Use-Case für Bedienbild-Beschreibung modularer Anlagen

Herr der Bedienbilder

Anlagen müssen einen modularen Aufbau unterstützen. Dieser Gedanke, der u.a. aus der Verfahrenstechnik stammt, hat sich in der Automatisierungstechnik fortgesetzt und mündete 2013 in der NE148. Die Empfehlung formuliert die Anforderungen für die Automatisierung modularer verfahrenstechnischer Anlagen. Mit der DIMA-Methode zeigt Wago, wie sich die NE148-Anforderungen technisch umsetzen lassen.
Der Vorteil des DIMA-Ansatzes ist, dass nach Einlesen des MTPs, Bedienbilder unterschiedlicher Module im bekannten Look&Feel des jeweils genutzten Leitsystems dargestellt werden.
Der Vorteil des DIMA-Ansatzes ist, dass nach Einlesen des MTPs, Bedienbilder unterschiedlicher Module im bekannten Look&Feel des jeweils genutzten Leitsystems dargestellt werden. Bild: WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG

Basis ist die Beschreibung verschiedener Aspekte eines Anlagenmodules in einer digitalen Beschreibungsform: dem Module Type Package (MTP). Im Frühjahr 2015 hatte sich die Namur dazu entschieden, diesen Ansatz zu übernehmen und gemeinsam mit dem ZVEI weiterzuentwickeln. Ziel war es, MTP weiter auszuarbeiten und zu spezifizieren. Allerdings wird hierfür die digitale Beschreibung kompletter Anlagenteile benötigt. Daher haben die AKs eine Vorgehensweise gewählt, für die das MTP in mehrere Aspekte unterteilt wurde: (a) Prozessführung, (b) Visualisierung/HMI sowie (c) Alarmmanagement und Diagnose. 2016 bestand der Schwerpunkt der Aktivitäten in der inhaltlichen und strukturellen Ausgestaltung des Aspektes Visualisierung/HMI. Zur letzten Namur Hauptsitzung konnten erste Ergebnisse präsentiert werden. In zwei Workshops wurde gezeigt, wie das MTP mithilfe des Engineeringtools E!Cockpit erzeugt und in unterschiedliche Leitsysteme von ABB, Siemens oder Yokogawa eingelesen wird. Dabei wurde der Vorteil des DIMA-Ansatzes deutlich: Nach Einlesen des MTPs wurde das im E!Cockpit erzeugte Bedienbild im Leitsystem von Siemens anders dargestellt als in dem von ABB. Diese spezifische Anpassung stellt sicher, dass auch Bedienbilder unterschiedlicher Module im bekannten Look&Feel des genutzten Leitsystems dargestellt werden.

Um das Anlegens eines Programmcodes und die Einhaltung aller Spezifikationen zu erleichtern, hat Wago eine Bibliothek entwickelt, mit welcher der Programmcode des Moduls auf Equipmentebene entwickelt wird.
Um das Anlegens eines Programmcodes und die Einhaltung aller Spezifikationen zu erleichtern, hat Wago eine Bibliothek entwickelt, mit welcher der Programmcode des Moduls auf Equipmentebene entwickelt wird.Bild: WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG

Bedienbild-Beschreibung

Eine nutzerfreundliche Mensch-Maschine-Schnittstellen ist Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb einer Anlage. Weil Modulhersteller bei der Programmierung ihrer Anlagenmodule unterschiedliche Engineering-Werkzeuge nutzen, erhält der Anlagenbetreiber zur Visualisierung seiner Gesamtanlage ein Durcheinander modulspezifischer Bedienbilder. Ziel des MTP ist es, bei der Integration von Anlagenmodulen unterschiedlicher Hersteller eine einheitliche Darstellung der Bedienelemente über die Modulgrenzen hinweg zu gewährleisten. Weil die Bedienbilder in einer neutralen Beschreibungsform abgebildet sein müssen, nutzt das MTP eine rollenbasierte Beschreibung der einzelnen Bedienelemente: Sowohl bei der Bedienbildererstellung durch den Modulhersteller, als auch beim Bedien- und Beobachtungsystem des Modulbetreibers, werden Bibliotheken eingesetzt, die um eine semantische Bedeutung der einzelnen Bedienelemente ergänzt wurden. Dazu hat der Namur Arbeitskreis ein Set an Elementen identifiziert, die zum Bedienen und Beobachten von Modulen notwendig sind und vorgeben, welche Elemente (wie z.B. Ventil, Antrieb oder Messstelle) mit welcher Information (Soll-, Ist-, Ersatzwert,.…) übertragen werden müssen.

