Interview mit Dr. Axel Zein, Geschäftsführer bei WSCAD, über die neue Elektro-CAD-Software Electrix

Engineering auf neuem Level

Im Jahr 1990 gegründet, wollte sich WSCAD eigentlich auf das Design von Leiterplatten ausrichten. Doch wie so oft, kam es anders: Heute ist das Unternehmen mit seinem Angebot für den Elektro-CAD-Bereich im Maschinen- und Anlagenbau etabliert. "Unter dem Namen Electrix steht jetzt unsere neue Softwaregeneration in den Startlöchern - mit umfangreichen Verbesserungen und Erweiterungen", verspricht Axel Zein. Wie die konkret aussehen und auf welche Trends man damit reagieren will, erklärt der WSCAD-Geschäftsführer im SPS-MAGAZIN.

Herr Dr. Zein, mit Electrix steht die Ablöse der WSCAD Suite ins Haus. Doch bevor wir darüber sprechen: Bitte ein kleines Resümee für unsere Leser zum bisherigen Angebot.

Dr. Axel Zein: Unsere Softwarelösungen für die Elektrokonstruktion sind bereits lange auf dem Markt und in der Industrie weit verbreitet. Weltweit zählen wir über 35.000 Anwender. Die Basis für diesen Erfolg hatte in den 2000er-Jahren die Version WSCAD 5.5 gelegt, die es – kleiner Fun Fact am Rande – übrigens auch auf bayerisch gab. 2012, also vor rund zehn Jahren, wurde dann die WSCAD Suite erstmals präsentiert. Sie wurde 2018 zur Suite X upgegradet und in diesem Schritt um ein neues User Interface, Strukturkennzeichnung, Augmented Reality und Verfahrenstechnik aufgestockt. Branchen wie die Verfahrenstechnik aufgestockt. Über die Zeit haben wir WSCAD also von einer klassischen Engineering-Software hin zu einem digitalen Ökosystem veredelt. Dazu gehören das neue ECAD-Programm Electrix, die Online-Datenbibliothek wscaduniverse.com sowie diverse weitere Tools und Apps.

Ist Electrix dann einfach die logische Fortsetzung in der WSCAD-Evolution oder haben Sie auch strategisch neue Schwerpunkte gesetzt?

Zein: Natürlich wollen wir unsere bisherigen Anwender mit auf die Reise zu Electrix nehmen. In diesem Sinne handelt es sich um eine Weiterentwicklung unserer Software. Dabei standen aber verschiedene strategische Punkte im Fokus. Als erstes ist hier ganz generell die Qualität zu nennen, die wir bei Electrix nochmals deutlich erhöht haben. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Erwartungen der Anwender hinsichtlich Funktionalität und Bedienkomfort immer weiter steigen. Folglich fanden sich in unseren Fokus noch drei weitere Punkte: Nummer eins die Usability, Nummer zwei der Editor und Nummer drei das Thema Kompatibilität.

Warum ist Ihnen der Bedienkomfort so wichtig?

Zein: Es sind vorrangig zwei Entwicklungen, die uns beim Thema Usability treiben. Zum einen verändert sich die Altersstruktur, also das Durchschnittsalter unserer Anwender. Zum anderen gibt es immer mehr Allrounder oder sogenannte Gelegenheits-User, die unsere Software nicht den ganzen Tag, oder sogar nur ab und zu nutzen.

Können Sie ein Beispiel geben, wie Sie diesen Trends konkret begegnen?

Zein: Etwa bei der Menüführung. Wir haben die Menüleiste nicht nur besser eingebunden, sondern auch um die smarte Suchfunktion Search&Click ergänzt. Dadurch erhält der Anwender mehr Platz für das eigentliche Projekt. Gleichzeitig muss er nicht mehr tief in das Menü hineingehen. Stattdessen kann er schon über die Suchmaske alles durchführen, was die Software hergibt: z.B. Projekte anlegen, Stromlaufpläne öffnen, Funktionsbausteine anwenden oder Komponenten einfügen. So finden sich selbst Gelegenheits-User schnell zurecht, aber auch erfahrene Power User freuen sich über die vereinfachte Nutzerführung. Das geht soweit, dass sie das Menü fast gar nicht mehr verwenden. Darüber hinaus haben wir die Handhabung in vielen weiteren Details verbessert. Der größte Mehrwert für den Anwender findet sich allerdings im neuen Editor.

