Wie WiFi6 die dynamischen Anforderungen von Smart Factories erfüllt

Höher, schneller, effizienter

Als WLAN zum ersten Mal in vernetzten Fabriken eingesetzt wurde, hatte es eine einfache Aufgabe: die Kontaktaufnahme von Geräten untereinander zu ermöglichen. War die Smart Factory vor einem Jahrzehnt noch am Anfang und für viele Unternehmen eher eine Idee der Zukunft, so ist sie heute fester Bestandteil jeder Anlagenplanung. Im folgenden soll gezeigt werden, welche Vorteile der neue WiFi6-Standard hier bietet.
 Neue Anwendungsfälle treiben die Anforderungen an WLAN in immer neue Höhen.
Neue Anwendungsfälle treiben die Anforderungen an WLAN in immer neue Höhen. Bild: u-blox AG

Mit jeder neuen Version des WiFi-Standards wurde die Leistung in neue Höhen katapultiert, sodass die Technologie ihren Weg in immer anspruchsvollere Anwendungsbereiche fand. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach weiteren Verbesserungen der Standards gestiegen, um den neuen Anforderungen an die drahtlose Kommunikation gerecht zu werden, einschließlich solcher, die in der Industrie häufig vorkommen. Hohe Verfügbarkeit ist in Fabriken, in denen sich Ausfallzeiten direkt in Umsatzeinbußen niederschlagen, von größter Bedeutung. In überlasteten RF-Umgebungen gehört dazu auch Robustheit gegenüber Störungen durch andere Geräte sowie ein hoher Durchsatz, der es ermöglicht, die Übertragungszeiten zu verkürzen und die Bandbreite nach jeder Kommunikation schnell wieder freizugeben. Außerdem ist die Skalierbarkeit – also die Fähigkeit, zusätzliche Clients an das Netzwerk anzuschließen, ohne weitere Hotspots hinzufügen zu müssen – von entscheidender Bedeutung, da die Netzwerkkonnektivität eine ständig wachsende Anzahl von Geräten bietet. Schnelle Reaktionszeiten sind für industrielle Automatisierungssysteme, die z.B. zur Steuerung von Prozessen in komplexen Produktionslinien eingesetzt werden, unerlässlich. Da immer mehr bewegliche Geräte, von Robotern bis hin zu intelligenten Elektrowerkzeugen, in das Netzwerk integriert werden, gewinnt auch das nahtlose Roaming an Bedeutung, um langwierige Wiederverbindungsversuche zu vermeiden, wenn sich das Gerät in die Reichweite eines neuen Zugangspunkts begibt. Und um den Betrieb zu vereinfachen und die Kosten niedrig zu halten, sind schließlich eine einfache Inbetriebnahme und Wartung wichtig.

 Während WiFi4 einen hohen Durchsatz und WiFi5 einen sehr hohen Durchsatz lieferte, geht es bei WiFi6 vor allem um hohe Effizienz.
Während WiFi4 einen hohen Durchsatz und WiFi5 einen sehr hohen Durchsatz lieferte, geht es bei WiFi6 vor allem um hohe Effizienz.Bild: u-blox AG

Vorteile von WiFi6

Während WiFi4 damals einen hohen Durchsatz und WiFi5 dann einen sehr hohen Durchsatz lieferte, geht es bei WiFi6, das 2018 erstmals vorgestellt wurde, vor allem um hohe Effizienz. Der Sprung von 6,8 auf 9,6GBit/s mag zwar weniger spektakulär sein als einige der radikalen Steigerungen früherer Versionen, dafür gibt es aber einen anderen Punkt bei dem WiFi6 wirklich überzeugt, nämlich die effizientere Nutzung der verfügbaren Bandbreite, die mehr Clients pro Zugangspunkt aufnehmen kann, ohne die Leistung des Netzwerks zu beeinträchtigen. Diese effiziente Handhabung einer höheren Zahl von Clients wird durch eine Reihe von technologischen Neuerungen ermöglicht:

