
5G ist der erste Mobilfunkstandard, der auch auf die Bedürfnisse der Industrie zugeschnitten ist. Doch die Nachfrage verläuft noch gebremst, welche Herausforderungen müssen bewältigt werden?
Thilo Döring: 5G ist zunächst grundsätzlich eine Technologie, die sehr gut für die Vernetzung von Morgen passt. Dank der niedrigen Latenz und Zuverlässigkeit der 5G-Konnektivität werden sicherere, flexiblere und effizientere Fertigungssysteme möglich. Eine Herausforderung, vor der die Unternehmen stehen, ist die Umsetzung. Heute ist der große Rollout der Technologie im breiten Umfeld noch nicht gegeben. Wir befinden uns vorerst in der Phase, in der konkrete Anwendungsfälle getestet werden, um auch die Frage nach der sinnvollen Einsetzbarkeit zu klären. Es gibt natürlich die Early Adopter vor allem in der Automobil- und chemischen Industrie, die investieren und 5G-Campus-Netzwerke aufgebaut und im Moment Proof-of-Concepts laufen haben. KMUs stehen vor der großen Herausforderung der Kosten, weil der Aufbau eines Private-Campus-Netzwerks eine sehr hohe Investition bedeutet. Also ich denke es wird noch einige Jahre dauern, bis wir eine deutliche Verbreiterung im Industrieumfeld sehen.
Was wären denn typische Applikationen für den Mittelstand?
Solche typischen Applikationen könnten das Thema fahrerlose Transportsysteme sein oder mobile autonome Robotersysteme in den Produktionshallen. Darüber hinaus ist das Bestreben der Industrie mehr Flexibilität in die Produktionsabläufe zu bekommen, also flexible Produktionszellen aufzubauen, die dann wiederum einfach zu konnektieren sind. Da macht 5G natürlich Sinn, um die Kommunikation mit mobilen Lösungen herzustellen. Eine Herausforderung in dem Zusammenhang besteht auch immer noch: 5G versus Echtzeit-Kommunikation. Will man solche mobilen Systeme anbinden, muss geklärt werden, wie die 5G-Kommunikation in Kombination mit Echtzeit-OT-Netzwerken, wie zum Beispiel Profinet und Ethernet/IP funktioniert.

Was sagen Sie einem Mittelständler, von welchen Vorteilen er mit 5G-Vernetzung profitieren kann?
Bei Industrie 4.0 geht es um die Integration von Logistik, Materialtransport und Fabrikautomation, wofür 5G ein Schlüsselfaktor ist. Mit 5G lässt sich der noch fehlende Rest in einer Fabrikhalle automatisieren, der bisher durch kabelgebundene Technologie nicht automatisiert werden konnte. In der Folge wird eine Fabrikhalle viel flexibler und anpassungsfähiger. Und intelligenter, indem es etwa die Vorteile von Automatisierung, künstlicher Intelligenz und dem IIoT voll ausnutzt. Hinzu kommt: Im Vergleich zu kabelgebundenen Netzwerken lässt sich die Vernetzung viel schneller vorantreiben. An Stellen, wo die Datenkommunikation benötigt wird, können entsprechende 5G-Router eingesetzt werden, die wir mit unseren Wireless Bolt 5G anbieten. Das heißt, Daten lassen sich schneller erfassen und aus den Systemen rausziehen – ein Riesenvorteil. Auch die Echtzeit-Kommunikation ist technologisch mittlerweile realisierbar, indem über 5G Profinet getunnelt wird. So lässt sich auch die Echtzeit-Kommunikation, die Steuerung von Automatisierungsprozessen realisieren. Zudem bietet 5G eine höhere Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit als WLAN, Bluetooth, RFID und andere konkurrierende drahtlose Technologien. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass im Vorfeld keine genaue Netzwerkplanung in der Fertigung gemacht werden muss. Das Netzwerk kann einfach aufgebaut und dann die Teilnehmer Schritt für Schritt implementiert und an das Netzwerk angebunden werden. Zuvor muss natürlich das private 5G-Netzwerk an sich geplant und genehmigt werden. Hier bieten die Netzwerkinfrastrukturausrüster mittlerweile Unterstützung an.
Das sind schon viele Vorteile, die die Technologie bietet. Gibt es Einschränkungen?
Man muss immer den konkreten Anwendungsfall sehen. So lassen sich heute viele Applikationen etwa mit einer normalen LTE-Kommunikation realisieren. Und man muss abwägen: Baut man ein 5G-Private-Campus-Netzwerk auf oder ein WLAN-Netzwerk? Ein WLAN-Netzwerk ist komplexer und deshalb von der Planung her aufwändiger. Aber nachher vielleicht im Betrieb kostengünstiger. Betrachten muss man auch die Evolutions-Stufen, wir sind jetzt beim Rollout des WLAN 6- und WLAN 7-Standards. Jedes Mal muss neue Hardware, viele Access-Points, in einer Produktionshalle installiert werden. Die sind sicherlich kostengünstiger, aber die Installationskosten dafür sind nicht zu vernachlässigen. Über die Zeit wird die 5G-Technologie mit Sicherheit auch kostengünstiger werden, wenn die Volumenzahlen für die Industrie-Applikationen steigen.
