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Vernetzung

Industrielle Kommunikation – Kaufen oder selber machen?

Fast jede Maschine oder Automatisierungskomponente muss heute in ein Produktionsnetzwerk eingebunden werden. Aber soll man die Kommunikationsschnittstelle selbst entwickeln oder zukaufen? Wer das entscheiden will, sollte sich einen zweiten Blick gönnen. Denn unter der Spitze des Kommunikations-Eisbergs steckt mehr als man zuerst denkt. Ein Überblick soll die Entscheidungsfindung erleichtern.
 Eine Kommunikationsschnittstelle besteht aus mehr als nur ein paar Komponenten. Damit industrielle Kommunikation jahrelang reibungslos und sicher läuft, muss eine solche Schnittstelle viele Aspekte berücksichtigen: Zertifizierungen, Kompatibilität mit Standards, Maintenance, Konformität mit Gesetzen, Komponentenverfügbarkeit, Redesigns bei Abkündigungen, Safety, Security und vieles mehr.
Eine Kommunikationsschnittstelle besteht aus mehr als nur ein paar Komponenten. Damit industrielle Kommunikation jahrelang reibungslos und sicher läuft, muss eine solche Schnittstelle viele Aspekte berücksichtigen: Zertifizierungen, Kompatibilität mit Standards, Maintenance, Konformität mit Gesetzen, Komponentenverfügbarkeit, Redesigns bei Abkündigungen, Safety, Security und vieles mehr. Bild: HMS Industrial Networks GmbH

Die industrielle Kommunikation hat in den letzten fünfzig Jahren eine rasante Entwicklung genommen. War anfangs die Vernetzung einzelner Anlagenteile eher eine Seltenheit, ist sie heute das zentrale Element der Digitalisierung. Auch der Entwicklungsprozess von Kommunikationslösungen selbst hat sich gewandelt. Zwar ist es prinzipiell einfacher geworden, flexible Lösungen zu realisieren. Jedoch ist der Dschungel an Möglichkeiten und Vorschriften gewachsen. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Denn heute sind Entwicklungs-Investitionen viel risikoreicher. Standardisierte Kommunikationsprotokolle wie Profinet, Ethercat, Ethernet/IP auf OT-Ebene und OPC UA, MQTT oder TSN für die Kommunikation zwischen OT- und IT-Ebene ermöglichen den zuverlässigen und sicheren Datenaustausch und sind somit essenziell. Allerdings steigen die Marktanforderungen in Bezug auf Leistung und Sicherheit. Daher müssen auch diese Protokolle permanent angepasst werden, und das in immer kürzeren Zeiträumen. Wer also Kommunikation in ein Automatisierungsgerät integrieren möchte, muss nicht nur einen Standard kennen, sondern dabei gleich mehrere im Blick behalten und beobachten, wie sie sich weiterentwickeln. Wer sich nur am Rande mit Kommunikationstechnik befasst, hat es nicht leicht, diesen Überblick zu wahren. Unternehmen, deren Kernkompetenz in der Netzwerkkommunikation liegt, verfügen in diesem Bereich über breitgefächertes Knowhow, können Trends besser einschätzen und sind bei Veränderungen konsequent am Ball. Das kostet Zeit und Geld und fließt in den Preis einer Kommunikationsschnittstelle mit ein. Entwickelt ein Gerätehersteller hingegen die Kommunikationslösung selbst, sind diese Kosten – im Gegensatz zu den Kosten für eingesetzte Komponenten – oft nicht transparent. Sie fallen unter die ‚eh-da-Kosten‘. Mit steigender Komplexität industrieller Kommunikation auf technischer und normativer Ebene steigen mittelfristig aber auch die Kosten für Entwicklung und Wartung einer Kommunikationslösung. Und sie fallen deutlich mehr ins Gewicht als die reinen Komponentenkosten.