  • MU-OFDMA (Multi-User Orthogonal Frequency Division Multiple Access) ist eine Technik, bei der die verfügbare Bandbreite in unterschiedlich große Ressourceneinheiten aufgeteilt wird, sodass die Zugangspunkte die Flexibilität haben, mehrere Clients gleichzeitig mit genau den Ressourcen zu bedienen, die sie benötigen. So erhöht MU-OFDMA die Anzahl der Clients, die von einer festen Anzahl von Zugangspunkten bedient werden können, um das Vierfache.
  • MU-MIMO (Multi-User Multiple Input Multiple Output) ermöglicht es Zugangspunkten, sowohl im Uplink als auch im Downlink individuelle Datenströme an mehrere Clients gleichzeitig zu leiten.
  • Die 1.024-Quadratur-Amplituden-Modulation (1.024QAM) ermöglicht es, mehr Informationen in jedem Symbol zu kodieren. Damit kann WiFi6 ganze zehn Bits in ein Symbol packen – eine um 25 Prozent höhere Kapazität als WiFi5, das mit 256QAM arbeitete.
  • BSS-Coloring sorgt dafür, dass Kanäle mit unterschiedlicher Farbe sich nicht gegenseitig stören.
  • Schließlich ermöglicht Target Wake Time (TWT) den Geräten, Akkuladung zu sparen und so ihre Energieautonomie zu erhöhen.

Die gleichen Technologien, die eine höhere Client-Dichte ermöglichen, erhöhen auch den Durchsatz: Statt die Bandbreite aufzuteilen, um mehrere Geräte zu bedienen, kann MIMO die Bandbreite bündeln und mehrere Streams für einen einzigen Client verfügbar machen. Indem MU-OFDMA die gleichzeitige Übertragung von Daten zu und von mehreren Clients ermöglicht, trägt es dazu bei, Datenstaus – ein häufiges Problem in dichten Netzwerken – zu reduzieren und sicherzustellen, dass die Daten mit minimaler Latenz geliefert werden. Aufgrund der neuen Funktion TWT können Zugangspunkte die Geräte anweisen, in einen Energiesparmodus mit vorher festgelegten Aufwachzeiten zu wechseln. Die auf diese Weise erreichbaren sehr langen Ruhezeiten können die Akkulaufzeit erheblich verbessern, insbesondere bei drahtlosen Sensoren, die nur sporadisch Daten übertragen.

 WLAN hat sich seit seiner Entwicklung, 
als die Höchstgeschwindigkeit noch bei 54Mbps lag, enorm weiterentwickelt.
WLAN hat sich seit seiner Entwicklung, als die Höchstgeschwindigkeit noch bei 54Mbps lag, enorm weiterentwickelt.Bild: u-blox AG

Erschließung des 6GHz-Spektrums

Um die wichtigste Ressourcenbeschränkung zu überwinden, nämlich das verfügbare Spektrum, haben Regulierungsbehörden wie die amerikanische FCC das 6GHz-Band für die unlizenzierte WLAN-Kommunikation geöffnet und damit in einigen Fällen die Kapazität des zuvor im 2,4- und 5GHz-Band zusammen verfügbaren Spektrums mehr als verdoppelt. Zugangspunkte und Endgeräte, die die 1.200MHz des neuen Spektrums nutzen können, werden als WiFi6E bezeichnet. Zu den Vorteilen des 6GHz-Bandes gehören die Nähe zum bereits weit verbreiteten 5GHz-Band sowie eine Fülle von sich nicht überlappenden Kanälen mit einer Reihe von Kanalgrößen. Und da das neue Spektrum noch weitgehend ungenutzt ist, müssen sich die Geräte nicht mit älteren Clients auseinandersetzen, die die Funkfrequenzen überlasten.

WiFi6 in den Smart Factories von heute

WLAN hat sich in intelligenten Fabriken als drahtlose Technologie der Wahl etabliert und wird häufig durch Bluetooth-Technologie sowie proprietäre und nicht-proprietäre Mobilfunktechnologien ergänzt. Aufgrund vieler der oben genannten neuen Funktionen wird WiFi6 seine Position wahrscheinlich noch stärken.

Industrielle Sensornetzwerke: Drahtlos verbundene Sensoren sind in der Industrie weit verbreitet und werden z.B. zur Überwachung von Vibrationen und Temperatur für die vorausschauende Wartung eingesetzt. Heute arbeiten sie in der Regel mit energieoptimierten Kommunikationsprotokollen wie Bluetooth Low Energy oder IEEE801.15.4. Der niedrige Stromverbrauch von WiFi6 wird dadurch ermöglicht, dass die Geräte mit der neuen Funktion TWT für längere Zeit in den Ruhezustand versetzt werden können. Die Senkung des Energiebedarfs von WLAN-fähigen Sensoren erhöht deren Energieautonomie und vereinfacht die Wartung. Gleichzeitig wird durch die gezielte Abschaltung von Geräten das Frequenzspektrum entlastet.

Bewegungssteuerung: Verbesserung bei den Latenzzeiten und der Servicequalität durch OFDMA machen WiFi6 zu einer vielversprechenden drahtlosen Kommunikationstechnologie für Steuerungsanwendungen. Gleichzeitig dürften Anwendungsfälle zur Gerätekonfiguration auch weiterhin noch von dem geringen Energiebedarf und der weiten Verbreitung von Bluetooth profitieren.

