LinkedIn Logo YouTube Logo
ANZEIGE
Forschungsinstitut baut Fabrik der Zukunft

Abbildung durch Verwaltungsschalen

Für die Realisierung der smarten Fabrik ist eine virtuelle Abbildung der Werkstücke, der vorhandenen Maschinen sowie der geplanten und ausgeführten Prozesse notwendig. Die Wandlung von starren Produktionslinien hin zu wandelbaren, flexiblen und adaptiven Fabriken setzt die Auflösung nicht anpassbarer monolithischer Strukturen und erweiterbare Datenmodelle voraus, die im Laufe des Lebenszyklus ergänzt und verändert werden. Eine vielversprechende Umsetzungmöglichkeit sind sogenannte Verwaltungsschalen. Sie ermöglichen die virtuelle Abbildung realer Objekte über den gesamten Lebenszyklus und den Datenaustausch auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Wie das konkret funktionieren kann, demonstriert das ISW der Uni Stuttgart im Rahmen seiner Modellanlage.
 Stuttgarter Maschinenfabrik: Auf der Modellanlage wird ein konfigurierbares Multi-Keytool produziert.
Stuttgarter Maschinenfabrik: Auf der Modellanlage wird ein konfigurierbares Multi-Keytool produziert.Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen

Im Rahmen von Industrie 4.0 sollen moderne Ansätze aus der Informations- und Kommunikationstechnik auf die Operational Technology (OT) in der Fabrik übertragen werden. In der Praxis leitet sich daraus die Notwendigkeit ab, die heterogene Landschaft an Systemen zur Steuerung, Überwachung und Anpassung der Fertigung interoperabel zu vernetzen. Die Realisierung verspricht völlig neue Möglichkeiten eine industrielle Produktion zu organisieren.

Die Umsetzung der Vision hinkt jedoch den Erwartungen hinterher. Die Realisierung kommt einem grundlegenden Paradigmenwechsel gleich, dessen Vollzug aufgrund hoher technischer Komplexität und einer großen Anzahl beteiligter Stakeholdern schwer zu erreichen ist. Die Stuttgarter Maschinenfabrik am Institut für Steuerungstechnik für Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Uni Stuttgart stellt ein konkretes Umsetzungsprojekt für Industrie 4.0 dar. Ziel ist es, Realisierungshürden zu überwinden und Potenziale aufzuzeigen, die durch den Vollzug des Paradigmenwechsels ausgeschöpft werden können.

 Visualisierung von Daten und Informationen 
der Stuttgarter Maschinenfabrik.
Visualisierung von Daten und Informationen der Stuttgarter Maschinenfabrik.Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen

Virtuelle Abbildung

Im Kontext von Industrie 4.0 werden alle physischen und nicht-physischen Objekte, die für eine Organisation einen Wert haben als Asset bezeichnet. Im Fertigungsumfeld kann das Asset beispielsweise eine Maschine, ein Sensor in der Maschine oder eine Softwarelizenz sein. Selbst eine gesamte Produktionshalle oder ein Fertigungsstandort sind ein Asset. Digitale Zwillinge sind virtuelle Abbildungen von Assets. Um ein Asset im virtuellen Raum beschreiben zu können, muss der digitale Zwilling alle relevanten Daten und Informationen zu diesem Objekt beinhalten. In der Stuttgarter Maschinenfabrik werden die digitalen Zwillinge in Form von Verwaltungsschalen nach dem Standard der Industrial Digital Twin Association (IDTA) umgesetzt. Die Verwaltungsschale dient als Schnittstelle zum realen Asset, auf die zugegriffen werden kann. Sie enthält die Daten des Assets in standardisierter und strukturierter Form. Neben Schlüssel/Wert-Paaren können auch Dokumente und Referenzen auf externe Datenquellen enthalten sein. Daten aus dem Betrieb können in die Verwaltungsschale zurückgespielt werden. In der Stuttgarter Maschinenfabrik werden Verwaltungsschalen verwendet, um die Produktion einerseits flexibel und automatisiert zu realisieren und andererseits die durchgeführten Prozesse zu dokumentieren und auszuwerten.

Flexible Fertigung

Auf der Modellanlage des ISW wird ein sogenanntes Multi-Keytool als Beispielwerkstück gefertigt. Dabei handelt es sich um ein konfigurierbares Produkt, welches verschiedene Werkzeuge enthält. Mit einem Konfigurator können die gewünschten Tools (z.B. Speichenschlüssel, Flaschenöffner, Einkaufswagen-Chip oder Sechskantschlüssel) in gewünschter Ausprägung (z.B. Art, Größe oder Ort) gewählt werden. Nach der Konfiguration wird automatisiert ein CAD-Modell des zu fertigenden Produkts erstellt und eine Verwaltungsschale angelegt, welche die Konfigurationsdaten, die resultierenden Konstruktionsdaten und das CAD-Modell beinhaltet. Die Verwaltungsschale dient als Basis für die darauffolgenden Schritte der Produktion. Im nächsten Schritt wird die Herstellung geplant. Hierfür wird die Planungslogik mit den Daten in der Verwaltungsschale des konfigurierten Produkts und den Informationen über verfügbare Maschinen sowie deren Fähigkeiten und Eigenschaften gefüttert. Das Resultat dieser Planung ist der Produktionsplan, der in der Verwaltungsschale der Produktinstanz abgelegt wird. Im Produktionsplan werden die notwendigen Fertigungs- und Rüstprozesse festgelegt. Ausgehend von diesem Plan wird das Produkt gefertigt und die Produktions- und Qualitätsdaten in der Verwaltungsschale gespeichert. Fällt eine Maschine aus oder ist die Qualität des ausgeführten Produktionsschritts nicht ausreichend, wird die Fertigung umgeplant bzw. nachgearbeitet. Auch die dabei entstehenden Daten werden in die Verwaltungsschale des Produkts integriert.

