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Leitfaden für die TSN-Produktentwicklung

Ihr TSN-Produkt auf den Markt bringen

 Abbildung 1: Durch die Verwendung der IEEE802.1AS haben alle Komponenten im Netzwerk eine gemeinsame Systemzeit. Dies 
gewährleistet eine deterministische Kommunikation durch die 
Reduzierung von Latenz und Jitter. Der Datenfluss wird somit 
berechenbar durch das Netzwerk übertragen.
Abbildung 1: Durch die Verwendung der IEEE802.1AS haben alle Komponenten im Netzwerk eine gemeinsame Systemzeit. Dies gewährleistet eine deterministische Kommunikation durch die Reduzierung von Latenz und Jitter. Der Datenfluss wird somit berechenbar durch das Netzwerk übertragen.Bild: CLPA Europe
 Abbildung 2: IEEE802.1Qbv ermöglicht die Zuordnung von Zeitfenstern (Slots) zu den zu übertragenden Daten in Warteschlangen (Queues) der einzelnen Datenverkehrsklassen. Damit wird geregelt, wann jede Datenverkehrsart Zugang zum Netz bekommt. In diesem Beispiel stehen vier Slots für acht Queues zur Verfügung. Innerhalb jedes Slots hat die höher priorisierte Verkehrsklasse Vorrang.
Abbildung 2: IEEE802.1Qbv ermöglicht die Zuordnung von Zeitfenstern (Slots) zu den zu übertragenden Daten in Warteschlangen (Queues) der einzelnen Datenverkehrsklassen. Damit wird geregelt, wann jede Datenverkehrsart Zugang zum Netz bekommt. In diesem Beispiel stehen vier Slots für acht Queues zur Verfügung. Innerhalb jedes Slots hat die höher priorisierte Verkehrsklasse Vorrang.Bild: CLPA Europe

Technologietrends und Industrie 4.0

Schlüsseltechnologien für Industrie 4.0 wie das Industrial Internet of Things (IIoT) ermöglichen Unternehmen, eine zunehmend digitalisierte, vernetzte und automatisierte Fertigungsumgebung zu schaffen. Mit Technologien, die Strategien zur digitalen Transformation unterstützen, lassen sich smarte, vernetzte Fabriken aufbauen. Die Fabrik von morgen sieht so aus, dass Maschinen, Produktionslinien, Anlagen und ganze Lieferketten miteinander kommunizieren. Hiermit werden Produktivität, Effizienz und Flexibilität gesteigert. Die Vorteile solcher Infrastrukturen sind erheblich. Eine Schlüsseltechnologie in diesem Zusammenhang ist Time-Sensitive Networking (TSN), das von der IEEE 802.1-Arbeitsgruppe eigens zu dem Zweck spezifiziert wurde, um das Standard-Ethernet zu erweitern und zukunftssichere Funktionen bereitzustellen.

 Abbildung 3: 
Workflow in der Übersicht
Abbildung 3: Workflow in der ÜbersichtBild: CLPA Europe

TSN-Funktionalität

Die beiden wesentlichen Vorteile von TSN sind Determinismus und Konvergenz: Determinismus ist die Voraussetzung für die zeitkritische Kommunikation in der Fertigung und bedeutet vorausberechenbare Verarbeitung von Daten durch Minimierung von Latenz und Jitter. Dies wiederum unterstützt Echtzeitanwendungen und bildet die Grundlage für die Konvergenz. Konvergenz, die zweite Schlüsselfunktion von TSN, ermöglicht es Unternehmen, verschiedene Datenarten in einem einzigen Netzwerk zusammenzuführen, ohne Leistungseinbußen bei der Fertigungskommunikation. Dies ist essenziell für die Weitergabe von Informationen aus dem Betrieb und ermöglicht damit eine höhere Prozesstransparenz im gesamten Unternehmen. Erst hieraus lassen sich Erkenntnisse zur Optimierung von Produktionsanlagen und ganzer Unternehmen ableiten. Da es sich bei TSN um eine Erweiterung des Standard-Ethernet handelt, ist es mit bereits existierenden Netzwerktechnologien und -komponenten kompatibel. Es kann parallel zu vorhandenen Komponenten eingesetzt werden, was die Systeminvestitionen reduziert.

