Kein Kinderspiel

Seit Jahren arbeiten die Bildverarbeitungshersteller daran, dass zukünftig nicht nur Vision-Experten Anwendungen selbstständig lösen können. Doch wie weit ist dies bereits umsetzbar? Um dies zu klären, trafen sich verschiedene Experten auf dem VDMA-Forum während der letzten SPS-Messe.
 Die Teilnehmer der Expertenrunde (v.l.n.r.): Christian Vollrath (Wenglor), Rainer Schönhaar (Balluff), Peter Keppler (Stemmer Imaging), 
Andreas Waldl (B&R) und Dr. Klaus-Henning Noffz (Basler).
Die Teilnehmer der Expertenrunde (v.l.n.r.): Christian Vollrath (Wenglor), Rainer Schönhaar (Balluff), Peter Keppler (Stemmer Imaging), Andreas Waldl (B&R) und Dr. Klaus-Henning Noffz (Basler).Bild: TeDo Verlag GmbH

Heutzutage stellt kein Automatisierungsanwender mehr infrage, dass Bildverarbeitung eine anerkannte Technologie ist. Für Rainer Schönhaar, Produktmanager Bildverarbeitung bei Balluff, ist „Bildverarbeitung eine sehr gute Technologie, um noch mehr Potential aus der Automatisierungslösung zu schöpfen.“ Auch Andreas Waldl, Product Manger Integrated Machine Vision bei B&R, ist davon überzeugt, dass „sobald die Anwender erste Erfolge mit Bildverarbeitung erzielt haben, sie auch bereit sind, die Technologie einzusetzen. Vor allem dann, wenn sie erkennen, wie einfach Bildverarbeitung mittlerweile in Automatisierungsumgebungen integrierbar ist.“ Um den Anwender an die Bildverarbeitung heranzuführen, sind aber, so Peter Keppler, Director of Corporate Sales bei Stemmer Imaging, entsprechende Schulungen und Aufklärungsarbeit nötig. Zwar bestätigt Christian Vollrath, Leitung Computer Vision bei Wenglor Sensoric, eine Einstiegshürde, „aber wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat, ist Bildverarbeitung mit Sicherheit ein wertvolles Werkzeug.“ Die Aufgabe für die Hersteller ist klar definiert, so Dr. Klaus-Henning Noffz, Director New Business Development bei Basler: „Bildverarbeitung hat ein gewisses Level an Komplexität durch die Vielzahl an Möglichkeiten, welche die Technologie bietet. Es ist daher Aufgabe von uns Herstellern, die Bildverarbeitung jetzt auch entsprechend einfacher zu machen.“ Waldl stellt zudem fest, „dass niemand mehr bereit sei, viel Zeit für die Kommunikation zwischen Automatisierungs- und Vision-Welt zu investieren. Die Integration der Bildverarbeitung in die Automatisierungswelt muss möglichst problemlos sein, um wirtschaftliche Lösungen zu ermöglichen.“

Andreas Waldl, B&R Bildverarbeitung muss genauso einfach sein, wie die Bedienung eines Smartphones.
Andreas Waldl, B&R Bildverarbeitung muss genauso einfach sein, wie die Bedienung eines Smartphones.Bild: TeDo Verlag GmbH

Was muss besser werden?

Fragt man nach den derzeitigen Gründen, warum Bildverarbeitung möglicherweise noch problembehaftet ist, bekommt man unterschiedliche Antworten. Für Schönhaar liegt eine Schwierigkeit darin, dass „man für Bildverarbeitungsaufgaben bislang zwei Personen benötige: eine für die SPS und eine für die Bildverarbeitung. Beide Parteien müssen allerdings auch verstehen, was der andere sagt, das heißt, die Kommunikation muss deutlich besser werden, um die Akzeptanz der Bildverarbeitung weiter zu verbessern.“ Helfen „könne“ hier die Richtlinienreihe VDI/VDE/VDMA 2632, so Vollrath: „Diese definiert die genauen Begrifflichkeiten und den erfolgreichen Einsatz eines Lastenheftes, sodass sichergestellt ist, dass beide Seiten – Anwender und Hersteller bzw. Automatisierer und Bildverarbeiter – auch vom Gleichen sprechen.“ Ein anderes Problem ist, so Keppler, dass die Bildverarbeitungshersteller immer noch versuchen „Bildverarbeitung, so wie wir sie bisher kennen, in intelligente Kameras oder Vision-Sensoren zu integrieren. Wir versuchen also Systeme zu entwickeln, die irgendwie alles können.“ Keppler geht allerdings davon aus, dass es zukünftig eine Veränderung hin zu Subsystemen geben wird, die für ganz spezifische Aufgaben entwickelt werden und die durch diese Fokussierung deutlich einfacher bedienbar sind. Ein anderes Problem sei es, so Waldl, „dass es bei herkömmlichen Vision-Systemen noch nicht möglich ist, defekte Systeme oder Komponenten einfach Plug&Play-mäßig zu tauschen, ohne dass das komplette System neu eingestellt werden muss.“ Immerhin, so Dr. Klaus-Henning Noffz, habe die Bildverarbeitung „einen großen Sprung nach vorne gemacht, da Komponenten mittlerweile dank Standards wie OPC UA besser vernetzbar sind.“ Er sieht die Entwicklung der OPC UA Companion Specifications für die Bildverarbeitung und Robotik als ganz wichtigen Schritt für das Zusammenwachsen von Automatisierung und Bildverarbeitung. Für Waldl sind die Daten, die der Anwender bisher von den Vision-Systemen bekommt, allerdings immer noch zu komplex: „Es reicht, wenn der Anwender genau die Daten bekommt, die er für seine Maschine bzw. Anlage benötigt und keine komplexen Vision-Daten, wie z.B. 3D-Punktewolken.“

