

„Ein Sensorhersteller kann heute loslegen – Chips, Stecker, Kabel: alles ist verfügbar.“ – Bild: U.I. Lapp GmbH

„Wir können heute rund 90?Prozent aller Anwendungen abdecken – aber echte Fortschritte entstehen im Dialog mit dem Kunden.“ – Bild: U.I. Lapp GmbH
Single Pair Ethernet galt lange als vielversprechende Technologie für die industrielle Kommunikation. Doch trotz klarer technischer Vorteile blieb der Durchbruch aus. „Wir sind überzeugt, dass die Diskussion um den richtigen Steckverbinder die Marktdurchdringung von SPE lange gebremst hat“ sagt Ralf Moebus, Leiter Produktmanagement Industrial Communication bei Lapp. Zwar gab es frühzeitig eine Norm für Single Pair Ethernet, doch gleich mehrere konkurrierende Steckgesichter erschwerten eine eindeutige Entscheidung für Gerätehersteller. Norm und Markt seien eben nicht immer deckungsgleich. Erst mit der Entscheidung von Profibus & Profinet International (PI), den IEC-63171-7-Steckverbinder für Profinet-Netzwerke zu empfehlen, kam Bewegung in das Thema. Auch die ODVA, zuständig für Ethernet/IP, spricht inzwischen differenzierte Empfehlungen für den Einsatz der IEC-63171-2- und -6-Varianten aus. „Damit wurde ein Kunstgriff gemacht, der niemanden verprellt und trotzdem Klarheit schafft,“ so Moebus.
Prozessautomation als Vorreiter
In der Prozessautomation hat sich SPE unter dem Begriff APL (Advanced Physical Layer) längst etabliert. Ein Grund dafür: Die Diskussion über Steckverbinder fiel hier weitgehend weg, da viele Geräte über Kabelklemmen angeschlossen werden. Christian Illenseer, Produktmanager Datenleitungen bei Lapp, erklärt: „Gerade bei Brownfield-Anlagen, die nachgerüstet werden, profitieren Anwender davon, dass APL einfache Verkabelungen erlaubt und bestehende Infrastrukturen nutzbar macht.“ APL verwendet den gleichen Physical Layer wie SPE in der Fertigungsautomatisierung, ist aber gezielt auf die Anforderungen der Prozessindustrie ausgerichtet: lange Distanzen, Ex-Zulassungen und Zwei-Draht-Technologie. „Hier hat man schnell konkrete Vorteile erkannt, etwa den Ersatz analoger Signale oder die 1.000m-Reichweite,“ analysiert Illenseer.
Fertigungsindustrie zieht nach
Auch in der Fertigungsindustrie ist nun der Knoten geplatzt. Die kürzliche Empfehlung der PI zum IEC-63171-7-Stecker war ein wichtiger Impuls. „Mit dem -7-Standard haben wir einen Hybridstecker, der sowohl Daten- als auch Energieübertragung ermöglicht und in verschiedenen Bauformen wie M8 oder M12 integriert werden kann“, erläutert Steffen Schneider, Produktmanager für Epic Steckverbinder. Lapp hat bereits Produkte auf Basis des -6-Standards entwickelt und bringt dieses Knowhow nun in die neue Generation ein. Neben der Normung steht jetzt die Systemintegration im Fokus. „Anwender wollen wissen, wie SPE konkret im Maschinenbau eingesetzt werden kann. Welche Reichweiten sind erlaubt? Welche Querschnitte notwendig? Welche Topologien möglich?“ formuliert Moebus deren Fragen. Antworten darauf sollen unter anderem Use-Case-basierte Guidelines liefern, an denen Nutzerorganisationen wie die PI derzeit intensiv arbeiten.
Komponenten sind verfügbar
Technologisch ist SPE reif für den industriellen Einsatz. „Ein Sensorhersteller kann heute loslegen. Es gibt Chips, Stecker, Kabel – alles ist verfügbar“, betont Moebus. Lapp bietet unter anderem feldkonfektionierbare Stecker nach -6-Standard, Patchkabel in verschiedenen Längen sowie eigene SPE-Leitungen mit verschiedenen Zulassungen. Echte Anwendungen gibt es bereits. Ein Beispiel ist ein Start-up, das Offshore-Wellenkraftwerke miteinander vernetzt. „Dort wurden 1.000m lange SPE-Leitungen eingesetzt, um die Kommunikationsstrecken zwischen den Anlagen zu realisieren. Ganz ohne definierte Steckverbindungen, sondern über Klemmen“, erzählt Moebus und ergänzt: Der Nutzen zählt.“
Vom Sensor bis in die Cloud – SPE versus IO-Link
Single Pair Ethernet verspricht eine durchgängige Datenkommunikation vom Sensor bis in die Cloud. Die Vorteile: höhere Datenverfügbarkeit, weniger Gateways, mehr Transparenz. „Das ist besonders relevant für Themen wie Predictive Maintenance, Prozessoptimierung oder KI“, schildert der Leiter Produktmanagement. Gerade in der Sensorik sehe Lapp große Potenziale. „Wenn ich Ethernet direkt im Sensor integrieren kann, bekomme ich Zugang zu mehr Daten, in Echtzeit und IT-Kompatibilität,“ erklärt er weiter. Hier sind wir an einem Punkt, wo SPE die IO-Link-Technologie in vielen Fällen ablösen könnte.
IO-Link ist derzeit das meistgenutzte Kommunikationsprotokoll für smarte Sensorik auf der Feldebene. Es ist kostengünstig, einfach zu integrieren und hat sich in unzähligen Anwendungen bewährt – nicht zuletzt durch seine Zweidrahtstruktur und einfache Parametrierung. Doch IO-Link hat auch systembedingte Einschränkungen: Die Reichweite ist auf 20m limitiert, die Datenrate ist niedrig. Außerdem benötigt es für die Anbindung an übergeordnete Systeme immer ein IO-Link-Master-Gateway.
SPE hingegen bietet Reichweiten bis zu 1.000m und Datenraten bis in den Gigabit-Bereich. „Damit könnten künftig viele IO-Link-Anwendungen durch SPE ersetzt werden – vor allem dort, wo eine direkte Einbindung in Ethernet-basierte Netzwerke ohne zusätzlichen Übersetzer sinnvoll ist,“ so Moebus. Ein weiteres Argument ist Power over Data Line (PoDL): „Daten und Strom über eine Leitung – das reduziert Aufwand, spart Platz und senkt die Kosten.“
„Trotzdem sehen wir keinen kompletten Verdrängungsprozess“, ergänzt Illenseer. „Ein einfacher Initiator, der nur einen Schaltzustand überträgt, wird auch künftig mit IO-Link besser bedient sein – nicht zuletzt aus Kostengründen.“ Vielmehr sei es das Ziel, dass beide Technologien sich ergänzen und je nach Use Case ihre Stärken ausspielen.
Ein Anwendungsbeispiel, das Moebus nennt: „Ein QR-Code-Reader in einem automatisierten Hochregallager sendet heute über Profinet Daten. Mit SPE kann dieser direkt angebunden werden – inklusive Fernwartung aus dem Büro, ohne physischen Zugriff vor Ort.“ Ein weiteres Anwendungsfeld sind dynamische Applikationen wie Roboter. Hier punkten die dünnen SPE-Leitungen mit Flexibilität sowie Platz- und Gewichtsersparnis. Auch PoDL spielt hier eine Rolle.

