Fehlerdiagnose in Profinet-Netzwerken bei laufendem Betrieb

Kurzschluss in der Messstelle

Für die Fehlerdiagnose in Profinet-Netzen werden sogenannte Test-Access-Points (TAP) als Messstelle fest eingebaut. Wesentliche Anforderungen sind hier, dass die Messstelle nicht die Funktion des Netzwerks oder den Datenverkehr beeinflusst. Umfassende Erfahrungen aus der langjährigen Troubleshooting-Praxis zeigen, dass man im Zweifel genauer hinschauen muss.
Bild: ©nikbu/stock.adobe.com

Die Stabilität und Zuverlässigkeit von Ethernet-basierten Netzwerken wie Profinet sind immens wichtig – Störungen müssen schnell diagnostiziert und behoben werden. Natürlich darf auch die dort fest eingebaute Überwachungstechnik die Funktion des Netzwerks, den Datenverkehr oder die Messwerte nicht beeinflussen. Der folgende Fall in der Fördertechnik eines Logistikzentrums zeigt ein Problem dieser Art und seine Folgen auf.

Die Geschichte beginnt damit, dass die Anlage abgenommen wurde und in Betrieb ging. Die Abnahmeprotokolle zeigten keine Auffälligkeiten. Weil dem internen Instandhalter jedoch klar war, dass die Anlage Verschleiß und Alterung unterliegt, schloss er an der eingebauten Messstelle ein System zur Überwachung der Profinet-Kommunikation an. Bei der erst kurz zuvor in Betrieb gegangenen Anlage erwartete er in der ersten Zeit keine Auffälligkeiten. Zudem lief die gesamte Anlage störungsfrei.

Zahlreiche Fehlermeldungen

Zum großen Erstaunen des Instandhalters wurden jedoch verschiedene Parameter außerhalb der erwarteten Bereiche gemessen. Innerhalb von Sekunden erhielt er mehrere Warnungen und Alarme, Informationen über Fehltelegramme, eine zu niedrige Aktualisierungsrate, Telegrammlücken und abweichende Jitter (zeitliche Abweichung der Telegramme vom Takt in der Datenkommunikation). Daraufhin hat der Anlagenbauer die Installation nochmals geprüft und wiederum keine Auffälligkeiten festgestellt. „Wir haben keine Fehlermeldung erhalten und die Anlage läuft ohne Einschränkung, damit ist der Fall für uns erledigt“, beschied der Service des Anlagenherstellers abschließend.

Der Instandhalter blieb ratlos zurück und wendete sich an Hans-Ludwig Göhringer, Experte für industrielle Feldbus- und Netzwerktechnik bei der Firma Leadec. Er konnte vor Ort schnell zeigen, dass es sich um ein durchaus bekanntes Problem handelt: Es war eine Profinet-Messstelle mit einem Fehler (Kurzschluss) eingebaut.

Warum Messstellen?

Im Gegensatz zum klassischen Feldbus gibt es bei Punkt-zu-Punkt-verkabelten Ethernet-Netzen keine Möglichkeit, im laufenden Betrieb an einer beliebigen Stelle des Netzwerks einfach ein Diagnosegerät aufzuschalten. Es würde sofort zum Abbruch der Kommunikation und damit zum Anlagenstillstand kommen, wenn man die Ethernet-Leitung unterbricht, um ein Messgerät einzuschleifen. Damit trotzdem Messungen im Netzwerk möglich sind, werden die Test-Access-Points (TAP) an definierten Stellen als Messstelle fest eingebaut. Sie sollen dafür sorgen, dass man einfach und ohne Unterbrechung der Kommunikation im laufenden Betrieb den Datenverkehr aufzeichnen und analysieren kann. Der Ethernet-Verkehr wird auf die Ports der Messstelle gespiegelt, um den Netzwerkverkehr nicht zu beeinflussen. Ein passiver TAP schützt das Netzwerk vor Störungen durch angeschlossene Diagnosegeräte.

Messstelle mit Kurzschluss

Anhand der AC- und DC-Widerstandsmessung mit einem Kabelzertifizierer wurde im beschriebenen Fall ein Kurzschluss zwischen den Datenleitungen festgestellt. Der Kurzschluss alleine ist schon problematisch, aber es gab auch Geräte, bei dem vier unterschiedliche Resonanzfrequenzen ermittelt wurden. Jeweils zwei auf der Empfangsleitung des kommenden Ports und zwei auf der Empfangsleitung des abgehenden Ports. Diese können sich unter dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit im Feld noch leicht verändern. Wird nun ein Kabel mit einer zufällig ungünstigen Länge eingesetzt, kann es zu einer Schwingung kommen, welche die Kommunikation stört und zum Ausfall führt. Wird das Kabel verlängert oder verkürzt, kann der Fehler weg sein oder stärker in Erscheinung treten. In manchen Fällen kann ein schlechteres Kabel, welches die Norm gar nicht erfüllt, zu einem funktionierenden Netzwerk führen. Jeder Anwender, der schon einmal Messergebnisse hatte, für die es keine Erklärung gab, sollte jetzt hellhörig werden.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Phoenix Contact GmbH & Co. KG
Bild: Phoenix Contact GmbH & Co. KG
SHL nutzt NearFi-Technologie zur Automatisierung von Drehtischen

SHL nutzt NearFi-Technologie zur Automatisierung von Drehtischen

Seit 1989 baut SHL Anlagen für das automatisierte Schleifen, Polieren und Entgraten. Zur Bearbeitung von Werkstücken werden Maschinen benötigt, welche die gefertigten Teile um 360° schwenken können. Eine physische Verbindung zur Profinet-basierten Übertragung der Sensordaten in beweglichen Anwendungen erweist sich als störanfällig. Deshalb nutzt das Unternehmen die kontaktlose Energie- und Echtzeit-Ethernet-Lösung NearFi von Phoenix Contact zur verschleiß- und wartungsfreien Kommunikation.

mehr lesen
Bild: ©aaalll3110/stock.adobe.com
Bild: ©aaalll3110/stock.adobe.com
Switches als 
Watchdogs im Netzwerk

Switches als Watchdogs im Netzwerk

Bei einem Anlagenretrofit müssen defekte Komponenten getauscht und Maschinen auf den neusten Stand gebracht werden, um die Anlage wieder effektiver und leistungsfähiger zu machen. Dazu zählt auch, das Kommunikationsnetzwerk leistungstechnisch anzugleichen. Hat der Verschleiß von Bauteilen in der Vergangenheit zu Produktionsausfällen geführt, ist es sinnvoll, im Zuge des Retrofits Switches mit Diagnose-Features einzusetzen, um den Ursachen künftig besser auf den Grund gehen zu können und mit Vorlauf alarmiert zu werden. Diesen Weg ging ein Glaswollehersteller gemeinsam mit HMR und Indu-Sol.

mehr lesen