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Laufzeitunterschiede in Single-Pair-Ethernet-Steckverbindern

Die Zukunftsfähigkeit des Steckgesichts

Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Daten-Steckverbindern steigen kontinuierlich. Das Ziel ist immer eine möglichst hohe Signalintegrität. Eine Steckverbinder-Eigenschaft, die in direktem Zusammenhang mit der Signalintegrität steht, sind Laufzeitunterschiede.
 Der gewinkelte SPE-Leiterplatten-Steckverbinder SPE-T1-STRM-90 von Phoenix Contact erlaubt im Vergleich mit RJ45-Steckverbindern in etwa die doppelte Packungsdichte.
Der gewinkelte SPE-Leiterplatten-Steckverbinder SPE-T1-STRM-90 von Phoenix Contact erlaubt im Vergleich mit RJ45-Steckverbindern in etwa die doppelte Packungsdichte.Bild: Phoenix Contact GmbH & Co. KG

Die Laufzeit ist die Zeit, die ein elektrisches Signal zum Durchlaufen eines Leiterabschnitts benötigt. Laufzeitunterschiede innerhalb eines differentiellen Leiterpaares können die Signalintegrität eines Übertragungssystems stören. Die Laufzeitunterschiede erhöhen die Dämpfung, weil Energie aus dem Gegentakt-Mode in den unerwünschten Gleichtakt-Mode übertragen wird. Werden die Verluste zu groß, kann der Empfänger die Signalpegel nicht mehr sicher auswerten. Die Folge kann eine gestörte Signalintegrität des differentiellen Übertragungssystems sein. Laufzeitunterschiede werden von nicht exakt zeitgleich eingeprägten Sender-Signalen oder zu großer Asymmetrie im differentiellen Paar verursacht.

 Schnitt durch das CAD-Modell des gewinkelten Leiterplatten-Steckverbinders nach IEC63171-2.
Schnitt durch das CAD-Modell des gewinkelten Leiterplatten-Steckverbinders nach IEC63171-2.Bild: Phoenix Contact GmbH & Co. KG

Eine konsequente Miniaturisierung erfordert ein senkrechtes Steckgesicht

Die IEC63171-2 spezifiziert das Steckgesicht eines geschirmten SPE-Steckverbinders für IP20-Anwendungen. Diese Bauartspezifikation überlässt dem Steckverbinder-Hersteller die Ausrichtung des Steckgesichts bezogen auf eine Leiterplattenebene. Phoenix Contact hat sich bewusst für ein senkrecht stehendes Steckgesicht des gewinkelten SPE-Leiterplatten-Steckverbinders entschieden. Diese Anordnung erlaubt eine kompaktere Bauform als ein waagerechtes Steckgesicht und maximale Platzersparnis auf der Leiterplatte. Verglichen mit konventionellen RJ45-Steckverbindern wird so die doppelte Packungsdichte erzielt.

 Versuchsaufbau Phasenmessung mit einem vektoriellen Netzwerkanalysator.
Versuchsaufbau Phasenmessung mit einem vektoriellen Netzwerkanalysator.Bild: Phoenix Contact GmbH & Co. KG

Anforderungen an die Signalintegrität

Ein gewinkelter Leiterplatten-Steckverbinder mit einem senkrecht angeordneten Steckgesicht erfordert unterschiedliche Kontaktlängen. So betragen die gestreckten Längen der Kontakte 11,3 und 15mm. Steht die Längendifferenz von 3,7mm im Widerspruch zu den Symmetrieanforderungen einer differentiellen Signalübertragung?

Dieser Fragestellung wurde bereits in einer frühen Phase der Produktentwicklung höchste Aufmerksamkeit geschenkt. Deshalb lag ein Schwerpunkt der Entwicklungsaktivitäten auf einer sorgfältigen Analyse der Signalintegrität und Laufzeitunterschiede. Am Anfang stand die Auswahl geeigneter Bewertungskriterien. Es folgten erste theoretische Abschätzungen sowie Simulationen an den frühen Entwicklungskonzepten. Später schlossen sich die Messungen an Prototypen und Serienartikeln mit dem eindeutigen Ergebnis an: Der gewinkelte SPE-Leiterplatten-Steckverbinder von Phoenix Contact übertrifft die Anforderungen der IEC63171.

 Das SPE-Steckverbinder-Paar während der Messung an den koaxialen Messleitungen des vektoriellen Netzwerkanalysators.
Das SPE-Steckverbinder-Paar während der Messung an den koaxialen Messleitungen des vektoriellen Netzwerkanalysators. Bild: Phoenix Contact GmbH & Co. KG

Auswahl geeigneter Bewertungskriterien

Die IEC63171 definiert die Anforderungen an die Signalintegrität eines Single Pair Ethernet-Steckverbinders. Hier sind beispielsweise Grenzwerte für die Einfügedämpfung (IL) und die Unsymmetriedämpfungen (TCL, TCTL) spezifiziert. Diese Parameter ermöglichen schon eine vollständige Bewertung eines SPE-Steckverbinders im Hinblick auf die durch Laufzeitunterschiede verursachte Dämpfung und Modenkonversion.

Zur weiteren Beurteilung sind eine direkte Messung und Evaluierung des Laufzeitunterschieds entscheidend. Die Herausforderung besteht in der Auswahl eines passenden Referenzwerts, da die IEC63171 diesen Parameter nicht konkretisiert. Ein erster Anhaltspunkt findet sich in der DIN EN60603-7-51. Diese Bauartspezifikation aus dem RJ45-Bereich legt einen Laufzeitunterschied von max. 1,25ns zwischen den verschiedenen Leiterpaaren eines RJ45-Steckverbinders fest.

