Bewegliche Leitungssysteme für Profinet

Zugelassene Kombination

Harting hat mit dem ix Industrial einen sehr kompakten Industrie-Steckverbinder entwickelt, Igus bietet mit dem umfassenden Chainflex-Sortiment leistungsfähige Busleitungen für bewegliche Anwendungen mit kleinen Biegeradien. Für Steckverbinder und Leitung haben beide Unternehmen die Zertifizierung der Profinet-Nutzerorganisation erreicht. Andreas Muckes, Produktmanager Chainflex bei Igus, und Maximilian Rohrer, Produktmanager Interface Connectors bei Harting, berichten über die Eigenschaften der zugelassenen Komplettleitungen.
 Mit dem ix Industrial hat Harting eine deutlich kompaktere und robustere Alternative zum RJ45-Stecker geschaffen, die sich im Markt der Industriekommunikation schnell durchsetzt.
Mit dem ix Industrial hat Harting eine deutlich kompaktere und robustere Alternative zum RJ45-Stecker geschaffen, die sich im Markt der Industriekommunikation schnell durchsetzt. Bild: Harting

SPS-MAGAZIN: Herr Rohrer, mit dem ix Industrial hat Harting eine kompaktere Alternative zum bis dahin allgegenwärtigen RJ45-Steckverbinder für das industrielle Ethernet entwickelt. Wie hat der Markt dieses Verbindungssystem aufgenommen?

Maximilian Rohrer: Extrem gut. Viele Unternehmen haben schnell die Vorteile des ix Industrial hinsichtlich Bauraum und Zuverlässigkeit erkannt. Der Trend geht zu immer kleineren Geräten und Steckverbindungen bei größeren Datenmengen, die übertragen werden. Da ist der ix Industrial die geeignete Lösung – auch für Profinet-Anwendungen.

SPS-MAGAZIN: Herr Muckes, wie sieht das auf der Leitungsseite aus? Was bietet Igus für den Konstrukteur, der bewegliche Profinet-Leitungen benötigt?

Andreas Muckes: Zu unserem Chainflex-Busleitungs-Programm gehören neun verschiedene Leitungsqualitäten, die alle speziell für Profinet und die dauerhafte Bewegung in der Energiekette entwickelt wurden. Alles in allem bieten wir rund hundert Busleitungen. Der Anwender hat also eine große Auswahl für eine zuverlässige Datenübertragung.

SPS-MAGAZIN: Lohnt sich die Entwicklung und Fertigung von verschiedenen Leitungen für diesen einen Bus-Standard?

Muckes: Das lohnt sich auf jeden Fall, weil Profinet zu den führenden Standards der Industriekommunikation gehört. Allein 2021 wurden rund 8,5 Millionen Profinet-Geräte installiert, insgesamt sind weltweit 48,2 Millionen Geräte im Feld. Der Markt ist also groß genug. Deshalb entwickeln wir das Programm auch stetig weiter und stellen neue Leitungen vor – zum Beispiel solche mit noch geringerem Biegeradius und Roboterleitungen mit größerem Torsionswinkel.

SPS-MAGAZIN: Sie haben die Zulassung der Kombination von ix Industrial und den Chainflex-Profinet-Leitungen erreicht. Warum ist das ein wichtiger Schritt? Beide Unternehmen haben eigene Testlabore: Warum können Sie die Komponenten nicht einfach separat testen und freigeben?

Rohrer: Das können wir und haben wir auch getan. Sowohl Igus als auch Harting prüfen in einem ersten Schritt ihre Komponenten selbstverständlich unabhängig voneinander. Diese müssen auch den Profinet-Guidelines entsprechen. Was wir gemacht haben, ist einen Schritt weiterzugehen. Denn: Was ist für den Anwender wichtig? Eine zuverlässige und sichere Datenübertragung über die Einzelkomponenten hinweg. Genau diese Sicherheit können wir unseren Kunden für die Kombinationen geben. Die Profinet-Konformität rundet das Ganze ab.

SPS-MAGAZIN: Für Ihren Steckverbinder ix Industrial haben Sie diese Zulassung bereits im Jahr 2021 erreicht.

