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Exors Entwicklung vom HMI-Lieferanten zum Plattformanbieter

Abschauen? Ging nicht!

Welche Reise hat Exor als Automatisierer bereits hinter sich? Wo positioniert man sich heute mit Corvina? Wie kam es zur eigenen Smart Factory? Und woher stammt der besondere Spirit im Team? Um diese Fragen zu beantworten, hat sich das SPS-MAGAZIN am Exor-Stammsitz bei Verona mit CEO Giuseppe Pace unterhalten. Der zweite Teil des Artikels, der im SPS-MAGAZIN 5/2024 erscheint, geht dann noch einmal tiefer auf die Besonderheiten der smarten Fertigungsumgebung von Exor sowie der dort entstehenden Produkte ein.
Bild: TeDo Verlag GmbH

Exor hat sich längst in der europäischen Automatisierungslandschaft etabliert. Vor allem mit seinen Panels ist das Unternehmen seit vielen Jahren erfolgreich. Heute positioniert man sich allerdings als Technologieanbieter, der nicht nur über die Hardware hinaus, sondern auch über den Tellerrand des Maschinenbaus schaut. Es geht nicht mehr nur um Visualisierung, sondern viel grundlegender um das Management von Produktions- und Prozessdaten.

Angefangen hat alles aber natürlich ganz anders. „Die Firma Exor wurde in den 1970er-Jahren ins Leben gerufen. Also zu der Zeit, als sich Industrie 3.0 gerade etablierte“, blickt Giuseppe Pace, CEO des italienischen Unternehmens, zurück. Industrie 3.0 meint die Einführung von NC- und computergesteuerten Maschinen. Der Fokus von Exor lag damals komplett auf HMIs. Allerdings ging es nicht um integrierte Module mit Display, wie man sie heute kennt, sondern vielmehr um Bedieneinheiten mit Knöpfen, Reglern, Schaltern und Tastern. Rund 20 Jahre blieb es bei dieser Ausrichtung. Man bediente hauptsächlich Kunden aus dem unmittelbaren Umkreis – mit passgenauen HMI-Lösungen für spezielle Anwendungsbereiche der produzierenden Industrie.

Bild: TeDo Verlag GmbH

Das neue HMI

Die Situation änderte sich, als erstmals ein HMI-integriertes Display angefragt wurde – also eine den heutigen Vorstellungen entsprechende Mensch/Maschine-Schnittstelle. Bei Exor wurde man hellhörig und war überzeugt, dass ein solches Produkt auch für viele weitere Anbieter in Europa und darüber hinaus spannend sein müsse. Entsprechend enthusiastisch machte man sich Anfang der 1990er-Jahre an die Entwicklung. Die Rechnung ging auf: Die neue Art von HMIs – die so genannten Universal Operator Panels (UniOP) – kam auf dem Markt ausgezeichnet an. Exor konnte die Produktion hoch skalieren und stellte sich global auf. Mit einer Vielzahl an Vertriebspartnern und eigenen Niederlassungen, z.B. in Deutschland oder den USA. „Die UniOP entwickelten sich quasi zu einem Standard im Maschinen- und Anlagenbau, denn Exor hat die HMIs als Brandlabel-Produkte auch an namhafte und international agierende Unternehmen geliefert“, erzählt Pace. Das wirkte sich nicht nur auf die Stückzahlen, sondern auch auf ein steigendes Qualitätsbewusstsein aus. Schließlich galt es, hohe Ansprüche auf Kundenseite zu erfüllen. Mit dieser neuen Ausrichtung vervielfachte sich der Umsatz bei Exor im Zeitraum zwischen 1995 und 2007 von 4 auf 18 Millionen Euro.

Das Ökosystem 
Corvina war der 
nächste logische 
Schritt in unserem Selbstverständnis.
Das Ökosystem Corvina war der nächste logische Schritt in unserem Selbstverständnis.Bild: TeDo Verlag GmbH

Der neue CEO

Im Jahr 2007 sollte es zu einem Wechsel an der Firmenspitze kommen, denn der Gründer und bisherige CEO, Gaetano Gastaldin, wollte sich voll und ganz auf den R&D-Bereich und die strategische Positionierung konzentrieren. Die CEO-Position ging an Giuseppe Pace, der sich seine Lorbeeren als Manager vorher in der Schuhindustrie verdient hatte. „Der Start bei Exor war nicht einfach für mich“, sagt der damalige neue Geschäftsführer, „Exor war noch eine recht kleine Firma mit rund 75 Mitarbeitenden. Es waren einige Jahre keine neuen Produkte mehr vorgestellt worden, weil deren Entwicklung dem Zeitplan hinterher hinkte. Unter diesen Voraussetzungen war es denkbar schwierig, dem Wettbewerb Marktanteile abzunehmen.“ Zwei Jahre später kamen weitere Herausforderungen hinzu: 2009 starb der Exor-Gründer im Alter von nur 66 Jahren. Zudem musste man als mittelständisches Unternehmen die Finanzkrise und einen Umsatzrückgang um fast 50 Prozent durchstehen.

