
Schwarze Markierungslinien auf dem Hallenboden ziehen sich durch die neue Produktionsstätte im thüringischen Leinefelde. Auf jedem markierten Feld arbeiten Fachkräfte und angelernte Mitarbeiter konzentriert an verschiedenen Fertigungsschritten im Schaltanlagenbau. Die Laufwege sind frei, alles ist luftig und aufgeräumt. Tobol fertigt hier Schaltanlagen und hat mit seiner Produktionshalle nicht nur eine neue Gebäudehülle geschaffen, sondern die gesamte Schaltanlagenproduktion neu organisiert. „Die Flächenplanung erfolgte hier komplett nach Materialfluss- und Wertstromprinzipien“, berichtet Henning Rey von Phoenix Contact. Der Projektmanager und Berater widmet sich effizienteren Lean-Prozessen im Schaltanlagenbau und hat die Umstellung intensiv begleitet. „Durch die Lean-Production-Methoden sind wir viel schneller und effizienter geworden“, fügt Tobol-Geschäftsführer Tobias Funke hinzu.

Mit Effizienz zukunftsfähig aufstellen
Das Unternehmen steht seit 1997 für maßgeschneiderte Lösungen im Bereich der MSR-Automatisierung für Rechenzentren und Gebäude. Der Fokus liegt auf Anwendungen für Klimatisierung, Lüftung sowie Energie und Monitoring. 80 Mitarbeiter aus Elektro, IT, Projektmanagement und Administration sorgen täglich für eine hohe Qualität der Planungs-, Einrichtungs- und Konstruktionsarbeiten für ein Kundenfeld in ganz Europa. Die Schaltanlagen entstehen am Hauptstandort in Leinefelde. Der wachsende Rechenzentren-Markt stellt das Unternehmen neben dem Fachkräftemangel vor viele Herausforderungen. „Wir können am Ende in Deutschland nur marktfähig bleiben, wenn wir auch effizienten Schaltanlagenbau praktizieren“, betont Ralf Krause, Werkleiter von Tobol.
Die neue Halle in Leinefelde bot dem Unternehmen eine Möglichkeit, die eigene Schaltanlagenproduktion von Grund auf neu zu denken. Phoenix Contact hat sich auf die Fahne geschrieben, mit dem Zielbild der ‚All Electric Society‘ die Elektrifizierung der Gesellschaft voranzutreiben. Dafür müssen auch die Prozesse im Schaltanlagenbau schlanker und schneller werden: „Wir haben uns 2018 entschieden, nicht nur Produkte zu verkaufen, sondern auch den Prozess zu gestalten, wie diese Produkte im Schaltschrankbau intelligent und vor allem effizient verarbeitet werden“, erläutert Bernd Naguschewski, Leiter des Applications-Center Schaltschrankbau bei Phoenix Contact. Mit seinen Beratungsdienstleistungen kam das Unternehmen also gerade zum rechten Zeitpunkt dazu. So ließen sich Materialfluss- und Wertstromprinzipien schon von Beginn an in die Flächenplanung integrieren.
Die Metallverarbeitung steht am Beginn der Prozesskette, um Metallspäne vom Montagebereich fernzuhalten. Von oben blicken Konstrukteure aus ihren Büros direkt in die Produktionshalle. Von dort aus gehen Schaltpläne, Stücklisten und Aufbaupläne in die Produktion bzw. den integrierten Logistikbereich, wo die Aufträge kommissioniert werden. „Auch das war Ergebnis des Optimierungsprozesses: Tobol hat einen eigenen Logistikbereich. Bei anderen Unternehmen müssen sich die Elektrofachkräfte ihr Material mühsam selbst zusammensuchen, das bindet wertvolle Arbeitszeit“, sagt Henning Rey.

Prozess auf Augenhöhe
Berater wie Henning Rey erleben oft eine gewisse Skepsis, wenn es um die Einführung von Effizienz- und Digitalisierungsmaßnahmen geht. Häufiger Grund ist eine Abwehrhaltung gegenüber Lean-Methoden zur Effizienzsteigerung in althergebrachten Produktionsprozessen. Für solche Aufgaben und automatisierte Prozesse ist Tobol heute besser aufgestellt denn je: „Wir können heute Aufträge annehmen, die früher nicht möglich waren, auch Serienaufträge“, berichtet Tobias Funke. Doch solche Arbeitsprozesse ändert niemand über Nacht. „Zunächst haben wir die Tobol-Mitarbeiter nach Blomberg zu einem Ziele-Workshop eingeladen“, berichtet Bernd Naguschewski. Früher wurde die Produktion von Produktionsplanern gestaltet, oft über den Kopf der Mitarbeiter hinweg. Für unsere Berater ist es daher wichtig, die Mitarbeiter von Anfang an tief in den Verbesserungsprozess mit einzubinden. Das sorgt nicht nur für mehr Akzeptanz, sondern auch für effizientere Produktionsprozesse. Ein gutes Beispiel dafür ist das Cardboard-Engineering, bei dem die Mitarbeiter die Prototypen ihrer Arbeitsplatzlösungen zunächst als Pappmodelle selbst entwerfen.

Mit Cardboard-Engineering Mitarbeiter einbinden
Bevor man in den Prozess einsteigt, ist es ratsam, eine detaillierte Arbeitsablaufanalyse zu erstellen. Dabei wird noch einmal klar: „Was benötigen die Mitarbeiter? Wie sind die Laufwege? Wie viele Werkzeuge benötigen sie wirklich am Platz?“, so Henning Rey. Die Methode macht es möglich, Arbeitssysteme mit Modellen aus Pappe zu modellieren, Abläufe zu simulieren und Prozesse zu analysieren, ohne dabei Kosten für reale Betriebsmittel zu verursachen. Produktionsmitarbeiter Frank Klaus hat gemeinsam mit seinen Kollegen viel Herzblut in das Projekt gesteckt: „Wir haben dieses Regal viele Male umgestellt und uns gemeinsam Gedanken gemacht: Und dann haben wir alles geübt und durchgespielt, bis wir zufrieden waren.“ Früher seien alle ständig durch die Halle gelaufen, die Laufwege seien viel zu lang gewesen.