Interview mit den Helmholz-Geschäftsführern Karsten Eichmüller und Carsten Bokholt

„Proprietäre Lösungen haben sich überlebt“

Bei Helmholz stehen in diesem Jahr gleich mehrere Jubiläen an: Zum einen die 35-Jahr-Feier des Unternehmens. Zum anderen erblickte das I/O-System TB20 vor zehn Jahren das Licht der Welt. Aus diesem Anlass war das SPS-MAGAZIN vor Ort in Großenseebach und hat sich mit den Geschäftsführern Karsten Eichmüller und Carsten Bokholt über die strategische Aufstellung des Unternehmens unterhalten - und darüber, warum sich der Fokus von der S7-Welt in Richtung offener und passgenauer Kommunikation bzw. Automatisierung verschoben hat.

Eichmüller: Speziell das Switch-Portfolio ist eine wesentliche Produktsäule für unsere Zukunft – nicht nur mit Blick auf den Umsatz, sondern auch auf die strategische Aufstellung. Deshalb bauen wir dieses Angebot kontinuierlich aus, und zwar gemäß der ursprünglichen Philosophie von Helmholz: Der Anwender erhält nicht nur das Gerät, sondern einen Zusatznutzen, den es nur bei uns gibt: Switches, die komplett auf die Bedürfnisse des Maschinenbaus hin ausgerichtet sind und moderne Features bieten – aber gleichzeitig unkompliziert im Handling sowie in der Inbetriebnahme sind.

Bokholt: Das Thema Usability ist schon lange von essenzieller Bedeutung für uns. Der Kunde soll sich ja voll und ganz auf seine Kernkompetenz konzentrieren können: den Maschinenbau. Switches, die Firewall, Fernwartung oder eine IoT-Anbindung soll er möglichst ohne großen Aufwand und vor allem ohne Spezialisten integrieren können. Es muss sich quasi um Plug&Play-Lösungen handeln, die man mit unserem Quick Start Guide in wenigen Handgriffen umsetzt.

Eichmüller: Dazu kommt das Angebot an verschiedenen Bauformen und Baugrößen, so dass sich der Anwender das exakt passende Produkt aussuchen kann. Heute, wo Firmen branchenübergreifend mit dem Fachkräftemangel kämpfen, ist das Schlagwort Easy to Use in aller Munde. Bei Helmholz hingegen ist es schon immer Programm.

Bokholt: Und es geht einher mit unserem Fokus auf Mehrwertfunktionen. Schließlich sollen sich diese genauso unkompliziert nutzen lassen. Maschinenbauer müssen sich ja genau überlegen, womit sie ihr Geld verdienen. Und das sind in aller Regel Funktionalität und Leistung der Maschine und in den seltensten Fällen großes Knowhow in Sachen Kommunikation.

Eichmüller: Die Kommunikation bleibt das zentrale Thema, das es mit möglichst wenig Aufwand zu lösen gilt. Bei den großen Automatisierern musste man früher nicht selten umfangreiche Anleitungen lesen, um eine Baugruppe in Betrieb zu nehmen. Bei unseren Produkten ging es von Beginn an viel schneller – der Firmengründer wusste schließlich aus eigener Erfahrung, welcher Aufwand normalerweise dahintersteckt.

Wie ist die Situation auf dem Markt heute?

Bokholt: Die Branche hat sich ein gutes Stück gewandelt und fordert Einfachheit und Transparenz aktiv ein. Die proprietären, zentralistischen Automatiserungslösungen haben sich eigentlich überlebt. Offenheit und Konnektivität sind die neuen Schlagworte. Deswegen kommen unsere Kommunikations- und I/O-Lösungen so gut an.

Eichmüller: An der Entwicklung unseres Portfolios lassen sich die technologischen Trends in der Automatisierung gut ablesen: von Multiprotokoll-Lösungen, Connectivity und offene Schnittstellen bis zu Fernwartung, Cybersicherheit und IoT. Sicherlich können wir dem Markt als Mittelständler keinen technologischen Stempel aufdrücken. Aber wir sind agil genug, um unser Portfolio zeitnah auf sich ändernde Bedürfnisse im Markt anzupassen. Bei der Frage, welche der Trends sich auch wirklich durchsetzen, bringen wir unsere jahrzehntelange Erfahrung ein.