Überblick im Normen-Dschungel

Neben den vielfältigen technischen Standards gilt es zudem diverse Normen und gesetzliche Vorgaben im Blick zu haben. Sie bilden zusammen mit den Anwenderanforderungen letzten Endes die Grundlage für Kommunikationsstandards. Hier gibt es zahlreiche Regularien, die sich immer wieder verändern und durch neue ergänzt werden. Relevant für die industrielle Kommunikation sind u.a.: IEC62443, NIS2, der Cyber Ressilience Act oder auch die neue EU-Maschinenverordnung. Ein wesentliches Ziel aller Richtlinien besteht darin, Sicherheit zu gewährleisten. Gemeint ist damit beides: Safety, also die funktionale Sicherheit, ebenso wie Security, also der Schutz vor Cyberangriffen. Und die Forderung nach Sicherheit betrifft längst nicht mehr nur die klassischen Kritis-Bereiche. In der neuen Fassung der MVO werden zum Beispiel zum ersten Mal explizit die Sicherheitsanforderungen für mobile Maschinen festgelegt: Unter anderem ist eine Möglichkeit gefordert, diese über eine Supervisor-Funktion von außen sicher abzuschalten und wieder zu starten. Es wird also eine kabellose Not-Halt-Kommunikation benötigt. Solche veränderten gesetzlichen Forderungen stellen Entwickler vor immense Herausforderungen. Natürlich kann man auch diesen beträchtlichen Aufwand inhouse erledigen. Einfacher und mittelfristig kostengünstiger ist es aber, diese Aufgabe an erfahrene Dienstleister und Hersteller von Safety-Lösungen auszulagern, die für die Implementierung sicherer drahtloser Netzwerkstruktur verschiedene Protokolle und Hardwareansätze kennen. Sie wissen auch, welche technischen Anforderungen je nach Zielmarkt erfüllt sein müssen.

Angst vor Kontrollverlust

Dennoch gibt es viele, gerade auch deutsche KMU, die nach wie vor die Kommunikationslösungen selbst entwickeln. Man will wissen, wie sie funktionieren und nicht abhängig sein von einem externen Zulieferer. Beide Argumente greifen heute jedoch nicht mehr. Mit zunehmender Komplexität bedingt durch verschärfte rechtliche Vorgaben und technische Weiterentwicklungen in immer kürzeren Zeiträumen, muss man sehr vertraut sein mit der Materie, um Kommunikationslösungen verstehen und sicher und zuverlässig entwickeln zu können. Abhängig hingegen bleibt man bei Eigenentwicklungen von Komponentenlieferanten. Was das bedeutet, haben viele in den letzten Jahren unangenehm erfahren. Abgekündigte Bauteile werden die Branche auch künftig beschäftigen. Dann braucht es schnell Redesigns mit alternativen Komponenten. Das bedeutet Aufwand im Alltagsgeschäft. Doch auch dieses Risiko lässt sich an den Dienstleister auslagern.

Skalierbar und flexibel

Kommunikationstechnik vom externen Experten zuzukaufen ist also aus mehreren Gründen sinnvoll. Die zunehmende Komplexität der Thematik erfordert Profis, die sich Vollzeit mit Technik und Normen auseinandersetzen. So entstehen zukunftssicher Produkte, die jeweils zum aktuellen Stand der Technik weiterentwickelt werden. Zudem ist Security kein Stempel, den man einem Produkt nach seiner Herstellung eben schnell einmal aufdrückt. Security by design lautet die Devise, welche die Vorgaben aus der IEC 62443 im gesamten Designprozess im Blick hat. Zudem sind Zertifizierungsprozesse mit Zukaufprodukten einfacher und risikofrei. Dass es beim Zukauf keine versteckten Kosten gibt, ist ein weiterer Vorteil ebenso wie Skalierbarkeit und Flexibilität. Mit Lösungen vom Technologiepartner kann man je nach Projekt auf den Kommunikationsstandard und den Formfaktor zugreifen, die die jeweilige Lösung und der jeweilige Markt erfordern. Zudem kommt man viel schneller zu einem proof of concept. Man kann etwa mit recht geringem Aufwand fertige Automatisierungsgeräte mit anderer Kommunikationsschnittstelle anbieten und sehen, ob und wie sie vom Markt angenommen wird bzw. durch Unterstützung weiterer Protokolle neue Märkte erschließen, da die Verbreitung der verschiedenen Netzwerke geographisch stark variiert, was insbesondere für den Export von Automatisierungsgeräten relevant ist. Da Kommunikationsschnittstellen fertig entwickelt zur Verfügung stehen, ist die Time-to-market deutlich verkürzt. Und letzten Endes werden mit dem Zukauf von Kommunikationsschnittstellen im eigenen Haus Entwicklungskapazitäten frei, die man für die Umsetzung der eigenen Kernkompetenzen einsetzen kann. In Zeiten des Fachkräftemangels ist auch das ein schlagkräftiges Argument.

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