Zusammenfassend sehe ich im Vergleich 5G als technologisch die deutlich bessere Lösung. Kostenmäßig muss man abwägen zwischen einer WLAN- und einer 5G-Lösung. Und tendenziell würde ich sagen: Es ist zukunftssicherer, ein 5G-Netzwerk aufzubauen.
Sie hatten Wireless Bolt 5G schon angesprochen, welche Produkte verbinden Sie mit der 5G-Technologie?
Grundsätzlich arbeiten wir immer mit den neuesten Technologien, wenn es um die Kommunikation in Industrieanlagen geht. Schon seit vielen Jahren entwickeln wir Geräte für die Wireless-Kommunikation, für Bluetooth, WLAN, LTE, Narrowband IoT – und heute eben auch 5G. Wir haben die Technologie in enger Abstimung mit Netzwerkausrüstern entwickelt und sind mit unserem Produktportfolio in der Lage, 5G-Netzwerke in Fabriken zu realisieren. Zu unseren Produkten zählt, wie bereits erwähnt der Anybus Wireless Bolt, ein drahtloses Gateway, das eine Verbindung zwischen seriellen, Ethernet- oder CAN-Geräten und einem 5G- oder 4G-Mobilfunknetz ermöglicht. Seit einigen Jahren haben wir auch schon Anybus Wireless Router auf dem Markt, die Ethernet-Geräte mit 5G- oder 4G-Netzen verbinden. Der Anybus Wireless Access Point verbindet WLAN-Geräte mit diesen Netzen. Und schließlich bieten wir die Anybus Wireless Bridge für die Verbindung zwischen zwei Ethernet-Netzwerken über WLAN oder Bluetooth. Das heißt wir können eine Maschine, ein System, was einen Ethernet-Zugang hat, direkt in ein WLAN-, 4G- oder 5G-Netzwerk einbinden. Zusammen ermöglichen unsere Produkte eine nahtlose Kommunikation über Mobilfunknetze zwischen Industriegeräten verschiedener Hersteller und gestatten so eine intelligente und flexible Steuerung. Damit sind wir also ready für den Massenmarkt, der in Zukunft ganz bestimmt kommen wird. Uns ist wichtig, als Technologie-Leader Produkte auf den Markt zu bringen, die zwar heute erst verhalten nachgefragt werden. Doch wir wollen ein Signal für die Zukunft senden, dass wir in neue, innovative Technologien investieren.
Was ist als Nächstes in der Pipeline?
Es wird natürlich Weiterentwicklungen geben. Den Anybus Wireless Bolt werden wir in der nächsten Version mit Docker-Funktionalität auf den Markt bringen. Es wird also in Zukunft verschiedene Varianten geben, mit denen der Kunde per Docker-Container eigene Software programmieren kann, wenn er erweiterte Anforderungen oder Anwendungen hat. Alles Weitere hängt dann entsprechend der Nachfrage vom Markt ab.

Ein Thema, das immer wichtiger wird, ist die OT-Sicherheit. Wie stellen Sie die Security mit Ihren Geräten sicher?
Ein ganz wichtiger Aspekt ist es, schon bei dem Produktentwicklungsprozess ein großes Augenmerk auf hohe Sicherheitsstandards zu legen. HMS entwickelt die Produkte mittlerweile nach der IEC62443, sprich nach Security by Design. Speziell beim Thema 5G gibt es die Standard-5G-Verschlüsselungsmechanismen für den Datenaustausch. Das garantiert bereits ein hohes Sicherheitsniveau, das sich durch weitere Security-Maßnahmen noch stärken lässt. Um hier bei den Kunden Vertrauen herzustellen, muss man durch Transparenz überzeugen und aufklären. Das Gleiche gilt übrigens für das Thema Stabilität in der Datenkommunikation. Sie ist statistisch gesehen bei 5G genauso hoch wie bei einer kabelgebundenen Verbindung – und zwar bei 99,9 Prozent.
Apropos überzeugen, welche Serviceleistungen bieten Sie?
Grundsätzlich bieten wir Beratungstätigkeit an, um mit dem Kunden über verschiedene Applikationen zu reden, die er mit 5G einbinden kann. Wir können in der Praxis zeigen, wie schnell er eine Anwendung einfach starten und testen kann, ohne komplexe Dinge beherrschen zu müssen. Beispielsweise wie sich eine Maschine oder ein fahrerloses Transportsystem (FTS) einfach, easy-to-use, in ein 5G-Netzwerk einbringen lässt. Zudem arbeiten wir seit vielen Jahren technologisch mit Ericsson zusammen. Haben also auch Partner, die uns bei der Expertise, die wir in Projekte einbringen können, unterstützen. Darüber hinaus können wir unsere Kunden auch bei Netzwerkplanungen unterstützen.