Nachgehakt bei Hubertus Breier
Vor etwa eineinhalb Jahren sind Sie bei Lapp als CTO eingestiegen und haben mir von Ihrem Steckenpferd Innovation erzählt. Was bedeutet das für Sie?
Ich stehe nach wie vor dazu: Innovation ist mein Steckenpferd. Ich halte mich dabei an Joseph Schumpeter: Eine Innovation ist eine technische Neuerung, die auch einen Kundenmehrwert bieten und Markterfolg aufzeigen muss. Das heißt, eine technische Erfindung allein ist erst einmal keine Innovation. Erst der wirtschaftliche Erfolg macht sie dazu. Mit diesem Verständnis im Hinterkopf bedeutet es nämlich, dass ein Unternehmen, das in Forschung und Entwicklung investiert, immer den Kundennutzen mitdenken sollte. Denn nur die erwirtschafteten Margen lassen sich wieder reinvestieren in F&E, um Innovationen voranzutreiben. Dieser Zyklus ist mein Verständnis von Innovation.

Was ist in dieser Hinsicht bereits passiert?
Innovation ist keine Eintagsfliege und auch kein Sprint, sondern oft ein Marathon. Im ersten Step haben wir unseren Entwicklungsprozess zweigeteilt. Der erste Teil umfasst Technologiefelder und Kundenanwendungen, die wir kennen. Hier sprechen wir von der evolutionären Entwicklung. Das heißt, wir verbessern Bestehendes weiter, bringen etwa eine neue Produktgeneration heraus, ein noch ölbeständigeres Kabel, noch besser gestaltete elektrische Leitfähigkeiten und so weiter. Hier haben wir einen Stage-Gate-Prozess, also einen klar definierten Entwicklungsprozess mit Qualitätsüberprüfung, wie ihn jedes Unternehmen hat. Den zweiten Entwicklungspfad nennen wir Revolution. Das heißt, hier entwickeln wir Kundenwertversprechen weiter. Dabei haben wir uns dafür entschieden, den Lean-Startup-Prozess zu verwenden. Das Entscheidende: Es erfolgt eine sehr frühe Kundeninteraktion mit einem ersten Muster, das er bereits testen kann. Im Startup-Slang nennt man das Minimum Viable Product, kurz MVP. Dahinter steckt ein ganz einfacher Prozess: Discovery – Validation – Creation – Exit. In der Discovery-Phase muss der Startup-Captain, also der interne Ideengeber bei Lapp, innerhalb der ersten zwölf Wochen mindestens zehn Kundengespräche über die Idee bzw. das dahinterliegende Kundenproblem führen. Wir im Global Management Team prüfen dann nach jeder Phase den Erkenntnisfortschritt, um am Ende zu entscheiden, ob wir weiterhin in die Idee bzw. später das Startup investieren.
Bekommen die ‚Revolutionäre‘ im Unternehmen dann mehr Freiheit vom Tagesgeschäft?
Das ist eine essentiell wichtige Frage. Zuerst muss man dafür sorgen, dass beide Pfade bekannt sind, dass es keine internen ‚Abstoßungsreaktionen‘ gibt. Transparenz ist ein Schlüssel zum Erfolg. Der zweite Schlüssel zum Erfolg meiner Überzeugung nach ist, die neue Idee in einem sogenannten Inkubator, in einer geschützten Atmosphäre unter weniger prozesslastigen Bedingungen, reifen zu lassen und dafür organisatorisch einen Rahmenzu schaffen.
Warum der Aufwand, das intern zu machen? Sie könnten auch in Startups investieren?
Meine Überzeugung ist: Wir brauchen mehr Menschen im Unternehmen, die diesen Kundenfokus in sich tragen, die den Kundenmehrwert verstehen wollen und nicht einfach nur das Bestehende weiterentwickeln. Sie werden wie bei einer Projektarbeit einfach nur in das ‚Startup‘ verliehen, versetzt wird nur der Captain. Das ist schon ein Aufwand, den man betreibt, ja. Aber wenn diese Menschen dieses Denken mitnehmen, wenn sie in ihre Abteilungen zurückkehren, das ist ein großer Mehrwert, für den sich der Aufwand lohnt.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Wir haben dieses Konzept aufgebaut, den Prozess und das Rollenkonzept etabliert und in die Unternehmensprozesse verankert. Der Schutzraum ist gebaut. Vor vier Wochen sind wir gestartet und haben jetzt eine ganz lange Liste an eingereichten Ideen. Unsere nächste Herausforderung ist die Priorisierung. Wir bewerten die Ideen nach ihrem Markt- und Umsatzpotenzial, nach Aufwand und Risiko. Anschließend geben wir die Top-Ideen frei und die Discovery-Phase kann beginnen.