Diese Anforderung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Laufzeitunterschied innerhalb eines differentiellen Leiterpaares. Offensichtlich gibt es hier normativ keine Anforderungen – was, wie oben beschrieben, auch nicht notwendig ist, weil das System bereits vollständig durch die Übertragungsanforderungen beschrieben ist. Daher wird als weitere Referenz der Laufzeitunterschied im Paar einer hochwertigen Twisted-Pair-Leitung betrachtet.

Das Messverfahren

Vektorielle Netzwerkanalysatoren erlauben eine sehr genaue Bestimmung der Laufzeit. Eine Möglichkeit ist die Messung der Phase, aus der sich die Laufzeit berechnen lässt. In einem ersten Schritt erfolgt die Kalibrierung mit einem elektronischen Kalibrierkit an den Enden der koaxialen Messleitungen. Danach wird die Phase der Transmissions-Streuparameter zwischen den Kalibrierebenen gemessen. Im Frequenzbereich von 300 bis 500MHz wurde jeweils ein vollständiger Phasensprung auf beiden Adern festgestellt. Jeweils zu Beginn und Ende des Phasensprungs werden die Phase und die Frequenz abgelesen und in ein, dem wissenschaftlichen Standard entsprechende Gleichung eingesetzt. Daraus ergeben sich Laufzeiten von 9,63 und 9,60ns für die beiden Adern. Folgerichtig liegt ein Laufzeitunterschied von 0,03ns innerhalb des Paares der Twisted-Pair-Leitung vor. Mögliche Ursachen können kleinste Unterschiede in den Materialien oder in den Geometrien der Adern oder der Aderisolierungen sein, beispielweise durch Fertigungstoleranzen bei der Verdrillung des Leiterpaares.

Da es sich bei der betrachteten Twisted-Pair-Leitung um ein Produkt aus dem mehrpaarigen Ethernet-Bereich handelt, ist davon auszugehen, dass aktuelle Übertragungssysteme mit derartigen Laufzeitunterschieden zuverlässig arbeiten. Deshalb kann dieser Laufzeitunterschied als Referenzwert für die Bewertung des gewinkelten Leiterplatten-Steckverbinders herangezogen werden. Der gewinkelte Leiterplatten-Steckverbinder von Phoenix Contact übertrifft die Anforderungen der IEC63171 und verursacht weniger Laufzeitunterschied als 2m Twisted-Pair-Leitung

Somit kann die Frage nach einem möglichen Widerspruch zwischen der Kontaktlängendifferenz und den Symmetrieanforderungen einer differentiellen Signalübertragung sicher beantwortet werden. Dazu wird der gewinkelte Leiterplatten-Steckverbinder im gesteckten Zustand mit einem IEC63171-2-Feldsteckverbinder vermessen. Beide Prüflinge werden mit exakt gleichlangen Semi-Rigid-Leitungen an einen vektoriellen Netzwerkanalysator angeschlossen.

Wieder wird die Phase der Transmissions-Streuparameter ermittelt. Im untersuchten Frequenzbereich sind jeweils zwei Phasensprünge auf beiden Leitern zu erkennen, die zur Berechnung der Laufzeiten genutzt werden. Im Frequenzbereich von ca. 790MHz bis ca. 2,39GHz betragen die Laufzeiten 0,649 und 0,631ns. Die Differenz ist 0,018ns. Im Frequenzbereich von ca. 2,33 bis ca. 4,1GHz machen die Laufzeiten 0,595 und 0,583ns aus, Differenz 0,012ns. Beide Werte sind kleiner als der Referenzwert von 0,03ns, der für den Laufzeitunterschied in einem Paar einer 2m langen Twisted-Pair-Leitung festgestellt wurde. Abschließend werden hier die von der IEC63171 spezifizierten Übertragungseigenschaften des Steckverbinder-Paares vorgestellt. Ihre Bestimmung erfolgt durch eine Streuparameter-Messung. Das SPE-Portfolio von Phoenix Contact ist gemäß IEC63171 Kategorie B bis 600MHz freigegeben. Normativ ist heute eine maximale Bandbreite von 1,25GHz nach Kategorie C vorgesehen. Die betrachteten Steckverbinder erfüllen beide Anforderungen sicher und sind sogar bei noch höheren Frequenzen sehr performant.

Fazit

Der gewinkelte Leiterplatten-Steckverbinder von Phoenix Contact übertrifft die Anforderungen der IEC63171 und verursacht weniger Laufzeitunterschiede als eine typische 2m lange Twisted-Pair-Leitung. Eine Kontaktlängendifferenz mag aus Sicht der Signalintegrität zunächst unkonventionell erscheinen. Diese Einschätzung trifft im hohen Gigahertz-Bereich sicherlich zu. Der Frequenzbereich aktueller und zukünftiger SPE-Applikationen wird jedoch maximal im unteren Gigahertz-Bereich liegen. Dort spielen kleine Asymmetrien keine Rolle. Phoenix Contact hat diesen Gestaltungsfreiraum gezielt zur konsequenten Miniaturisierung genutzt, um dem Markt ein kompaktes SPE-Portfolio mit höchster Packungsdichte zu präsentieren.

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