Die Kabel für Single Pair Ethernet – oder kurz SPE – werden in den Normen IEC61156-11/-12/-13 und -14 beschrieben. Diese vier neuen Standards für SPE-Leitungen definieren sowohl die feste als auch die flexible Verlegung. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Standards 61156-11 und 61156-12 bereits veröffentlicht. Sie definieren die Anforderungen für Übertragungsfrequenzen bis 600MHz bei einer Übertragungslänge bis 40m – und sind geeignet für die Standards 100Base-T1 und 1000Base-T1.
Seit Herbst 2020 bietet Phoenix Contact die ersten Steckverbinder für die durchgängige Verbindungstechnik für SPE an. Das Programm umfasst sowohl kompakte IP20-Steckverbinder als auch IP-geschützte M8-Steckverbinder für den Anschluss von Sensoren. Um diese beiden Welten miteinander zu verbinden, wurde ein durchgängiges Steckgesicht konzipiert. Das spart lästige Adapter und zusätzliche Kosten und wird somit den Kernzielen von Single Pair Ethernet vollständig gerecht: Kompaktheit und Durchgängigkeit.
Die IP20-Steckverbinder, die nach der IEC63171-2 normiert sind, bilden das kompakteste Steckgesicht der gesamten Normenreihe für SPE-Stecker. Das IP20-Programm umfasst sowohl vorkonfektionierte Patch-Kabel in verschiedenen Längen als auch kompakte Geräteanschlüsse für den Reflow-Lötprozess in unterschiedlichen Bauformen. Als neuestes Familienmitglied kommt Mitte des Jahres ein feldkonfektionierbarer Steckverbinder mit Schneidklemmanschluss (IDC – Insulation Displacement Connector) auf den Markt. Der IDC-Stecker mit einem Gehäuse aus Zinkdruckguss wird dem Anspruch an Robustheit in industriellen Applikationen in jedem Fall gerecht. Dies sorgt für mehr Komfort bei der Verkabelung im Feld sowie mehr Flexibilität hinsichtlich der Kabelauswahl.
Das IP-geschützte Produktprogramm in der Bauform M8 ist nach der IEC 63171-5 normiert und umfasst ebenfalls vorkonfektionierte Patch-Kabel mit unterschiedlichen Kabeltypen für unterschiedliche Applikationen und Geräteanschlüsse in der Standard-M8-Bauform. Die Verwendung der Standard-M8-Komponenten bietet dem Gerätehersteller den Vorteil des einfachen Design-ins und der erhöhten Flexibilität in der Verkabelung. Vorhandene Gehäuse-Geometrien und Wanddurchführungen können übernommen und mit den neuen SPE-Inserts bestückt werden. Diese Inserts stehen in gerader und gewinkelter Ausführung sowie für unterschiedlichen Lötverfahren – THR und SMD – zur Verfügung. Mit dem Launch dieses M8-Programms im Herbst 2020 sind nun erstmals Serienartikel für die Verbindung von kompakten SPE-Sensoren am Markt verfügbar.
Die SPE System Alliance
Schon zu Beginn der Entwicklungsaktivitäten rund um ein neues Steckgesicht für SPE wurde deutlich, dass Single Pair Ethernet nicht nur ein Steckerthema ist. Es geht vielmehr um alle betroffenen Infrastruktur-Komponenten: vom PHY über das Kabel bis hin zum Sensor. Seit über einem Jahr besteht das von Phoenix Contact mitgegründete Netzwerk der SPE System Alliance. Führende Technologieunternehmen aus verschiedenen Branchen und Anwendungsbereichen haben sich in einem eingetragenen Verein zusammengeschlossen, um ihr Know-how zu bündeln und zielorientiert auszutauschen. Durch die Ausrichtung zu einer branchen- und applikationsübergreifenden Austauschplattform kommen Unternehmen aus allen Bereichen des SPE-Ecosystems zusammen. Alle Partner der Allianz verfolgen gemeinsam das Ziel, SPE für das Industrial Internet of Things (IIoT) weiter voran zu treiben.
So steht die SPE System Alliance nicht für ein bestimmtes Steckersystem oder Produkt. Unabhängig von den Einzelpositionen der Mitglieder der System Alliance wahrt der Verein in Bezug auf Produkte generell seine Neutralität und Herstellerunabhängigkeit. Die Zielsetzung der Aktivitäten der System Alliance richtet sich vielmehr auf die Beförderung der SPE-Technologie.
Der Verein konzentriert sich auf das gesamte zukünftige SPE-Ecosystem sowie auf alle offenen Fragen in diesem Kontext. Dies umfasst weit mehr als nur physische Komponenten wie Kabel, PHYs, Stecker, Sensoren oder Switches. So geht es zum Beispiel auch um Fragen nach Topologien, Standardisierungsvorhaben oder Szenarien für ganz unterschiedliche Applikationsbereiche. Diese breite Aufstellung manifestiert sich auch in diversen Arbeitsgruppen innerhalb der System Alliance, die wiederum an unterschiedlichen Fragestellungen arbeiten.
Neue IEEE-Standards in den Startlöchern
Die verabschiedeten Standards der IEEE802.3 für SPE umfassen Datenraten von 10Mbit/s bis 10Gbit/s und Distanzen bis zu 1.000m. Getrieben durch den Automotive-Bereich wurden inzwischen die ersten Standards verabschiedet, die kürzere Distanzen abdecken. Die Standards 100Base-T1 und 1000Base-T1 übertragen auf der Distanz von bis zu 40m (geschirmt) Datenraten von 100Mbit/s bzw. 1Gbit/s.
Anwender aus den Bereichen der Fabrik- und Gebäudeautomation schauen gespannt auf die weitere Verfügbarkeit der Komponenten für die Standards 10Base-T1L und 10Base-T1S aus der Working Group ‚cg‘. Mit diesen Standards ist es erstmals möglich, bei einer Datenrate von 10 Mbit/s eine Distanz von bis zu 1.000m zu übertragen. Mit der Ausprägung T1S sind erstmals auch Multidrop-Applikationen möglich. Alle anderen Standards gehen von der klassischen Point-to-Point-Verkabelung aus. Diese Multidrop-Anwendungen möchte man in der neuesten Working Group „da“ noch erweitern – und schaut auf Reichweiten, die über die 25m des derzeitigen T1S-Standards hinausgehen.
Neuester verabschiedeter Standard aus der Working Group „ch“ ist der MultiGigBase-T1, der eine Datenrate von 10Gbit/s mit einer Reichweite von 15m erlaubt. Darüber hinaus gibt es den Power-over-Dataline(PoDL)-Standard, der es SPE-Applikationen ermöglicht, eine zusätzliche Leistung bis zu 50W über die Datenleitung zu übertragen. Ausgenommen von dieser Funktion sind derzeit noch die Multidrop-Standards.
Und wann kommen die ersten Geräte?
Die heiße Phase der Prototypen für SPE hat längst begonnen – PHYs, Kabel und Steckverbinder sind am Markt verfügbar. Jetzt heißt es, die Systeme aufeinander abzustimmen und die Bedürfnisse der industriellen Umgebungsbedingungen auf Single Pair Ethernet zu übertragen. Eine der Herausforderungen hier ist das EMV-Verhalten im Gesamtsystem, da sich das industrielle Umfeld stark vom Applikationsbereich des Automotive-Ethernet unterscheidet. Im Gegensatz zum Automobil sind die EMV-Einflüsse je nach Anwendung nicht vorhersehbar und zudem oftmals deutlich komplexer.