Bild: ©PeopleImages/istockphoto.com

Marktchancen durch TSN

TSN gilt branchenübergreifend als Zukunftsstandard für das industrielle Ethernet und die industrielle Kommunikation. Folglich wachsen sowohl das Interesse an dieser Technologie als auch ihre Verbreitung. Automatisierungskomponentenhersteller können sich dieses neue Marktsegment schnell erschließen, indem sie ihre vorhandenen Produktportfolios mit der TSN-Kompatibilität erweitern. Damit Anbieter diese Chance nutzen können, werden im folgenden die Technologie hinter TSN, der Entwicklungs-Workflow und die zur Entwicklung kompatibler Automatisierungsprodukte verfügbaren Methoden erklärt.

Überblick über die TSN-Technologie

Die TSN-Technologie wird durch IEEE 802.1-Normen definiert, wobei für die industrielle Kommunikation vor allem IEEE 802.1AS und IEEE 802.1Qbv wichtig sind, denn hierauf beruhen Determinismus und Konvergenz. IEEE 802.1AS umfasst Mechanismen, um alle Komponenten innerhalb eines Netzwerks mit hoher Genauigkeit zu synchronisieren und so eine präzise Begrenzung von Latenz und Jitter bei Übertragungen im gesamten Netzwerk zu ermöglichen. Dies wiederum ist die Voraussetzung für berechenbares Verhalten und somit die Grundlage für Determinismus. Unter Verwendung der netzwerkweiten Systemzeit nach IEEE 802.1AS organisiert IEEE 802.1Qbv die Datenübertragungen zeitlich anhand ihrer jeweiligen Priorität und ermöglicht so die deterministische Konvergenz verschiedener Arten von Daten. Hierzu richten die durch IEEE 802.1Qbv definierten Time-Aware Shapers (TAS) die Netzwerk-Switche für Taktzeiten im Echtzeitdatenverkehr ein. Die von den TAS generierten, regelmäßig wiederkehrenden Zeitfenster, die ein Zeitmultiplexverfahren (Time Division Multiple Access, TDMA) nachbilden, ermöglichen es, verschiedene Arten von Daten im selben Netzwerk zu handhaben und zeitkritischen Daten dabei Vorrang einzuräumen. Da die Zeitparameter der TAS von vollsynchronisierten Netzgeräten gemeinsam genutzt werden, „wissen“ diese, wann zeitkritische Daten gesendet und empfangen werden. Weil die Sende- und Empfangszeiten zeitkritischer Daten somit im Voraus festgelegt sind, kann TSN eine deterministische Kommunikation für harte Echtzeit-Applikationen gewährleisten. Die durch TSN erreichbare Netzwerkkonvergenz ermöglicht außerdem die Aufhebung der Grenzen zwischen Operational Technology (OT) und Informationstechnik (IT).

Bild: CLPA Europe

Entwickeln für TSN: Workflow

Dass sich Komponentenhersteller, die TSN-fähige Produkte anbieten können, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, liegt auf der Hand. Um jedoch erfolgreich Komponenten zu entwickeln, die dem Endanwender einen echten Mehrwert bieten, müssen zunächst die Funktion, die Leistung und die Art des Produktes festgelegt werden. Es gilt genau zu definieren, was das Produkt können soll. Hiervon hängt der zu entwickelnde Netzwerkteilnehmertyp ab, beispielsweise Master oder Remote Client. Anschließend gilt es, die am besten geeignete Entwicklungsmethode für die zu produzierende TSN-Komponente auszuwählen. Relevant hierfür sind die zuvor ermittelten Leistungsanforderungen und auch jeweils die Eignung existierender Entwicklungsmethoden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wo die Produktentwicklung stattfinden soll: inhouse oder mit externen Ressourcen? Oder ist es besser, die Aufgabe komplett einem spezialisierten Systemhaus zu übertragen? Wenn die TSN-Komponente fertig entwickelt ist, muss sie noch zertifiziert werden, um nachzuweisen, dass sie die technischen Anforderungen uneingeschränkt erfüllt. Hierfür empfiehlt sich die unabhängige Zertifizierung durch eine kompetente Prüfstelle, denn diese bietet den Endkunden zusätzliche Sicherheit im Hinblick auf die Kommunikationsleistung.

