Dezentralisierung von Schaltnetzgeräten in der Automatisierung

Ab ins Feld!

Immer mehr Anlagenbetreiber setzen auf dezentrale Netzgeräte. Denn sie bieten deutliche Vorteile, was die Installationszeit, die Diagnosemöglichkeiten oder den Platz- bzw. Klimatisierungsbedarf im Schaltschrank angeht. Bisher ein klassischer Zielkonflikt in der Elektrotechnik, der sich mit modernen Geräten aber lösen lässt.
 In Logistikzentren sind die dezentralen Netzgeräte viel im Einsatz: von Kameraanwendungen bis zu den Rollenantrieben.
In Logistikzentren sind die dezentralen Netzgeräte viel im Einsatz: von Kameraanwendungen bis zu den Rollenantrieben. Bild: Murrelektronik GmbH

In der Vergangenheit hatten in industriellen Anwendungen große Schaltschränke das Sagen. In ihnen fanden viele Komponenten und Funktionen ihr zuhause. Was mittlerweile nicht mehr der Weisheit letzter Schluss ist. Denn der Wunsch nach mehr Flexibilität und höherer Effizienz wurde im vergangenen Jahrzehnt immer größer bei Maschinenherstellern und Fertigungsunternehmen. Und recht zügig war klar, dass in der Modularisierung und Dezentralisierung von Schlüsselkomponenten ein enormes Optimierungspotenzial liegt. Durch die Unterteilung der Maschinen und Systeme in kleinere, modulare Funktionseinheiten wandern viele Schaltschrankkomponenten näher an den Prozess – mittendrin, statt nur dabei. Dezentrale Einheiten bedeutet auch, dass diese als modulare Teilsysteme einzeln montiert, getestet und betrieben werden können. Das erleichtert viele Prozesse, etwa Inbetriebnahme und Instandhaltung.

Dieses Konzept ermöglicht auch spätere Erweiterungen, ein Retrofit, einen potenziellen Umzug oder Aktualisierungen, ohne das Gesamtkonzept einer Anwendung mit viel Geld und großem Aufwand ändern zu müssen. Das alles gilt grundsätzlich für alle Komponenten. Und damit auch für Schaltnetzteile. Waren sie bisher fast ausschließlich im Schaltschrank zu finden, kann jetzt die Spannungsversorgung von der Steuerung in das Maschinenumfeld verlagert werden. Was schon mal bezogen auf die Leitungsverluste sich eigentlich aufdrängt, denn je näher die Stromversorgung am Point-of-Load ist, also am Verbraucher, umso geringer sind die Verluste.

I/O-Systemen werden mittlerweile in Schutzart IP67 (wasser- und staubdicht) viel eingesetzt. Die damit verbundenen Vorteile lassen sich auch in den Bereich der industriellen Stromversorgungen übertragen und im besten Fall um ein paar spezifische Funktionen ergänzen. So sollte die Wandlung der Netzspannung in Gleichspannung erst unmittelbar am Verbraucher erfolgen, um Energieverluste zu reduzieren. Vertauschungssichere Steckverbinder reduzieren die Installationszeit gegenüber herkömmlichen Netzgeräten um bis zu 70 Prozent. IO-Link als integrierter Kommunikationsstandard ermöglicht umfangreiche Diagnosemöglichkeiten. Nicht zuletzt erspart die kompakte Bauweise von IP67-Schaltnetzgeräten bis zu 93 Prozent Platz. Ist im IP67-Schaltnetzteil noch ein Kurzschluss- und Überlastschutz enthalten, entfallen im Vergleich zur IP20-Lösung ein weiteres Gehäuse, Montagematerial- und Kosten. Und im Vergleich zu einem Klemmkasten mit Schaltnetzgerät und elektrischer Lastkreiskontrolle fallen für ein IP67-Schaltnetzgerät mit integrierter Lastkreiskontrolle rund 30 Prozent geringere Kosten an.

 Hybrid-Netzteile bieten mehrere Funktionen in einem Gerät: Stromversorgung, Lastkreisüberwachung und Kommunikation.
Hybrid-Netzteile bieten mehrere Funktionen in einem Gerät: Stromversorgung, Lastkreisüberwachung und Kommunikation.Bild: Murrelektronik GmbH

Keine Angst vor Stauwärme

Die Verluste von Netzteilen während des Betriebes müssen in Form von Wärme abgeführt werden. Das ist aber gar nicht mal so gut, denn erhöhte Temperaturen in Schaltschränken bringen Leistungseinbußen mit sich und lassen die Komponenten vorzeitig altern. Aus diesem Grund wird bei der Auslegung von Schaltschränken ein Konzept für die Wärmeableitung benötigt. Bei dezentralen Stromversorgungslösung ist das kein Thema mehr. Das Hauptproblem der Stauwärme ist durch die fehlende Umhausung nicht gegeben und ein Derating ist in der Regel nicht notwendig. Weil sich das Schaltnetzteil außerhalb eines Gehäuses befindet, wird die Wärme leichter abgeführt. Gleichzeitig kann für die SPS, Antriebe sowie weitere Schaltschrankkomponenten ein kleinerer und preisgünstigerer Schaltschrank genutzt werden. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist ein geringerer Kühlungsbedarf sowie eine längere Lebensdauer und sinkende Betriebskosten (z. B. Stromkosten für Klimageräte). Gerade im Sommer, wo heiße Temperaturen in nicht klimatisierten Anwendungen zu Zwangsabschaltungen von Netzgeräten führen können, bieten dezentrale Lösungen mit großem Temperaturbereich sehr hohe Verfügbarkeit.