Rohrer: Genau. In der PNO-Richtlinie ‚Profinet Cabling and Interconnection Technology – Guideline for Profinet Version 5.0‘ ist das ix Industrial- Type A-Steckergesicht als neuer Standard für Ethernet-Anwendungen spezifiziert. Damit erhalten Profinet-Anwender die Möglichkeit mit dem ix Industrial eine deutlich kleinere und robustere Schnittstelle einzusetzen.

Maximilian Rohrer, Produktmanager Interface Connectors bei Harting: "Der Trend geht zu immer kleineren Geräten und Steckverbindungen bei größeren Datenmengen. Dafür haben wir den ix Industrial entwickelt."
Maximilian Rohrer, Produktmanager Interface Connectors bei Harting: „Der Trend geht zu immer kleineren Geräten und Steckverbindungen bei größeren Datenmengen. Dafür haben wir den ix Industrial entwickelt.“Bild: Igus GmbH

SPS-MAGAZIN: Man hört, dass es nicht leicht ist, eine solche Spezifizierung zu erhalten.

Rohrer: Das stimmt. Die Profinet-Nutzerorganisation nimmt das sehr ernst. Das Einbringen eines neuen Steckgesichts wird genau geprüft. Mit der Spezifizierung des ix Industrial öffnet Profinet die Tür zur weiteren Miniaturisierung und einem sicheren Steckgesicht. Hersteller von Profinet-konformen Geräten können nun auf einer sicheren Grundlage kleinere Geräte entwickeln und kostbaren Bauraum einsparen.

SPS-MAGAZIN: Herr Muckes, warum haben Sie mit Harting zusammengearbeitet, als es darum ging, Leitungen auf einen Stecker zu qualifizieren?

Muckes: Als PNO-Mitglied haben wir ein Partnerunternehmen gesucht, das die passenden Steckverbinder im Programm hat. In der Praxis gibt es keine oder kaum eine Leitung ohne Verbindungselemente. Da lag Harting einfach nahe: Wir haben schon viele gemeinsame Versuche gefahren, die Kombination von ix Industrial und Chainflex-Datenleitungen in beweglichen Anwendungen ist bereits bewährt. Nun ging es darum, dies auch für die Bustechnik zu erreichen. Und ix Industrial ist auch herausfordernd für uns, einfach weil der Stecker so klein ist. Das macht eine dauerhafte Verbindung in Linearachsen und an Roboterarmen nicht leichter.

SPS-MAGAZIN: Was wurde genau getestet – und mit welchem Ergebnis?

Muckes: Es wurden zwei Anwendungen untersucht: lineare Bewegungen und Torsionsbewegungen, wie sie an Roboterarmen vorkommen. Und wir haben die Zulassung der Kombination von ix Industrial und der Chainflex-Busleitung CFBUS.LB.060 sowie CFROBOT8.Plus.060 erreicht – was uns gefreut, aber nicht überrascht hat.

SPS-MAGAZIN: Warum hat es Sie nicht überrascht?

Rohrer: Weil wir diese Kombination seit 2018 immer wieder gemeinsam testen, insbesondere die Lebensdauer, und dabei hervorragende Ergebnisse erzielen – auch unter widrigen Bedingungen wie zum Beispiel Vibrationen. Die Herausforderungen sind sowohl die gute Verbindung der Litzen mit den Schneidklemmen als auch die Passung ins Gehäuse. Das ist nicht selbstverständlich, weil die Chainflex-Leitungen dicker sind als konventionelle Anwendungen und weil sie andere Aufbauten nutzen, um eine hohe Lebensdauer bei Dauerbewegung zu erreichen.

Muckes: Es zahlt sich aus, dass wir in die Entwicklung der Profinet-Leitungen für bewegliche Anwendungen sehr viel Arbeit investiert haben. Eine Busleitung muss ja grundsätzlich anders aufgebaut sein. Diese Grundsätze haben wir in unsere beweglichen Leitungen eingebaut.

