Komponenten- und Materialwahl bei Kabel/Steckverbinder-Baugruppen

Anatomie der Highspeed-Verbindungstechnik

Ohne Highspeed-Verbindungstechnik keine Smart Factory: Die schnell getakteten Prozesse und komplexen Anlagen der Industrie 4.0 leben von der Highspeed-Datenübertragung - idealerweise in Echtzeit. Doch mit steigenden Bitraten, Signalfrequenzen sowie wachsenden Übertragungsstrecken wird die Datenverbindung immer anfälliger für unerwünschte Effekte. Dies stellt besondere Herausforderungen an die zugehörige Verbindungstechnik.
 Links der gemessene TDR-Impedanzgang eines nicht optimierten Steckverbinders im Vergleich zu dem eines optimierten Steckverbinders rechts
Links der gemessene TDR-Impedanzgang eines nicht optimierten Steckverbinders im Vergleich zu dem eines optimierten Steckverbinders rechtsBild: Fischer Connectors GmbH

Grundlegende Erkenntnisse aus der Signalübertragung sind auch auf die Highspeed-Datenübertragung anwendbar – allerdings mit einigen Besonderheiten. Ein Umstand macht das Design von Highspeed-Verbindungstechnik besonders anspruchsvoll: Die maximal geforderte Frequenz (fmax) fällt im Verhältnis zum Übertragungsweg sehr hoch aus. Dadurch können an der Verbindungsstelle zwischen dem Datensender und dem Steckverbinder unerwünschte physikalische Effekte auftreten, die es beim Design entsprechender Baugruppen zu umgehen gilt. Jedes Designdetail kann sich auf die Signalintegrität auswirken. Nicht umsonst widmet der USB3.0-Standard den Spezifikationen von Sender und Empfänger so viel Raum. Weitere einschlägige Normen geben Hinweise für gelungenes Highspeed-Design.

 Um den Übersprechpegel zu minimieren, sind die Position der Stifte sowie die Zuordnung der Signale zum Stiftlayout entscheidend. 
In der Abbildung werden zwei Überschneidungen mit unterschiedlichen Zuordnungen von Signalen im selben Steckverbinder verglichen.
Um den Übersprechpegel zu minimieren, sind die Position der Stifte sowie die Zuordnung der Signale zum Stiftlayout entscheidend. In der Abbildung werden zwei Überschneidungen mit unterschiedlichen Zuordnungen von Signalen im selben Steckverbinder verglichen.Bild: Fischer Connectors GmbH

Augen auf bei der Materialwahl

Bei einer Highspeed-Datenverbindung verhält es sich mit dem Material für die Pins grundsätzlich nicht anders als bei jeder anderen Art von Verbindungstechnik: Je höher die Stromleitfähigkeit eines Materials, desto besser wird in der Regel auch die Signalübertragung ausfallen. In diesem Fall kommt es allerdings nicht nur auf den spezifischen Widerstand des Materials an, sondern auch auf die kristalline Struktur des Molekülgitters. Ein geordnetes Molekülgitter begünstigt die Stromleitfähigkeit eines Materials. Nicht umsonst gelten Silber, Kupfer und Gold aufgrund ihrer besonderen Kristallstruktur klassischerweise als besonders gute Leiter.

Bei Highspeed-Steckverbindern kommt eine Besonderheit zum Tragen. Nicht nur die metallische Oberfläche der Pins dient als Leiter für den elektrischen Strom, sondern auch das Dielektrikum, das polarisiert wird. Die Permittivität (relative Dielektrizitätskonstante) ist daher ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Isoliermaterials. PVC ist insbesondere für Highspeed-Anwendungen eine eher ungünstige Wahl. Fluorpolymere gelten hingegen als gute Dielektrika.

Dämpfung – eine Frage der Impedanz

Größe, Form und Anordnung der Pins eines Steckverbinders diktieren seine kapazitiven und induktiven Eigenschaften – und damit die Impedanz. Die Impedanz lässt sich steigern, indem man mehr Platz zwischen den einzelnen Pins schafft. Sie wird gesenkt, indem man entweder den kapazitiven Anteil erhöht oder den induktiven Anteil reduziert, beispielsweise durch dickere Signalpins. Diese Feinjustierung des Steckerdesigns ist wichtig, um Reflexionsverluste zu vermeiden. Dazu kommt es bei Abweichungen der Eingangsimpedanzen von Sender und Empfänger. In diesem Fall wird ein Teil der Eingangsenergie zum Sender reflektiert. Dielektrische Einflüsse im Steckverbinder können den verbleibenden Teil der nicht-reflektierten Energie zusätzlich dämpfen.

Das Hauptproblem bei Kabelverbindungen ist die Einfügedämpfung, also der Einfluss des Widerstands auf die Signalübertragung. Parallel zu den Signalfrequenzen erhöht sich auch der Widerstand – genau deshalb sind die hohen Signalfrequenzen bei Highspeed-Datenübertragungen so herausfordernd. Häufig steckt der Fehler jedoch nicht im Design, sondern in der Anwendung. Banale Faktoren wie der fehlerhafte Anschluss von Steckverbindern kann hinter einer unerklärlichen Einfügedämpfung stecken. Auch überlange Kabel sind eine gängige Ursache. Nicht zuletzt können hohe Umgebungstemperaturen das Verhalten der dielektrischen Materialien beeinflussen. Aus ebendiesem Grund ist etwa PVC nicht das Material der Wahl für Kabel, die unter hohen Temperaturen zuverlässig funktionieren sollen. Aufgrund seiner besonderen Molekülstruktur kann es ungünstige elektrische Effekte erzeugen.

Nicht zuletzt haben die Materialwahl und die Steckergeometrie einen großen Einfluss auf die EMV. Wenn ein Störstrom in die Umgebung abgeleitet wird, kann das entstehende Magnetfeld die Signalübertragung beeinflussen. Abhilfe können mehrfach kontaktierte Schirmbleche am Steckverbinder schaffen, die den Stromfluss aufteilen.

Störsignale und Latenz vermeiden

Feldkopplungen zwischen den Signalkanälen innerhalb eines Kabels sind als Nahübersprechen oder Fernübersprechen bekannt. Wenn das Störsignal auf der Senderseite, also am nahen Ende der Leitung empfangen wird, spricht man von Nahübersprechen (engl. Near End Crosstalk, kurz: NEXT). Das Fernübersprechen (engl.: Far End Crosstalk, kurz: FEXT) ist das Störsignal, das auf der Empfängerseite ankommt. Da die Leitung sowohl das Original- als auch das Störsignal dämpft, wird der NEXT-Pegel höher sein als der FEXT-Pegel.

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