Wie sieht es mit kundenspezifischen Entwicklungen aus?

Bokholt: Komplett individuelle Entwicklungen versuchen wir zu vermeiden. Aber wir greifen natürlich spezielle Wünsche unserer Kunden auf, wenn es eine lohnenswerte Schnittmenge im Markt gibt. Mit diesem Ansatz haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht und eine nicht unbeträchtliche Zahl an Features in unserem Portfolio auf den Weg gebracht. Der mittelständische Maschinenbau ist dafür ein guter Sparrings-Partner.

Eichmüller: Helmholz ist einer von wenigen unabhängigen Automatisierungsanbietern, die im deutschsprachigen Raum in unserer Firmengröße noch agiert. Unsere Wettbewerber sind in der Regel um ein Vielfaches größer.

Bokholt: Zudem sind wir – obwohl weltweit tätig – regional stark verwurzelt. Bis auf ein Büro in Kroatien, in dem Software entwickelt wird, erfolgt die gesamte Wertschöpfung bislang hier am Stammsitz in Großenseebach. Viele Kunden, aber vor allem die meisten Lieferanten und Partner, stammen aus der Region. Die eben bereits genannte Firma Insevis ist nur 20km entfernt. Auch wird in Kürze ein EMS-Dienstleister auf dem Helmholz-Firmengelände in einer eigens dafür errichteten Halle integriert. Klar müssen wir einzelne Bauelemente auch in Asien einkaufen – aber Made in Germany ist bei uns definitiv noch Programm. Und dieses Markenzeichen steht bei Helmholz nicht nur für hohe Qualität, sondern vor allem für die Flexibilität, mit der wir unsere Kunden bedienen.

Eichmüller: Ein dritter Vorteil, der daraus resultiert, ist die hohe Nachhaltigkeit. Diesen Begriff beansprucht seit kurzem jedes Unternehmen für sich. Für Helmholz ist er nichts Neues. Local Sourcing, kurze Arbeits- und Logistikwege und damit verbundener Ressourcenschutz und Effizienz: Das haben wir immer schon so gemacht.

Hat ihr Unternehmen davon auch in Zeiten der Lieferkrise profitiert?

Bokholt: Wir haben mittlerweile rund 500 aktive Produkte im Programm. Einen Großteil davon konnten wir zuverlässig oder nur mit geringer Verzögerung liefern. Auch an dieser Stelle wurde die mittelständische Flexibilität von Helmholz und unserer Lieferanten von den Kunden stark honoriert. Doch wie gesagt, sind selbst wir bei manchen Halbleiterbausteinen auf asiatische Lieferanten angewiesen. Daran führt kein Weg vorbei. Aber weil Helmholz das Plattformdenken tief in seinem Portfolio verankert hat, ist es uns gelungen, auf den Bauteilemangel sehr schnell mit Re-Designs zu reagieren. So fühlen wir uns auch für künftige Unwägbarkeiten gut gerüstet.

Sie haben erwähnt, dass Helmholz mittlerweile weltweit tätig ist. Wo geht ihre Reise in dieser Hinsicht hin?

Eichmüller: Den größten Teil bilden nach wie vor Kunden aus Deutschland. Doch der Exportanteil macht bereits über ein Drittel des Geschäfts aus. Hier liegt der Schwerpunkt in Europa. Aber immer mehr Kunden kommen etwa aus China oder oder Indien – die Mehrwertlösungen aus unserem Portfolio sind eben nicht nur für europäische Unternehmen attraktiv. Deswegen werden unsere Applikations- und Support-Teams in einigen Ländern durch Vertriebspartner oder Systemintegratoren unterstützt. Die konkrete Aufstellung in den einzelnen Ländern und Regionen ist aber sehr unterschiedlich. Schließlich wollen wir auch hier flexibel bleiben und den Kunden vor Ort den entscheidenden Mehrwert bieten.

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