Rohrer: … und der ix Industrial ist ja eigentlich für normale, sprich nicht für bewegliche Leitungen entwickelt worden. Auch deshalb macht die Zulassung Sinn und gibt dem Anwender zusätzliche Sicherheit. Mit dem Harting ix-Steckverbinder bekommt der Kunde eine Lösung mit deutlich höheren Auszugskräften – damit wird im industriellen Umfeld alles viel robuster.

Andreas Muckes, Produktmanager Chainflex bei Igus: "Die Anforderungen an Busleitungen in dauerbeweglichen Anwendungen sind hoch - wir erfüllen sie mit unserem Chainflex-Programm."
Andreas Muckes, Produktmanager Chainflex bei Igus: „Die Anforderungen an Busleitungen in dauerbeweglichen Anwendungen sind hoch – wir erfüllen sie mit unserem Chainflex-Programm.“Bild: Igus GmbH

SPS-MAGAZIN: Herr Muckes, können Sie kurz die Besonderheiten der Chainflex-Leitungen für Bus-Anwendungen beschreiben?

Muckes: Typisch für alle Chainflex-Leitungen ist ja unter anderem die besondere Verseiltechnik der Ader, die eine dauerhafte Beweglichkeit ohne Verschiebung in der Leitung sicherstellt. Der Mantel aus hochwertigem TPE gewährleistet langfristige Abriebfestigkeit. Wir bieten aber auch andere Mantelwerkstoffe. Und bei den Busleitungen verwenden wir besondere Schirmungskonstruktionen wegen der anspruchsvollen Übertragung. Damit kann der Anwender auch bei beweglichen Ethernet-Leitungen CAT 5 bis CAT 7 erreichen – bei sehr langer Lebensdauer und hoher Ausfallsicherheit der Leitungssysteme.

SPS-MAGAZIN: Welche Neuheiten oder Besonderheiten gibt es aktuell in diesem Programm?

Muckes: Wir haben zum Beispiel eine Sonderleitung nach Profinet-Spezifikation entwickelt mit der Bezeichnung CFSPECIAL.182.060. Sie ist mit Aramid-Tragorganen ausgestattet, die eine sehr hohe Zugfestigkeit gewährleisten. Das bietet Vorteile bei großen, hängenden Leitungslängen bis 50 Meter, zum Beispiel in Regalbediengeräten. Eine Anmerkung am Rande: Die Profinet-Norm für Leitungen kennt gar keine Zugkräfte in der Dynamik. Unser Anspruch ist es, immer wieder über die Normen hinauszugehen – nicht nur mit dieser Leitung und nicht nur bei Bus-Anwendungen.

SPS-MAGAZIN: Themawechsel zum Schluss – von Profinet zur UL-Zulassung, die ja nicht nur im US-amerikanischen Markt anerkannt wird. Was gibt es hier Neues?

Muckes: Hier sind zwei Themen aktuell. Zum einen haben wir eine Low-bending-Leitung mit verringertem Biegeradius und zugleich höherer Lebensdauer entwickelt, die von UL zugelassen wurde. Der Anwender kann also ein High-End-Produkt mit erhöhter Lebensdauer und UL-Zulassung verwenden – auch in Kombination mit dem ix Industrial-Steckverbinder, der ebenfalls UL-zertifiziert ist. Zweitens hat UL unser 36-monatiges Garantieversprechen überprüft, das wir aufgrund von zwei Milliarden Testzyklen pro Jahr guten Gewissens geben können. Jetzt dürfen unsere Chainflex-Leitungen das UL-Verified-Logo tragen. Das bestätigt auch von neutraler Seite den hohen Qualitätsanspruch, für den sowohl Igus als auch Harting stehen.

Rohrer: Genau. Unser gemeinsames Ziel ist es, unterbrechungsfreie und langlebige Verbindungen zu schaffen. Das geht nur, wenn beide Komponenten – Steckverbinder und Leitungen – jeweils für sich höchsten Anforderungen genügen und optimal zueinander passen. Genau das gewährleisten wir mit der gemeinsamen Arbeit in unseren Prüflaboren.

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