0,9% spürbar schwächer als in den drei Vormonaten. Auch der Welthandel legte zuletzt im Februar weniger zu. Der Stimmungsindikator von S&P Global (ehemals IHS Markit) spricht für eine weitere Abkühlung. Er ging im April auf 51,70 Punkte zurück, lag damit aber weiterhin über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Neben dem Krieg bereitet auch die chinesische Null-Covid-Politik Sorge mit ihren weitreichenden Schließungen ganzer Ballungsräume. Von der weltweiten Containerfrachtkapazität stehen derzeit rund 3% im Stau im Hafen von Shanghai. Sollte es weiterhin Lockdowns solcher Größenordnungen in China geben, dann wären neue Lieferengpässe und eine Verlangsamung des Welthandels möglich.

Deutsche Ausfuhren gehen zurück

Im ersten Monat nach Kriegsausbruch haben sich die deutschen Exporte deutlich verringert. Die nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen sind im März saisonbereinigt um 4,6% gegenüber dem Vormonat zurückgegangen. Aufgrund des starken Februars bleibt im Quartalsvergleich noch ein Plus von 0,6% bestehen. Da die Exportpreise im selben Zeitraum um 4,5% gestiegen sind, dürfte sich in realer Rechnung aber ein deutliches Minus ergeben.

Demgegenüber legten die nominalen Einfuhren von Waren und Dienstleistungen im März deutlich zu. Saisonbereinigt kam es zu einem Anstieg um 5,3%. Für das erste Quartal ergibt sich ein Zuwachs um 2,8%. Bei erheblich gestiegenen Einfuhrpreisen dürfte die reale Entwicklung deutlich schwächer ausgefallen sein.

Im Berichtsmonat März zeigt sich erstmals der Effekt des Kriegs in der Ukraine in den Außenhandelsdaten. Die rückläufigen Exporte sind dabei Ausdruck der Wirkung der gegenüber Russland erlassenen Sanktionen. Während die Exporte in EU-Nachbarstaaten nur leicht zurückgingen, brachen die Exporte nach Russland um 62,3% gegenüber dem Vormonat ein. Ob dies allein auf die Sanktionen oder auch auf nicht-sanktioniertes, also freiwilliges Verhalten der Marktteilnehmer zurückzuführen ist, bleibt abzuwarten. Es ist gut denkbar, dass die Exporte nach Russland in den nächsten Monaten noch weiter sinken, da die Implementierung der Sanktionen und die entsprechenden Vertragskündigungen eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Zudem trat der überwiegende Teil der Sanktionen im März erst zur Monatsmitte in Kraft.

Im Gegensatz zu den Exporten sind die Importe aus Russland nur leicht zurückgegangen (-2,4% gegenüber dem Vormonat). Aus Russland importiert Deutschland vor allem Energiegüter wie Öl und Gas. Da diese Güter von den Sanktionen ausgenommen sind, wurde der Handel hier zunächst aufrechterhalten. Dennoch werden die deutschen Bemühungen zur energiepolitischen Unabhängigkeit von Russland deutlich: Die Importe aus Drittstaaten legten im März um 10,1% zu. Die Energiebeschaffung auf dem Weltmarkt schreitet voran, die Importe aus Russland werden zunehmend ersetzt.

Der Ausblick für den deutschen Außenhandel in den kommenden Monaten fällt gemischt aus. Containerdaten des IfW Kiel suggerieren, dass im April bereits wieder mit positiven Wachstumsraten bei den Exporten zu rechnen sein könnte. Auch die ifo Exporterwartungen konnten im April nach dem ersten Schock im März um 6,4 Saldenpunkte zulegen. Allerdings bereitet die chinesische Null-Covid-Politik mit weitreichenden Schließungen ganzer Ballungsräume vielen Beobachtern Sorge. Rund 3% der weltweiten Containerfrachtkapazität steht zurzeit vor dem Hafen Shanghai im Stau. Sollte China weiterhin von Lockdowns betroffen sein, sind neue Lieferengpässe und eine Verlangsamung des Welthandels denkbar.

Krieg dämpft Industriekonjunktur

Die Produktion im Produzierenden Gewerbe ist im März im Vormonatsvergleich deutlich um 3,9% zurückgegangen. Dabei verringerte die Industrie ihre Herstellung kräftig um 4,6%, während das Baugewerbe ein leichtes Plus verzeichnete. Im Bereich Energie, wo hohe Preise zu einem deutlichen Nachfragerückgang führten, brach die Produktion um 11,4% ein.

Die Industrieproduktion hat nach fünf Zuwächsen in Folge zuletzt einen herben Dämpfer erfahren, was maßgeblich auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist. Deutschland ist zum einen als exportorientiertes Land überproportional von den Handelssanktionen gegen Russland betroffen. Zum anderen sind wichtige Vorprodukte für den Produktionsprozess, wie etwa Kabelbäume, knapp geworden. In der Automobilindustrie verringerte sich der Ausstoß um 14%. Im ebenfalls gewichtigen Maschinenbau ging die Produktion um 5,3% zurück. Darüber hinaus belasten die hohen Preise für Strom, Gas und Öl die Unternehmen. Im energieintensiven Bereich „Glas, Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ wurde die Produktion um 6,7% zurückgefahren und im Bereich „Metallerzeugung und -bearbeitung“ um 5,2%.

Auch bei den Auftragseingängen im Verarbeitenden Gewerbe zeigen sich im ersten Monat des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine deutliche Auswirkungen. Angesichts der gestiegenen Unsicherheit nahmen sie im März gegenüber dem Vormonat deutlich um 4,7% ab, nachdem bereits im Februar ein leichter Rückgang um 0,8% zu verzeichnen gewesen war. Im März ging vor allem die Nachfrage aus dem Nicht-Euroraum zurück (-13,2%), während die Orders aus dem Euroraum um 5,6% zulegten. Bei den Bestellungen aus dem Inland war eine Abnahme um 1,8% zu beobachten. Insgesamt lagen die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt spürbar unter ihrem Vorjahreswert (-3,1%).

Nach einem tiefen Einbruch im März hat sich die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbes im April wieder etwas aufgehellt. Zwar waren die Unternehmen mit ihrer aktuellen Lage etwas weniger zufrieden, aber die kommenden Monate werden nun nicht mehr so pessimistisch wie noch im Vormonat gesehen. In Anbetracht der großen Unsicherheit aufgrund des Kriegs fällt der Ausblick derzeit aber gedämpft aus.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

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