Breites SPE-Portfolio bei Lapp
Lapp bietet bereits heute ein umfassendes SPE-Portfolio an, das sowohl für die Fertigungs- als auch die Prozessindustrie ausgelegt ist. Dazu zählen SPE-Leitungen für feste und flexible Verlegung, Varianten mit UL-Zulassung, APL-geeignete Kabel für Reichweiten bis zu 1000m sowie robuste Ausführungen für industrielle Umgebungen. Ergänzt wird das Portfolio durch feldkonfektionierbare SPE-Steckverbinder nach IEC 63171-6, vorkonfektionierte Patchkabel in unterschiedlichen Längen sowie PCB-Buchsen und Gerätestecker. Im Bereich der -7-Hybridsteckverbinder ist Lapp ebenfalls frühzeitig aktiv und bringt Erfahrungen aus der bisherigen Produktreihe in die neue Generation ein.
Kundenspezifische Lösungen gefragt
Trotz dieser Breite arbeitet Lapp kontinuierlich an spezifischen Erweiterungen. „Wir können heute rund 90 Prozent aller Anwendungen abdecken, aber die Gespräche mit Kunden zeigen immer wieder neue Bedarfe,“ berichtet Illenseer. Ein Beispiel seien Roboterleitungen, für die noch keine einheitlichen Spezifikationen existieren. „Dort entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kunden individuelle Lösungen.“ Lapp unterstützt Kunden nicht nur mit Produkten, sondern auch mit Knowhow. Im firmeneigenen Exploration Center in Stuttgart bietet das Unternehmen Workshops, Schulungen und gemeinsame Design-Entwicklung an. „Wir verstehen uns als Lösungsanbieter“ hebt Moebus hervor. „Das reicht von der Konfektionierung bis zur gemeinsamen Messung und Netzwerkanalyse.“
Fazit: Der Zeitpunkt ist günstig
Lapp sieht sich strategisch gut aufgestellt, um die SPE-Technologie in den Markt zu tragen. „Die Komponenten sind da, die Normung ist auf einem guten Weg, und das Interesse der Anwender steigt deutlich“, fasst Moebus zusammen. Der breite Durchbruch? „Den erwarten wir im Jahr 2026.“ Für Komponenten- sowie Endgerätehersteller, Systemintegratoren und Maschinenbauer heißt das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich mit SPE zu beschäftigen. Wer heute plant, kann morgen implementieren – und übermorgen profitieren.