 In anspruchsvollen Aufgaben in rauem Industrieumfeld, wie Schweißanwendungen im Karosseriebau, versorgt Emparro67 zuverlässig Sensoren und Aktoren.
In anspruchsvollen Aufgaben in rauem Industrieumfeld, wie Schweißanwendungen im Karosseriebau, versorgt Emparro67 zuverlässig Sensoren und Aktoren.Bild: Murrelektronik GmbH

Kommunikation und Diagnose

Eingebaute IO-Link-Schnittstellen ermöglichen in Netzgeräten eine umfangreiche und transparente Kommunikation zur Anbindung an die Steuerung. Ein typischer Fall von Hybridisierung. So kann das Netzgerät als IO-Link-Device mit einem übergeordneten Master zu Diagnose- und Wartungszwecken, zur Parametrierung und zur De- und Reaktivierung von Kanälen kommunizieren. Es besitzt Funktionen zur präventiven Wartung und liefert über verschiedene Diagnoseinformationen genaue Angaben über den Gerätestatus. Wird z.B. die erwartete maximale Lebensdauer bald erreicht, setzt das Gerät eine Meldung ab und kann beim nächsten Wartungszyklus ersetzt werden. Das vermeidet ungeplante und kostenintensive Stillstandzeiten.

Weitere Informationen, wie Einschaltvorgänge, Auslösen der internen Sicherung oder aktuelle Stromwerte, können über die IO-Link-Schnittstelle in Echtzeit ausgegeben und über entsprechende Software ausgewertet werden.

Gut sichtbare Status-LEDs informieren den Anwender über Status- und weitere Diagnosemeldungen direkt am Gerät. Mit der integrierten 24VDC-Lastkreisüberwachungen auf zwei Kanälen können Sensoren, Aktoren und die Feldbusmodulversorgung elektronisch überwacht werden. Das erhöht die Maschinenverfügbarkeit, weil Strompfade im Fehlerfall kanalgenau abgeschaltet werden. Den Zustand jedes Kanals kann direkt vor Ort anhand der Status-LED erkannt und entsprechend darauf reagiert werden. Die Granularität der Kanäle verkürzt des Weiteren die Stillstandzeiten. Wird etwa die Aktorversorgung unterbrochen, z. B. durch Kurzschluss, Überlast oder Kabelbruch, kann ein angeschlossenes Feldbusmodul über den anderen Kanal weiter versorgt werden, etwa über die Sensor- und Modulversorgung. Fehlermeldungen und Diagnoseinformationen werden dann über IO-Link oder den digitalen Alarmkontakt abgesetzt. Dadurch kann ein Serviceeinsatz unmittelbar geplant werden. Mehrfache Anfahrten zur Behebung unterschiedlicher Störungen entfallen so zugunsten einzelner präventiver Serviceintervalle.

Die Schaltnetzteile der Emparro67-Familie von Murrelektronik bieten für die dezentrale Stromversorgung wichtige Vorteile: Die IP67-Geräte erfordern keinen Klemmkasten, können im Feld direkt neben den Verbrauchern installiert werden und sparen damit Platz, Energie und Montagekosten. Der mögliche Einsatz von Kabeln mit geringerem Querschnitt senkt die Materialkosten erheblich. Die einfache und eindeutige Verkabelung schließt Verdrahtungsfehler nahezu aus. Die IP67-Schaltnetzteile bieten einen Zusatznutzen bei Diagnose und Wartung, zugleich erleichtert das dezentralisierte Stromversorgungskonzept eine mögliche später notwendige Erweiterung. Gleichzeitig gibt die IO-Link-Kommunikation dem Anwender einen umfassenden Einblick über den aktuellen Status der Maschine oder Anlage, während die integrierte Lastkreisüberwachung eine hohe Maschinenverfügbarkeit und Selektivität gewährleistet.

Von der Logistik bis zum Automobilbau

Der Logistiker muss zu jeder Zeit den Zustand seiner Anlage und den Ort der Waren kennen. Viele Geräte sollen dies sicherstellen: Vom Sensor und der Steuerung über die Kamera bis hin zum Antrieb ist ein Logistikzentrum ein sehr komplexer Apparat. Für alle wird eine absolut zuverlässige Stromversorgung gefordert. Das Emparro67 Hybrid stellt in solchen anspruchsvollen Einsatzgebieten nicht nur die Versorgung sicher, sondern meldet auch wichtige Betriebszustände für die Instandhaltung. Über eine bidirektionale Kommunikation kann man die Service-Intervalle planen und schon vor und während der Inbetriebnahme erleichtert es einen korrekten Einsatz.

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