Bild: CLPA Europe

Entwickeln für TSN: Methoden

Am Anfang steht die Entscheidung über die Funktionalität, das heißt welche Aufgabe das Endprodukt innerhalb eines Netzwerkes erfüllen soll. Im Kontext dieses Beitrages bedeutet dies Master, Remote Client oder Local Client. Des Weiteren müssen Komponentenhersteller entscheiden, ob sie Komponenten für Motion- Control- oder Safety-Applikationen entwickeln möchten. Motion Control verlangt für gewöhnlich vollständige TSN-Unterstützung im Hinblick auf die Synchronisation von Achsen. Dies ermöglicht eine Synchronisierungsgenauigkeit im Mikrosekundenbereich, wie sie bei anspruchsvollen Applikationen wie etwa einer Druckmaschine erforderlich ist. Safety-Komponenten sind ein weiteres wichtiges Marktsegment, das TSN-Netzwerke abdecken können. Wenn feststeht, welche Art von Netzwerkteilnehmer entwickelt werden soll, geht es darum, ob ein vorhandenes Produkt mit TSN-Funktionen ausgestattet wird oder ob eine Komponente von Grund auf neu zu entwickeln ist. Für ein neues Produkt muss unter Berücksichtigung der Marktanforderungen ein Pflichtenheft erstellt werden. Hierin wird festgehalten, welche Anforderungen die neuen TSN-kompatiblen Komponenten erfüllen sollen, welche Funktionen und Optionen sie bieten sollen und welche Investitionen hierfür getätigt werden müssen. Die Weiterentwicklung bereits vorhandener Produkte kann eventuell die Time-to-Market und die erforderlichen Investitionen reduzieren. Allerdings verlangt sie unter Umständen Kompromisse, die das Potenzial von TSN nicht voll ausschöpfen. Um mehr Flexibilität bei der Entwicklung zu gewinnen, lohnt sich eine genauere Betrachtung des notwendigen Performance-Niveaus. So lässt sich das richtige Gleichgewicht von Produktleistung, Entwicklungsinvestition und Markteinführungszeit ermitteln. Eine Möglichkeit besteht darin, mit einem generell softwarebasierten Ansatz zu arbeiten, der ein schnelles Upgrade vorhandener Komponenten ermöglicht. Am oberen Ende des Spektrums steht der generell hardwarebasierte Ansatz, der zwar zusätzlichen Entwicklungsaufwand bedeutet, aber ohne Performance-Kompromisse auskommt, wie sie bei der Softwareentwicklung zum Teil in Kauf genommen werden. Und nicht zuletzt sind die Bandbreite und die Wärmeableitung wichtige Aspekte bei der Festlegung der Kommunikationsgeschwindigkeit. Obgleich sich für die Bitübertragungsschicht (Physical Layer) aus Performance-Gründen die GBit-Bandbreite anbietet, dürfen auch thermische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden, die bei kleineren Komponenten oder solchen mit erweiterten Schutzklassen relevant sein können. Wenn all diese Entscheidungen getroffen sind, kommt es auf den Zugang zu einer geeigneten Entwicklungsmethode an, egal ob software- oder hardwarebasiert. In diesem Zusammenhang ist die Auswahl einer Netzwerktechnologie, die ein umfassendes offenes Entwicklungsökosystem bietet, von entscheidender Bedeutung (vgl. Tabelle 1).

Bild: CLPA Europe

Softwarelösungen

Ein Software-Protokoll-Stack oder „Stack“ ist eine Auswahl von unabhängigen Softwaremodulen, die gemeinsam die Ausführung einer Applikation unterstützen. Er kann im Hinblick auf die konkreten Anforderungen eines Produktes konfiguriert werden. Im Falle von TSN muss er die IEEE 802.1-Normen unterstützen. Softwarelösungen sind in der Regel insofern „genügsam“, als dass sie auf kostengünstigen CPU-Plattformen laufen. Dabei handelt es sich vielfach um Mikroprozessoren oder Mikrocontroller. TSN-Stacks sind meist Bestandteil eines Software Development Kits (SDK). Softwaremethoden stellen vermutlich die schnellste Möglichkeit dar, um vorhandene Produkte mit TSN-Funktionen auszustatten, weil sie beim Komponentenhersteller den internen Zeit- und Kostenaufwand für die Entwicklung reduzieren. Sie bieten sich daher als vielseitige Lösung für Unternehmen an, denen es um die schnelle Einführung von TSN geht.