Warum das?

Zein: Mit dem neuen Editor zielen wir ebenfalls konsequent in Richtung User-Komfort. Das beginnt aber nicht erst bei der Arbeit in einem Projekt, sondern setzt schon viel früher an. Nämlich mit der Wahl des Datei-Formats. Tatsächlich ist das am weitesten verbreitete Format DXF/DWG – vielleicht nicht in Deutschland, aber aus weltweiter Perspektive mit Sicherheit. Und gerade im Ausland gibt es noch großes Potenzial für unsere Lösungen. Deswegen haben wir beim neuen Editor diesen Standard aufgegriffen und vollständig implementiert. Dadurch können Anwender alles, was sie im Engineering bisher realisiert haben, in das neue Tool Electrix übernehmen – sie können auf jedes Element und alle Layer zugreifen, alle Informationen auslesen oder ausliefern. Ohne Daten konvertieren zu müssen. Somit sinkt natürlich auch die Hürde gewaltig, generell zu WSCAD zu wechseln.

DWG wurde also nicht als Datenformat ergänzt, sondern es bildet das neue Fundament?

Zein: Richtig. Der Editor in Electrix ist zu 100 Prozent neu. Vom alten Editor ist quasi nichts mehr übrig. Gleichzeitig nehmen wir natürlich Rücksicht auf unsere Bestandskunden und hängen die Kompatibilität bei Electrix extrem weit oben auf. So ist die neue Software vollständig rückwärts kompatibel bis 2012. Zudem kann der Anwender drei Versionen in der WSCAD Suite zurückspeichern. Das ist etwa dann extrem hilfreich, wenn es um Langläuferprojekte geht, an denen die beteiligten Parteien mit unterschiedlichen Software-Versionen arbeiten. Im übrigen haben wir mit Electrix auch die Schnittstellen zu anderen Engineering-Umgebungen nochmals verbessert, z.B. zu Kiesling bzw. Rittal oder zu Hoffmann/Steinhauer bzw. nVent, zum TIA Portal von Siemens oder zu den Klemmenkonfiguratoren und Druckern von Phoenix Contact, Weidmüller und Wago.

War eine zunehmend internationale Ausrichtung von WSCAD auch der Grund für den neuen Softwarenamen?

Zein: Auf jeden Fall hat sie ihren Teil dazu beigetragen. Die Grundidee hinter dem neuen Namen Electrix war aber eher folgende: Wir bedienen sechs Ingenieurendisziplinen – Verfahrenstechnik, Elektrik, Fluid, Elektroinstallation, Schallschrankbau und Gebäudeautomation. Was ist der gemeinsame Nenner? Die elektrische Energie. Sie bildet den Mittelpunkt des ganzen Ökosystems von WSCAD. Mit Electrix heben wir dieses System jetzt auf ein neues Level, was moderne Software-Mechanismen und Standards angeht.

Können Sie auch hier Beispiele geben?

Zein: Wir bieten jetzt eine einheitliche Benutzerverwaltung quer durch unsere Tools, die Software läuft rein 64Bit-basiert. Es gibt eine absolut native Unterstützung der Grafikkarte des Prozessors. Zudem stellen wir eine Vielzahl an Makros zur Verfügung – allein für die Gebäudeautomation sind es rund 300 Stück. Entsprechend nutzen immer mehr unserer Kunden das Angebot bereichsübergreifend und durchgängig, von der Gebäudetechnik bis zu den Anlagen in der Produktion. Unsere Datenbank wscaduniverse.com wächst parallel als ongoing Prozess beständig. Wir fahren hier jeden Monat ein Update mit neuen und aufbereiteten Daten. Diese Aktualität kommt bei den Anwendern natürlich gut an. Genauso der Aspekt, dass wir die Daten der Hersteller kostenfrei hosten, und die Kunden sie kostenfrei abrufen können. Darüber hinaus bieten wir die Daten nicht nur in unserem hauseigenen Format an, sondern z.B. auch im EDZ-DXF/DWG oder Step-Format.

