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Datendurchgängigkeit von der Entwicklung bis zur Produktion

Digitale Informationskette im Automobilbau

Durch kürzere Modellzyklen muss die deutsche Automobilproduktion auch ihre Produktionslinien deutlich schneller umstellen können. Voraussetzung dafür ist eine durchgängige digitale Informationskette der Fertigungsparameter. Eine solche wird im Rahmen des Projektes Werk 4.0 im Mercedes-Benz-Werk Berlin-Marienfelde entwickelt. Damit soll auch auf Produktänderungen und sich verändernde Rahmenbedingungen flexibel reagiert werden.
 Im konventionellen Produktentstehungsprozess (grau) sind die Fertigungsparameter nur lokal auf den Anlagen hinterlegt. Durch die DPK entsteht ein durchgängiger Informationsfluss dieser Parameter (blau).
Im konventionellen Produktentstehungsprozess (grau) sind die Fertigungsparameter nur lokal auf den Anlagen hinterlegt. Durch die DPK entsteht ein durchgängiger Informationsfluss dieser Parameter (blau).Bild: Mercedes-Benz AG

In der Serienfertigung des Automobilbaus muss eine enorme Variantenvielfallt umgesetzt werden. Dies erfolgt meist auf nur einer Produktionslinie. Zusätzlich unterscheiden sich alle Fahrzeuge in den individuell gewählten Ausstattungskombinationen. Für jede Variante ist ein entsprechendes Maschinenprogramm in den Steuerungen hinterlegt. Es muss bei jedem Fertigungsschritt ausgewählt und ausgeführt werden. Die notwendige Software und Infrastruktur hierfür sind Stand der Technik. Die Bauteile sind maschinenlesbar mit einem DataMatrix-Code gekennzeichnet, entweder direkt am Bauteil oder am Werkstückträger. In der Fertigungszelle wird die ID eingelesen und an das Produktionsleitsystem übermittelt. Von dort erhält die Maschine oder Anlage alle Informationen über das auszuführende Programm. Das Maschinenprogramm an sich ist dabei lokal in der Steuerung bzw. Produktionsanlage hinterlegt. Es wird meist vom Maschinenlieferanten zur Inbetriebnahme erstellt und lediglich vor Ort an der Anlage feinjustiert.

So ist das Einpflegen von Änderungen zur Prozessoptimierung oder bei Produktänderungen bisher noch viel manuelle Arbeit. Insbesondere während der Entwicklung und im Anlauf eines neuen Produkts werden diverse produktionsrelevante Daten, welche wiederholt noch Veränderungen unterliegen, festgelegt. Änderungen dieser Daten müssen vorwiegend manuell und zeitaufwendig vor Ort durch Fachpersonal in die Maschinensteuerung eingepflegt werden. Durch diesen manuellen Aufwand entsteht eine Nachfrage nach einem automatisierten und durchgehenden Informationsfluss.

Informationsfluss

Hier setzt das Forschungsprojekt Werk 4.0 an. Im Arbeitspaket Digitale Prozesskette (DPK) wird ein standardisierbares Konzept erarbeitet, wie Parameteränderungen von der Datenquelle in einem durchgehend digitalen Prozess bis in die Maschine propagiert werden können. Die DPK ist eine skalierbare Architektur aus verschiedenen Softwarebausteinen und wird am Mercedes-Benz-Standort in Berlin-Marienfelde an diversen Equipments getestet. Sie ermöglicht, Produktions- und Prozessdaten aus der Entwicklung und der Planung automatisiert und durchgehend in die Maschinensteuerung der Produktionsanlagen zu übertragen, unabhängig von Technik und Hersteller der Anlage.

Für die Realisierung der DPK ändern sich Prozesse in vielen Bereichen, etwa in der Entwicklung, der Planung, bis hin zur Produktionssteuerung. Hauptaufgabe der Entwicklung ist die Produktbeschreibung im CAD-Modell, einschließlich der Anforderungen und Spezifikationen. In der Produktionsplanung werden die weiteren für den Fertigungsprozess notwendigen Prozessparameter abgeleitet und angereichert. Zudem werden die geeigneten technischen Lösungen bzw. Maschinen und Anlagen identifiziert und ausgewählt sowie die Reihenfolge der Fertigungsschritte festgelegt. Die Produktinformationen in Verbindung mit den Abläufen für jede Variante werden in das Leitsystem eingespeist. Die Produktionssteuerung steuert die laufenden Aufträge in Echtzeit, um den gewünschten Produktionsablauf zu gewährleisten. Die erstellten Maschinenprogramme inklusive der Parameter sind hierbei lokal in den Maschinensteuerungen gespeichert.