Mensch-Maschine-Schnittstellen (HMI): Die Fähigkeit der WiFi6-Zugangspunkte eine höhere Gerätedichte zu bewältigen und dabei einen guten Durchsatz zu jedem Gerät aufrechtzuerhalten, in Kombination mit der geringen Latenz, macht WiFi6 zu einer vielversprechenden Technologie, die einfache Tablet-basierte HMIs zum Auslesen von Daten aus angeschlossenen Maschinen bis hin zu fortschrittlichen Augmented-Reality-HMIs ermöglicht.

Augmented Reality (AR): Die natürliche Weiterentwicklung von HMIs, die mit statischen oder tragbaren grafischen Benutzeroberflächen arbeiten, ist AR. Mithilfe von Tablets oder intelligenten Brillen kann AR Echtzeitinformationen, Dokumentationen oder Baupläne in den Kamera-Feed eines Tablets oder bei Verwendung einer intelligenten Brille direkt in das Sichtfeld des Benutzers einblenden. Auf diese Weise wird es Ingenieuren ermöglicht, das Innenleben ihrer Industriemaschinen schematisch zu visualisieren und Probleme zu beurteilen, ohne die Produktionsprozesse unterbrechen zu müssen.

Mesh-Netzwerke: Die Mesh-Technologie kann in der Industrie vielfältig eingesetzt werden, z.B. zur zentralen Steuerung intelligenter Leuchten in einem Werk sowie zur Erfassung von Daten von verteilten Sensoren und deren anschließende Verarbeitung in der Cloud. Während Bluetooth nach wie vor die bevorzugte Funktechnologie ist, um Daten von Knoten zu Knoten bis zum Gateway weiterzuleiten, eignet sich WLAN besser für den letzten Abschnitt der Übertragung vom Gateway zur Unternehmens-Cloud. Es bleibt also abzuwarten, ob der niedrige Stromverbrauch von WiFi 6den Weg für eine breitere Akzeptanz von WiFi-Mesh-Lösungen in der Industrie ebnen wird.

Varianten von WiFi für vernetzte Fabriken

Obwohl WiFi6 das alte WiFi4 in fast allen Punkten übertrifft, sind viele Anwendungen mit der älteren Version der Technologie bestens bedient. In diesem Fall können Werksleiter von den niedrigeren Kosten und der vereinfachten Entwicklung von WiFi4 profitieren. Und während sich WiFi6 noch in seiner neuen Nische etabliert, laufen bereits Bemühungen, die Leistung mit der Einführung von WiFi7, was nach 2024 erwartet wird, noch weiter zu steigern. Nach Angaben des IEEE und der WiFi Alliance, die die Entwicklung von WiFi-Standards vorantreiben, wird sich WiFi7 stark auf die Videoleistung konzentrieren, einschließlich deterministischer Latenz, hoher Zuverlässigkeit und Servicequalität. Außerdem wird es aufgrund breiterer Kanäle (bis zu 320MHz) und höherer QAM-Modulationsordnungen einen dreimal schnelleren Durchsatz (30Gbps) bieten.

Fazit

Während Smart Factories immer mehr an Bedeutung gewinnen, werden sie auch weiterhin von einem Sammelsurium sich ergänzender drahtloser Kommunikationstechnologien abhängen, die auf WLANi, Bluetooth, 4G LTE, 5G und anderen basieren. Die neuen Attribute von WiFi6 – schnellere Datenraten, niedrigere Latenzzeiten, geringerer Stromverbrauch, höhere Netzwerkkapazität und größere Reichweite – haben das Potenzial, die Verbreitung der Technologie in intelligenten Fabriken zu erhöhen. Aufgrund der Nähe der WiFi Alliance zur Industrie ist sie gut auf die Bedürfnisse eingestellt. Insofern können wir davon ausgehen, dass WLAN auch in der Zukunft die Anforderungen neuer industrieller Anwendungsfälle weiterhin erfüllen wird.

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: u-blox AG
Bild: u-blox AG
Höher, 
schneller, 
effizienter

Höher, schneller, effizienter

Als WLAN zum ersten Mal in vernetzten Fabriken eingesetzt wurde, hatte es eine einfache Aufgabe: die Kontaktaufnahme von Geräten untereinander zu ermöglichen. War die Smart Factory vor einem Jahrzehnt noch am Anfang und für viele Unternehmen eher eine Idee der Zukunft, so ist sie heute fester Bestandteil jeder Anlagenplanung. Im folgenden soll gezeigt werden, welche Vorteile der neue WiFi6-Standard hier bietet.

mehr lesen