HMI 5.0 – Ist Touchbedienung noch State of the Art?

HMI 5.0? Wurde da nicht eine Versionsnummer übersprungen? Nicht, wenn man die Innovationen und damit die Zukunft des Human Machine Interface betrachtet. Brauchen wir dann überhaupt noch Touchscreens? Oder steht die nächste Lösungsgeneration für das industrielle Bedienen und Beobachten bereits vor der Tür?

Vor zwölf Jahren machte das iPhone mit einem neuen Bedienkonzept Furore. Die Tastatur wurde durch einen Touchscreen ersetzt, die gesamte Vorderseite des Geräts füllt ein riesiger Bildschirm mit einer bislang nicht da gewesenen Pixeldichte. Die Bedienung erfolgt über einen Touchscreen mit projiziert-kapazitivem Feld, das auch mehrere Touchereignisse gleichzeitig erkennen und auswerten kann. Sinnvoll einzusetzen ist diese Technologie nur mit einer völlig neuen Art der Benutzerführung. Tippen, Sliden und andere Gesten mit einem oder zwei Fingern steuern unterschiedliche Funktionen. Seit dieser Produktvorstellung hat sich die Welt der Ein- und Ausgabe gewandelt. Aus der punktuellen Berührung des Touchscreens, die genau eine Aktion auslöste, wurden Gesten mit einem oder mehreren Fingern, die komplexe Aktionen auslösen. Drag&Drop oder Pinch funktionieren aus dem Handgelenk, ohne umständlich Objekte über Menüs auszuwählen und Aktionen zuzuordnen. Diese Umstellung verlangt eine völlig neue darunter liegende Software und damit ein neues Bedienkonzept. Aber müssen Aktionen immer durch Berühren eines dem Bildschirm vorgelagerten Touchscreens initiiert werden? Ist es nicht auch denkbar, Bewegungen vor dem Bildschirm auszuwerten? Gleich mehrere Technologien nutzen diese Vorstellung. Für Gesten, die keine besondere Anforderung an die Genauigkeit stellen, eignen sich 3D-Touchsysteme, die Positionen durch eine Änderung in einem elektrischen Feld bestimmen. Für qualitative Bestimmungen wie Lauter/Leiser, Höher/Tiefer, Zoom in/Zoom out reicht die Auflösung dieser Systeme.

Alternativen zum Touchscreen

Soll die Position genauer ausgewertet werden, kommen Kameras zum Einsatz, die z.B. den Händen des Bedieners folgen. Die Perfektion in Auflösung der Position bieten die Steuergeräte für AR/VR Brillen, die im System eine feinfühlige Steuerung erlauben. Einen anderen Ansatz verfolgt das Eye Tracking. Nach einer kurzen Lernphase ist das System in der Lage, die Pupillen des Bedieners mit Hilfe von Kameras zu verfolgen. Der Mausklick erfolgt durch Blinzeln. Nach einer Eingewöhnung kann der Bediener ohne den Einsatz der Hände das System bedienen. Anwendungen sind überall dort, wo die Hände gerade nicht frei sind oder steril bleiben müssen. Ein weiterer Trend ist die Sprachsteuerung. Apple, Google und Amazon machen es vor: Das Abrufen von Informationen aus dem Internet oder die Steuerung von Geräten im heimischen Wohnzimmer funktioniert ganz einfach auf Zuruf. Dahinter steckt eine künstliche Intelligenz, die in einer Serverfarm des Anbieters steckt. Etwas einfacher ist die Spracheingabe, die mehr oder weniger strikten Syntaxregeln folgt. Sie finden wir im Navigationssystem unseres PKW: „Bitte geben Sie die Adresse ein in der Form Stadt, Straße und Hausnummer“. Das Parsing, also das Zuordnen der eingegebenen Worte zu Feldern in der Datenbank kann ein lokaler Controller durchführen, und die gewünschte Aktion, sei es die Navigation zur Zieladresse oder das Wechseln des Radiosenders, ausführen.