Rainer Schönhaar, Balluff  Es geht nicht nur darum die Bildverarbeitung zu integrieren, sondern auch die Vision-Daten sauber in Richtung SPS zu transferieren.
Rainer Schönhaar, Balluff Es geht nicht nur darum die Bildverarbeitung zu integrieren, sondern auch die Vision-Daten sauber in Richtung SPS zu transferieren.Bild: TeDo Verlag GmbH

SPS-Hersteller goes Vision

B&R bietet seit einiger Zeit auch ein Vision-System an, das vollständig in die eigene Steuerungsumgebung integriert ist. Für Waldl ist dadurch eine viel größere Akzeptanz für die Bildverarbeitung beim Anwender vorhanden, „da der Steuerungshersteller seines Vertrauens jetzt auch die Bildverarbeitung für ihn übernimmt.“ Der SPS-Anwender hat also über seine gewohnte Engineering-Umgebung die Möglichkeit, Bildverarbeitung bis zu einem gewissen Level selbst zu machen. Ziel sei es, „dass ich eine Kamera an mein Bussystem anschließe und die Steuerung diese sofort erkennt, genau wie bei einem Sensor,“ so Waldl weiter. Dadurch steige letztendlich auch die Bereitschaft der Anwender, Bildverarbeitung zu testen und zu nutzen. Auch Schönhaar sieht die Vorteile, wenn große Automatisierungsfirmen Bildverarbeitung in ihr Portfolio integrieren: „Der Anwender möchte einen einzigen Ansprechpartner haben, der sich für ihn um alles kümmert. Es geht aber nicht nur darum, die Bildverarbeitung zu integrieren, sondern auch die Vision-Daten sauber in Richtung SPS zu transferieren.“ Für Vollrath helfen dabei Standards wie OPC UA oder Profinet bzw. Ethernet/IP, „die klar definieren, wie eine Bildverarbeitung mit einer Steuerung kommunizieren muss und welche Daten wie ausgetauscht werden.“ Allerdings warnt Noffz (Basler), dass „sobald ein Vision-System auch die Qualität eines Werkstückes beurteilen soll, die Informationen sehr komplex werden, und diese dann nicht einfach in einem kleinen Frame für eine SPS zur Verfügung gestellt werden können. Mit OPC UA haben wir allerdings die Möglichkeit, diese Informationen standardisiert den Software-Ebenen mitzuteilen.“ Dies sei ein entscheidender Schritt, um Bildverarbeitung in der Automatisierungswelt weiter zu etablieren. Als erfolgreiches Beispiel nennt Keppler, dass z.B. Roboterhersteller mittlerweile dank der Bildverarbeitung das Bewegungsprofil ihres Roboters dynamisch steuern. „Dies erfordert eine intensive datentechnische Zusammenarbeit der Vision- und Robotiksysteme. Dort hilft OPC UA bereits eine sehr enge Verzahnung beider Welten zu erreichen.“

Klaus-Henning Noffz, Basler OPC UA ist ein entscheidender Schritt, um Bildverarbeitung in der Automatisierungswelt weiter zu etablieren.
Klaus-Henning Noffz, Basler OPC UA ist ein entscheidender Schritt, um Bildverarbeitung in der Automatisierungswelt weiter zu etablieren.Bild: TeDo Verlag GmbH

Vision-Apps oder eine Oberfläche für alles?

Ziel sei es letztendlich, so Waldl, dass „Bildverarbeitung genauso einfach wird, wie die Bedienung eines Smartphones.“ Ein Anwender soll zukünftig für einfache Anwendungen keine Bedienungsanleitung mehr lesen müssen, sondern „wie bei einem Smartphone über eine App und ohne externe Anweisungen zu seinem Ziel kommen,“ so Schönhaar. Auch Peter Keppler sieht durch Apps eine Vereinfachung der Usability: „Bei einem Smartphone habe ich eine große Auswahl an Apps, die genau für die jeweilige Anwendung perfekt angepasst wurden. Der Anwender sucht sich also zukünftig die für ihn passende App aus und startet einfach mit seiner Vision-Anwendung.“ Ein anderes Konzept ist, dass der Anwender eine einzige Software hat, die für alle Applikationen und Geräte ausgelegt ist. Dies sieht Vollrath als sinnvolle Alternative: „Wenn der Anwender nur eine einzige Software für alle seine Sensoren und 2D-/3D-Vision-Systeme verwenden kann, ist dies ein wichtiger Schritt für die Usability der Systeme.“ Auch bei Balluff wird der Weg hin zu einer einzigen Software für unterschiedliche Hardwareanforderungen forciert, so Schönhaar: „Ziel ist es, zukünftig (Vision-) Sensoren, 3D-Systeme und Bildverarbeitung über eine einzige Oberfläche zu bedienen.“

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