Welche Apps ergänzen Electrix?

Zein: Hier ist z.B. unsere Instandhalter-App zu nennen. Über einen QR-Code kann der Servicetechniker direkt im Feld auf den Schaltplan einer Anlage zugreifen. Er kann prüfen, ob ausgefallene Komponenten überhaupt noch verfügbar sind oder über unsere Online-Datenbank passende Nachfolgeteile oder Alternativen mit ähnlicher technischer Spezifikation definieren. Für den Building-Bereich haben wir eine Augmented Reality App entwickelt, die Räume scannt und vermisst. Auf dieser Basis lässt sich dann unkompliziert ein digitaler Zwilling für die spätere Elektrokonstruktion entwerfen. Die Scans lassen sich in DXF oder DWG exportieren und anschließend in Electrix weiter bearbeiten. Ein namhaftes Showcase für diesen Lösungsweg war etwa das Sony Center in Berlin. Ein weiteres spannendes Produkt bildet die WSCADemy, die im Rahmen unserer eigenen Plattform kurze Videotutorials als Antworten auf ganz spezifische Fragen bereit stellt. Aktuell sind es – sortiert nach Kategorien – schon rund 100 Stück. Durch solche Tools wollen wir unseren Kunden hilfreiche Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie auf die immer weiter steigende Komplexität im Engineering und immer anspruchsvollere Zeitpläne reagieren können – auch unter Zuhilfenahme von Zukunftstechnologien wie Augmented Reality oder künstlicher Intelligenz.

Das Schlagwort KI ist ja aktuell in aller Munde. Welches Potenzial bietet es im Engineering?

Zein: Ich glaube das KI im Engineering eine unglaubliche Kraft entfalten wird und heute noch völlig unterschätzt ist. Aber es gibt grundsätzlich zwei Arten von KI. Das eine sind vorbereitete regelbasierte Systeme, mit denen sich im Schaltanlagenbau etwa Fehler vermeiden lassen. Das ist schon mal nicht schlecht. Besonders spannend wird es aus meiner Sicht aber dann, wenn das System anfängt, selbstständig Regeln zu erfinden. Das ist alles andere als trivial. Es müssen dann smarte Algorithmen eingesetzt werden, die das Verhalten des Anwenders ganz genau analysieren – und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Wir befinden uns hier aktuell bereits in vielversprechenden Testphasen. Allerdings muss man sicherstellen, dass die Komplexität dabei nicht ins Unendliche schießt.

Die WSCAD Suite hat neun Jahre getragen. Wie sieht Ihre Roadmap für Electrix aus?

Zein: Ich hoffe, sie erstreckt sich über einen ähnlichen Zeitraum. Aber ehrlich gesagt, wage ich keine Vorhersage. Denn die Digitalisierung beeinflusst momentan so viele Faktoren. Von der Elektrokonstruktion über die Automatisierung und Organisation bis hin zum Nutzerverhalten – egal, ob Schaltanlagenbauer oder Instandhalter. Das Potenzial unserer modernen Engineering-Lösungen für den Anwender ist riesig. Aber er muss in der Lage sein, seinen eigenen Digitalsierungsprozess individuell aufzusetzen. Demnach ist also auch der Aufwand ist nicht ganz klein.

Bitte geben Sie nochmals ein Beispiel.

Zein: Wir haben einen großen Kunden, der die Schaltpläne seiner Maschinen schon seit einiger Zeit automatisch generiert. Ziel war es jetzt, auch die Verfahrenstechnik zu automatisieren. Idealerweise sollten dann auf Knopfdruck sowohl der verfahrenstechnische Plan als auch der Elektroplan ausgespuckt werden. Diese Umstellung setzte aber organisatorische Veränderungen in diversen Abteilungen voraus, wodurch letztlich sogar die Gewerkschaft mit im Boot saß. Mit Auswirkungen in solchen Dimensionen hatte der Kunden ursprünglich sicherlich nicht gerechnet. Letzten Endes haben sich die Mühen für ihn aber gelohnt und der Mehrwert hat den Mehraufwand weit übertroffen.

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