Visualisierung

Auf der anderen Seite der Interaktion steht die Ausgabe, die meistens ein Display erledigt. Auch dort schreitet die Technik voran. Wiederum getrieben durch die Stückzahlen des Massenmarktes erscheinen OLED mit brillanter Darstellung und einer durch den enormen Kontrast hervorragenden Bildqualität. In bestimmten Anwendungen scheinen sie der LCD-Technologie den Rang abzulaufen, auch wenn sie prinzipbedingt einem Alterungsprozess unterliegen, der durch Nachlassen der Helligkeit sichtbar wird. TFT kontert mit Quantum Dots, die unter Namen wie QLED in den Markt drängt und einen hohen Farbumfang mit leuchtenden Farbtönen verspricht. Noch im Laborstadium befinden sich Schirme mit Mikro-LEDs, die der LED-Technologie zu einer Renaissance verhelfen und sie von der reinen Lichtquelle für TFTs zur Bildquelle an die Front rücken lässt. Die Produktion großer Bildschirme mit hoher Auflösung ist fertigungstechnisch für die Serie noch nicht gelöst, Prototypen zeigen jedoch das große Potential, das diese Technologie aufweist.

In Kombination zum Erfolg

Zurück zum HMI: Der Anwender von heute darf ein durchgängiges Konzept erwarten. Nicht eine Technologie alleine führt zum Erfolg, sondern die Kombination. Ein Human-Machine-Interface muss eine schlüssige Eingabefunktion anbieten, die viele Sinnesorgane anspricht. Zu den beschriebenen Touchsystemen kommt die haptische Rückmeldung, die dem Bediener über den Tastsinn auf direktem Wege die erfolgreiche Eingabe signalisiert. Sie könnte auch akustisch über einen Piepser erfolgen, was jedoch in lauter Umgebung unter Umständen untergeht. Das Display stellt mit hoher Auflösung die gewünschten Informationen ergonomisch dar. Einen entscheidenden Anteil hat jedoch die Benutzerführung, die die Software vornimmt. Sie legt fest, wie Informationen präsentiert werden, durch Farben, Formen, Anordnung auf dem Bildschirm und Darstellung in Relation zueinander.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: ©Kurt Hoerbst
Bild: ©Kurt Hoerbst
Smarte Planung und durchgängige Automation

Smarte Planung und durchgängige Automation

Das jüngste Werk der Firma Pollmann, Hersteller von Schiebedach-Kinematiken und elektromechanischen Türschlossern, steht im österreichischen Vitis und wurde mit einem digitalen Zwilling virtuell geplant. Mit den wichtigsten zu erwartenden Kennzahlen gefüttert, konnten Planer und Errichter zusammen mit dem Bauherrn die realen Abläufe im 3D-Modell durchspielen, im Vorfeld anpassen und mit PC-based Control von Beckhoff durchgängig umsetzen. Das Ergebnis ist eine intelligente Vernetzung von Maschinen- und Industriebau.

mehr lesen
Bild: EUREF-Campus Düsseldorf, © EUREF AG
Bild: EUREF-Campus Düsseldorf, © EUREF AG
Elektrizität 4.0

Elektrizität 4.0

In Düsseldorf entsteht mit dem Euref Campus bis 2024 ein internationales Schaufenster der Energiewende auf über 80.000m². Rund 3.500 Menschen aus verschiedenen Unternehmen, Startups sowie Wissenschaft und Forschung sollen vor Ort in engem Austausch an den Zukunftsthemen Energie, Mobilität und Nachhaltigkeit arbeiten. Im Rahmen einer Baustellenführung konnten wir mit Peter Weckesser, Chief Digital Officer, und Chris Leong, Chief Marketing Officer, von Schneider Electric, dem Ankermieter und Technologiepartner im neuen Campus, über die Projektvision und das Gebäude der Zukunft sprechen.

mehr lesen
Bild: ©SasinParaksa/stock.adobe.com
Bild: ©SasinParaksa/stock.adobe.com
Gebäudebetriebsdatenin der Cloud

Gebäudebetriebsdatenin der Cloud

Ob Kommunen oder Wirtschaftsunternehmen: Heute benötigen nahezu alle Eigentümer von Immobilien, insbesondere von großen Liegenschaften, leistungsstarke Lösungen für die zentrale Speicherung, Aufbereitung und Bereitstellung relevanter Daten aus dem Gebäudebetrieb. Aus den unterschiedlichsten Quellen gesammelt (u. a. Gebäudeautomation DDC, Gebäudeleittechnik GLT, Brandmeldeanlage, Zähler) und in einer regionalen Cloud sicher und strukturiert abgelegt, stehen sie mittels standardisierter Schnittstelle unkompliziert für weiterführende Services zur Verfügung.

mehr lesen