Hardwarelösungen

Um das Potenzial von TSN in vollem Umfang auszuschöpfen, lohnt es sich, über eine hardwarebasierte Lösung nachzudenken. Diese Strategie mag höhere Investitionen und eine längere Entwicklungszeit erfordern, doch verspricht sie ein besonders wettbewerbsfähiges Produkt und eine längere Nutzungsdauer. Komponentenhersteller können die richtige Plattform für ihre Bedürfnisse aus verschiedenen Lösungen auswählen. Zu diesen gehören anwendungsspezifische integrierte Schaltungen (Application-Specific Integrated Circuits, ASICs), Embedded-Module-Lösungen und Field Programmable Gate Arrays (FPGAs). Entwicklern stehen auch TSN-kompatible PC-Karten zur Verfügung, um in Industrial-Ethernet-Netzwerken die Kernfunktionalität auf Industrie-/Standard-PCs und ähnlichen Geräten zu implementieren.

Die Bedeutung von Konformitätsprüfungen

Um die Funktionalität von TSN-fähigen Komponenten zu validieren, müssen die Entwickler gründliche Konformitätstests durchführen. Hierdurch wird bestätigt, dass das Produkt alle Anforderungen eines bestimmten Netzwerkstandards erfüllt und korrekt implementiert ist. Konformitäts- und Interoperabilitätstests können vom Komponentenhersteller selbst und/oder durch unabhängige Organisationen durchgeführt werden. Da Endanwender in der Regel eine unabhängige Zertifizierung bevorzugen, dient die Prüfung im eigenen Hause normalerweise nur zur Bestätigung, dass ein Produkt für die externe Prüfung bereit ist. Diese externe Prüfung gewährleistet eine neutrale und unvoreingenommene Bewertung durch eine unabhängige Stelle. Nicht zuletzt kann sich der Komponentenhersteller bei externer Konformitätsprüfung auf seine eigentliche Entwicklungsarbeit konzentrieren, während die Produktprüfung spezialisierten Prüfingenieuren überlassen wird.

Industrial-Ethernet-Protokolle, die TSN unterstützen

Um schnell TSN-fähige Produkte für Applikationen der industriellen Automatisierung anbieten zu können und sich diesen Markt zu erschließen, gilt es bewährte Netzwerktechnologien zu nutzen, z.B. CC-Link IE TSN. Hierbei handelt es sich um das erste offene Industrial-Ethernet-Netzwerk, das TSN-Funktionen, wie sie in den Normen IEEE802.1 AS und Qbv definiert sind, mit der Gbit-Bandbreite kombiniert. Produktentwickler, die sich für diese Lösung entscheiden, profitieren von einem umfassenden Entwicklungsökosystem für die Erstellung von Master-Komponenten, Local und Remote Clients. Darüber hinaus unterstützt die CLPA Anbieter, indem sie die Konformität ihrer Produkte prüft und die vollständige Kompatibilität mit den CC-Link IE TSN-Spezifikationen sicherstellt. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Produkt anschließend in den Online-Katalog der CLPA aufgenommen werden kann und damit für Kunden in aller Welt sichtbar sein wird. Gemeinsame Verkaufsförderungsmaßnahmen mit der CLPA sind ebenfalls möglich.

Schlussfolgerungen

TSN ist eine Schlüsseltechnologie für die digitale Transformation der Fertigung und bietet vier wesentliche Vorteile für Endanwender und Automatisierer:

  • Einfachere Netzwerk-/Maschinenarchitekturen
  • Größere Prozesstransparenz und besseres Management
  • Höhere Produktivität
  • Bessere Integration von OT- und IT-Systemen

Für eine zukunftssichere industrielle Kommunikation und das nächste Performance-Level müssen Automatisierungsanbieter jetzt aktiv werden und TSN-kompatible Produkte entwickeln oder vorhandene Komponenten mit TSN-Funktionen aufrüsten. Auf diese Weise unterstützen sie ihre Kunden beim Aufbau der Fabriken der Zukunft und verbessern gleichzeitig die eigene Wettbewerbsfähigkeit in diesem schnell wachsenden Markt.

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