Für die Realisierung einer DPK sind im ersten Schritt die relevanten Fertigungsparameter aus den Anlagensteuerungen zu extrahieren und unabhängig von diesen zentral zu speichern. Hierbei müssen sich alle Beteiligten von der Entwicklung bis zur Instandhaltung auf die wichtigsten Einflussgrößen und Freiheitsgrade für die betroffenen Fertigungsprozesse einigen. Für die Gestaltung eines effizienten Managements dieser Technologie- und Fertigungsparameter ist ein Server entsprechend einer Single Source of Truth vorgesehen. Er stellt die Fertigungsparameter den Produktionsanlagen zentral bereit. Dieser sogenannte Technologiedaten-Server bildet die hersteller- und technologieunabhängige Schnittstelle zum Maschinen- und Anlagenpark und bildet den Kern der digitalen Prozesskette.

Auf dem Server werden die Fertigungsparameter nach der Technologie entsprechend geclustert und als Datensets abgespeichert. Im Zuge der angestrebten Interoperabilität und der Möglichkeit nach Standardisierung bietet die Verwaltungsschale als branchenneutraler Standard ein passendes Rahmenwerk. Hierzu ist ein spezifisches Submodel-Template zur Repräsentation eines Datensets in Entwicklung.

Die Übermittlung der Technologiedatensets an die Steuerungen der entsprechenden Produktionsanlagen kann mittels herstellerunabhängiger Protokolle umgesetzt werden. Eine Möglichkeit bietet OPC UA, das durch ein entsprechendes Informationsmodell die im Datenset beschriebenen Parameter an die Anlage übermittelt. Eine IT-Architektur, die die Anforderungen an die Kommunikation zwischen zentralen Datenserver und Produktionsanlage realisiert, wird derzeit entwickelt und getestet. Ein kritischer Punkt hierbei ist, dass für neue Parametersätze ein Verfahren etabliert werden muss, diese im Prozess freizugeben, um Anlagenschäden oder Fehler bei falsch gewählten Parametern auszuschließen.

Datenquelle CAD-System

Mithilfe sogenannter Product-Manufacturing-Information (PMI) können produktionsrelevanten Daten bereits aus der Entwicklung, bzw. direkt aus dem CAD-Modell ausgeleitet werden und so die digitale Durchgängigkeit von der Datenquelle bis zur Datensenke in der Produktion realisiert werden. Notwendig hierfür ist eine standardisierte Semantik dieser Datenobjekte sowie eine eineindeutige Adressierung. Hierbei ist die DPK klar vom Stand der Technik einer etablierten CAD/CAM-Kette abzugrenzen. Sie wird im Rahmen mechanischer Fertigungen für die NC-Programmerstellung direkt aus dem CAD-Modell eingesetzt. Bei Änderungen am CAD-Modell muss die CAD/CAM-Kette erneut durchlaufen werden und das geänderte NC-Programm erneut in die Anlage geladen werden. Die DPK hingegen knüpft an parametrierte Maschinenprogrammen an und verbindet die Daten direkt aus dem CAD-Modell bis in die Maschine – vollautomatisiert und in Echtzeit. Die Zusammenstellung aller Informationen und Daten aus den Quellsystemen bzw. PDM-System zu einem spezifischen Technologiedaten-Set erfolgt über einen ETL-Prozess. Abgebildet wird dieser mit Hilfe einer templatebasierten Applikation auf dem Technologiedaten-Server.

Das Konzept der digitalen Prozesskette zielt auf mehr Effizienz in der Verwaltung und mehr Geschwindigkeit in der Änderung von Fertigungsparametern ab. Durch eine Single-Source of Truth der Fertigungsparameter und einer Informationsdurchgängigkeit von der Datenquelle bis zur Datensenke wird die Prozessstabilität in der kundenindividuellen Serienfertigung erhöht. Zudem wird die Reaktionszeit bei Produktänderungen oder Maschinenwechsel signifikant verkürzt und so das Resilienzverhalten eines Produktionsstandortes positiv beeinflusst. Änderungen der Fertigungsparameter werden durchgehend dokumentiert. Damit verbunden ist eine zentrale Sicherung des Fertigung-Knowhows. Das Projekt Werk 4.0 wird durch das BMWK unter dem Förderkennzeichen 13IK022I gefördert.

Fraunhofer-Institut IPK

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