
Bei all der Vielfalt an Begriffen und Abkürzungen ist zumindest das M konstant. Aber warum überhaupt die vielen Varianten? Eines ist klar: Die einzelnen Ausprägungen haben unterschiedliche Historien und sind teilweise mit Anbietern aus dem Markt für Fertigungs-IT verbunden. Unter den neuen Abkürzungen sticht MOM hervor, da es unabhängig von einzelnen Herstellern ein breiteres Feld einnimmt. Zunächst aber zum Ausgangspunkt, dem MES.
Manufacturing Execution System
MES bezeichnet eine Software, deren Funktionsumfang in der VDI-Richtlinie 5600 beschrieben wird. Dort ist die Rede von zehn Aufgaben: Auftragsmanagement, Feinplanung & Feinsteuerung, Betriebsmittelmanagement, Materialmanagement, Personalmanagement, Datenerfassung, Leistungsanalyse, Qualitätsmanagement, Informationsmanagement und Energiemanagement. Die Anbieter von MES-Systemen decken diese Aufgaben in unterschiedlichem Maße ab. Neben Vollsortimentern, die ein Produktportfolio mit einem hohen Grad an horizontaler Integration im Sinne der Automatisierungspyramide anbieten, gibt es eine breite Masse an Lösungen, die sich nur mit Datenerfassung, Betriebsmittelmanagement und weiteren Einzelfunktionen beschäftigen. Ein ganzheitliches MES sollte Funktionen für alle zehn Aufgaben beinhalten.
Oftmals wird die Definition eines MES als deutsche Sichtweise bezeichnet. In anderen Regionen außerhalb Westeuropas versteht man darunter teilweise deutlich weniger, bis hin zu einer reinen Maschinendatenerfassung. Das sind veraltete Ansichten, die aber nicht zuletzt mit der Einführung des Begriffs MOM zusammenhängen.
Manufacturing Operations Management
Laut einem bekannten amerikanischen Analysten handelt es sich bei MOM um ein Prinzip, das vermeintlich weit über den Funktionsumfang eines MES hinausgeht. Der Begriff entstand angeblich aus der Situation heraus, dass sich Anbieter mit breitem Funktionsspektrum von Anbietern mit einfacheren Lösungen abgrenzen wollten. Demnach gehören viele Funktionen, die die deutsche VDI-Richtlinie 5600 einem MES zuordnet, eher zum Konzept eines MOM. Beispiele hierfür sind ein umfangreiches Equipment Management, die Berücksichtigung von Personal und Material sowie ein breites Feld an Funktionen für die Qualitätssicherung und die Feinplanung. Einem MES gesteht der Analyst laut eigener Markteinschätzung nur rudimentäre Planungsfunktionen zu. Der Fokus eines MES läge demnach auf dem Erfassen von Daten im Shopfloor und dem Ausführen von Anweisungen und Vorgaben. Alle weiterführenden Funktionen gehören in dessen Augen eher in ein MOM oder im Falle der Planungsfunktionen in ein Advanced Planing and Scheduling System (APS). Das steht im Gegensatz zur deutschen Sichtweise, die einem MES die volle Funktion für eine Smart Factory zuweist. Daher könnte man den amerikanischen MOM-Begriff mit dem deutschen MES-Begriff gleichsetzen, was der eine oder andere Anbieter in Europa auch tut.
Manufacturing Operations System
2017 versuchte ein deutscher MES-Anbieter, den aus seiner Sicht überholten MES-Begriff neu zu definieren. Mit MOS proklamierte er eine offenere Alternative zum vermeintlich monolithischen MES. Ein MOS sei demnach eine Software mit offenen APIs. Die Nutzung einer sogenannten OpenAPI sei der Garant für einen freien Zugriff auf Produktionsdaten. Damit könnten vermeintliche Datensilos aufgelöst werden. In Wirklichkeit sind sowohl der monolithische Aufbau eines MES als auch die genannten Datensilos das Ergebnis von Entscheidungen einzelner MES-Anbieter. In keiner Norm oder Richtlinie steht, dass ein MES monolithisch sein muss oder Datensilos aufbauen soll. Wenn sich ein MES-Anbieter dagegen entscheidet, dann hat das nichts mit dem allgemeinen MES-Begriff zu tun. Die Anlehnung des Begriffs MOS an MOM scheint in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf anzuspielen, dass ein MES nicht alle Funktionen mitbringt, die eine Smart Factory braucht. In der VDI-Richtlinie 5600 steht nur, dass ein MES bestimmte Aufgaben erfüllen soll – nicht, welche davon eine Lösung zu einem MES machen. Demzufolge ist das MOS keine geeignete Alternative zum MES. Ein amerikanischer Dienstleister versteht unter der Abkürzung MOS ein Angebot für die Verbesserung des Maintenance Prozess. In diesem Fall steht MOS für Manufacturing Operating System und meint ein Betriebssystem für die Fertigung zur Verbesserung der Instandhaltung. Diese Nutzung der Abkürzung MOS hat für die Fertigungs-IT als Ganzes weniger Bedeutung.