Verwaltungsschalen der Maschinen

In die Modellfabrik sind verschiedene Maschinen integriert, die unterschiedliche Fertigungsschritte ermöglichen: Mehrere Fräsmaschinen für die zerspanende Bearbeitung, ein hybrider Roboter, der additiv und subtraktiv fertigen kann, ein Laserbearbeitungszentrum sowie ein fahrerloses Transportsystem für den Transport des herzustellenden Produkts zwischen den Maschinen.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Schaeffler AG
Bild: Schaeffler AG
Schnellere Entwicklung durch virtuelle Inbetriebnahme

Schnellere Entwicklung durch virtuelle Inbetriebnahme

Die rasanten technischen Entwicklungen in Automatisierung und Digitalisierung erfordern zunehmend Lösungen, die der wachsenden Anlagen- bzw. Projektkomplexität Rechnung tragen. Eine solche ist das Simulationstool für die virtuelle Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen Fe.screen-sim. Mit der Software schuf F.EE auch für Schaeffler Special Machinery eine Vielzahl wichtiger Möglichkeiten: Neben einer Absicherung der Steuerungssoftware können kritische Betriebszustände risikofrei getestet und komplexe Abläufe in einer frühen Projektphase simuliert werden.

mehr lesen
Bild: SSV Software Systems GmbH
Bild: SSV Software Systems GmbH
So lassen sich KI-Erweiterungen einfach nachrüsten

So lassen sich KI-Erweiterungen einfach nachrüsten

Die künstliche Intelligenz und besonders das maschinelle Lernen bieten vielfältige Möglichkeiten, um bestehende Systeme durch ein Retrofit mit völlig neuen Eigenschaften auszustatten und dadurch für den Nutzer einen erheblichen Mehrwert zu schaffen. Ein Beispiel wäre die Nachrüstung KI-basierter Sensoren zur Anomalieerkennung für eine Maschinen- und Anlagensteuerung.

mehr lesen
Bild: Faktorzwei GmbH
Bild: Faktorzwei GmbH
Übergreifende Transparenz: MKW auf dem Automatisierungstreff

Übergreifende Transparenz: MKW auf dem Automatisierungstreff

Der Forderung nach Datenerfassung, Analytics und IoT kann sich in der produzierenden Industrie heute niemand mehr entziehen. Doch mit Blick auf die einzelnen Unternehmensebenen – vom Shopfloor bis zu ERP und Cloud – sind die Ansprüche sehr verschieden. Das Unternehmen MKW will alle unterschiedlichen Facetten mit einer Software abdecken und damit durchgängige Transparenz schaffen. Welche Mehrwerte sich daraus für den Anwender ableiten, veranschaulicht ein Workshop auf dem Automatisierungstreff am 9. April in Heilbronn.

mehr lesen
Bild: in.hub GmbH
Bild: in.hub GmbH
Digitalisierung ohne 
IT-Vorkenntnisse

Digitalisierung ohne IT-Vorkenntnisse

Viele Unternehmen wünschen es sich, ihre Maschinen und Anlagen einfach und schnell digitalisieren zu können. Ohne umfangreiche Programmierkenntnisse ist dies jedoch in der Regel nicht möglich. Siineos von In.hub ist eine dieser Ausnahmen. Die Redaktion sprach mit IIoT Senior Partnermanager Christoph Müller, was die IIoT-Plattform sonst noch kann, außer Daten effizient zu erfassen, zu verarbeiten und zu visualisieren.

mehr lesen
Bild: Blue Danube Robotics
Bild: Blue Danube Robotics
Vom Robot zum Cobot

Vom Robot zum Cobot

Airskin von Blue Danube Robotics verbindet automatisierte Arbeitsprozesse von Industrierobotern mit der sicheren Kollaboration zwischen Mensch und Cobot. Mit Solidworks und der 3DExperience Plattform von Dassault Systèmes konnte das Unternehmen die Entwicklung der berührungssensitiven Sicherheitshaut beschleunigen, die am Roboter angebracht wird und ihn bei Kollisionen sofort stoppt. Zudem verbessern die Tools die Effizienz der Zusammenarbeit.

mehr lesen