Beschreibung mittels AutomationML

Für die Beschreibung der Bedienbilder wurde das xml-basierte Beschreibungsmittel AutomationML genutzt. Dieses Metamodell ist in der IEC62714 spezifiziert und setzt sich aus den Modellen CAEX (Computer Aided Engineering Exchange), PLCopen XML und Collada zusammen. Für die Bedienbildbeschreibung wurde ausschließlich der Anteil CAEX genutzt. Jedes Bedienbild besteht aus einer AML-Datei, auf die aus dem Manifest des MTP verwiesen wird.Das root-Element (Elemente werden in AML als InternalElement bezeichnet) beinhaltet Informationen zum Bedienbild selbst, wie die Auflösung des Bedienbildes im Quellsystem. Die Ebenen unterhalb des root-Elementes symbolisieren die Elemente auf dem Bedienbild, also die Ventile, Motoren und Rohrleitungen. Damit diese Beschreibung eines Bedienbildes in ein Zielsystem eingelesen werden kann, werden weitere Informationen benötigt:

  • Bedeutung des Elementes: Was wird abgebildet? (z.B. Ventil)
  • Lageinformation: Wo befindet sich das Element auf dem Be dienbild? (z.B. x=180, y=803)
  • Größeninformation: Wie groß ist das Element? (z.B. x=13, y=24)

Mittels dieser ergänzenden Informationen ist das Zielsystem dazu in der Lage, das eigene Bibliothekselement in entsprechender Größe auf eine definierte Position zu platzieren. Bis zu diesem Schritt wird das Bedienbild lediglich statisch dargestellt und damit ohne die Möglichkeit, auf Sensoren und Aktuatoren im Modul zuzugreifen. Um dies ebenfalls zu ermöglichen, müssen die auf dem Bedienbild platzierten Elemente mit Variablen verbunden werden. Abhängig von der gewählten Kommunikationstechnologie werden die Variablen im Datenhaushalt des Zielsystems aus dem MTP entnommen und angelegt. Wird OPC UA als Kommunikationsprotokoll gewählt, werden pro Element mehrere OPC-Nodes (Ventil=20 Variablen) angelegt. Da für die korrekte Verarbeitung auch die Information über die Bedeutung der Variable notwendig ist (beispielsweise: Sollwert oder Ersatzwert), muss im MTP auch diese Information modelliert werden. Neben der Lageinformation wird auch die Information über die Verbindung von Bedienbildelementen im MTP modelliert. Das ist von Nutzen, wenn die Auflösung zwischen Quell- und Zielsystem stark variiert und die einzelnen Bedienbildelemente für ihre Darstellung stark gestreckt oder gestaucht werden müssen. Eine gute Darstellung der Bedienbildelemente kann nur erzielt werden, wenn die Elemente auf dem Bedienbild neu angeordnet werden. Werden die Verbindungen zwischen Bedienelementen dabei nicht beachtet, kann sich z.B. ein Flansch schnell vom Behälter entfernen und dadurch ein Bedienbild generieren, dass von der physischen Realität abweicht. Die Auswirkungen der daraus entstehenden Fehlbedienung können fatal sein. Die Information die über ein mittleres Bedienbild (20 Elemente) im MTP modelliert werden muss, kann so schnell zehntausend Zeilen erreichen.

Fazit

Mit der Spezifikation des MTP Aspektes Visualisierung/HMI hat der Arbeitskreis von Namur und ZVEI die Anforderungen an die Bedienbildbeschreibung sowie die Anforderungen an die zugehörigen Variablen im MTP erarbeitet. Die Einhaltung der Spezifikation liegt nun beim Nutzer. Um diese umfangreichen und fehleranfälligen Prozesse des Anlegens eines Programmcodes und der Einhaltung aller Spezifikationen nicht dem Anwender und Ersteller des Modul-Engineerings zu überlassen, hat Wago eine Bibliothek entwickelt. Diese verfügt über einen Funktionsbaustein gemäß IEC61131 und ein dazugehöriges Bedienbildelement. Mit Hilfe der Bibliothek kann der Programmcode des Moduls auf Equipmentebene entwickelt werden, ohne auf typische Funktionalitäten, wie beispielsweise Verriegelungen und Alarmmanagement verzichten zu müssen. Ein weiterer Vorteil der Bibliothek ist die OPC UA Konfiguration, die bereits in den Funktionsbausteinen vorbereitet ist. Mit nur einem Mausklick können alle Variablen, die zur Kommunikation mit dem Leitsystem notwendig sind (mehrere Hundert an der Zahl) normgerecht in den OPC UA Server der SPS geladen werden. Der Mehraufwand, der durch die DIMA-konforme Kommunikation unter Verwendung des MTP entsteht, wird dadurch deutlich minimiert. Anwender brauchen die ihnen bekannte Engineering-Umgebung also nicht verlassen. Die Bibliothek befindet sich aktuell im Erprobungsstatus und wird derzeit in mehreren Pilotprojekten eingesetzt und weiter verbessert.

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WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG
http://www.wago.de

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