Die neue Visualisierung

Exor stemmte sich gegen alle Widrigkeiten und schon nach zwei Jahren wurde das vormalige Umsatzniveau wieder erreicht. Dazu trugen neu vorgestellte Produkte und das hohe Qualitätsbewusstsein bei. Wichtiger aber noch war die Vorstellung der Visualisierungs-Software JMobile. Sie wurde seit 2004 von zwei Teams parallel entwickelt und folgte einem komplett neuen Ansatz. „Ähnliche Softwarelösungen, von denen man hätte abschauen können, gab es nicht“, bekräftigt Pace. „Als wir JMobile dann endlich vorstellen konnten, war das Feedback großartig. Der immense Entwicklungsaufwand hatte sich also gelohnt.“ Zumal sich mit dem Launch der Software eine gute Gelegenheit ergab, das Unternehmen neu und fit für die Zukunft aufzustellen. „Das war sozusagen der Grundstein für unser heutiges Selbstverständnis als Technologieanbieter. Wir konnten ein etabliertes Hardware-Portfolio vorweisen und waren auf der Software-Seite dabei, eine wirkliche Innovation auf den Markt zu bringen.“

Bild: TeDo Verlag GmbH

Der neue Spirit

Trotz dieser prinzipiell guten Voraussetzungen fand sich Exor im Jahr 2012 in der nächsten schwierigen Situation wieder. In einer Krise, die das Unternehmen nachhaltig prägte. Denn in Folge der Finanzkrise war die Kostenstruktur so weit angewachsen, dass ein harter Cut erforderlich wurde. Die pragmatische Lösung wäre damals gewesen, 20 Prozent der Belegschaft vor die Tür zu setzen. Doch Pace hatte eine andere Idee: War es möglich, durchgängig durch alle Abteilungen und Hierarchien die Gehälter um 20 Prozent herunterzufahren? Ein ungewöhnlicher Schritt. Für den letztlich aber doch alle Mitarbeiter ihre Zustimmung gaben. Noch ungewöhnlicher ist es laut dem CEO, wie stark im Anschluss dieser Entscheidung das Engagement in der Belegschaft wuchs. Die komplette Mannschaft gab ihr Bestes, um das Unternehmen wieder auf die Spur zu bekommen. Schon anderthalb Jahre später hatte sich dadurch die Situation normalisiert, einschließlich aller Gehälter. „Die besondere Atmosphäre bei Exor und der Zusammenhalt im Team sind aber bis heute – zwölf Jahre später – zu spüren“, betont Pace. „Zudem ist es seitdem stets gelungen, die nächsten Wachstumsschritte des Unternehmens deutlich vor dem geplanten Zeitpunkt zu erreichen.“ Das hat Exor auch in den Augen von Partnern und Kunden so attraktiv gemacht, dass sich mehrere von ihnen als Investoren beteiligten.

Bild: TeDo Verlag GmbH

Die neue Cloudlösung

In der schwierigen Phase 2012 fiel bei Exor eine weitere weitreichende Entscheidung: Nämlich für die Entwicklung eines eigenen Cloud-Ökosystems. „Uns wurde klar, dass wir früher oder später um das industrielle IoT – als Ergänzung zu den HMIs und unseren Tools – nicht mehr herumkommen würden“, sagt Pace. „Im Endeffekt war Corvina als Lösung für standortunabhängiges Visualisieren und Monitoren nur der nächste logische Schritt in unserem Selbstverständnis. Es lautet seitdem: Wir haben die Daten und bringen sie dorthin, wo sie benötigt werden. In diesem Entwicklungsschritt lag wiederum die Basis dafür, den Umsatz auf die heutigen 90 Millionen Euro steigern zu können.“ Ähnlich wie bei JMobile, gab es jedoch noch keine Branchenlösungen, von denen man sich inspirieren lassen konnte. „Abschauen? Ging wieder nicht“, sagt Pace mit einem Augenzwinkern. Stattdessen investierte man wieder großen Aufwand in die Eigenentwicklung.

Mittlerweile ist Corvina ein eigenes Tochterunternehmen von Exor mit den nötigen Freiheiten, um sich weiterzuentwickeln. Man positioniert sich nicht mehr nur als Cloudanbieter, sondern als Solution Provider. „Unter dem Dach der Holding ergänzen sich Exor und Corvina wunderbar“, fährt der CEO fort. „Als Einheiten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit: Während Exor als Ausrüster des Maschinenbaus langfristig denkt, passt sich Corvina umgehend an veränderte Marktgegebenheiten an.“ Im Schulterschluss ist es Exor gelungen, sich breiter entlang der Wertschöpfungskette aufzustellen und das Kundenspektrum zu erweitern. Denn mit Corvina zielt man über den Maschinen- und Anlagenbau hinaus auch auf die Endanwender. Schließlich spielt das Cloud-Ökosystem viele Vorteile erst im Betrieb der Maschinen bzw. bei deren Integration in die jeweilige Fertigungsstruktur aus. Der Endanwender erhält einen tieferen Einblick in die Effizienz, Zuverlässigkeit oder Produktivität und kann Prozesspermanent monitoren. Darauf aufbauend ist er in der Lage Parameter zu ändern oder Maßnahmen einzuleiten, und das Ergebnis direkt mit den vorhergehenden Einstellungen abzugleichen. „Diese Möglichkeiten sind ein Door-opener für Exor“, versichert Pace. „Die Exor-Produkte bilden eine zuverlässige Hardware-Basis, damit die IoT-Lösung läuft. Corvina bezieht dann aber das gesamte Fertigungsumfeld des Anwenders mit ein. Alle denkbaren Datenquellen lassen sich unabhängig integrieren.“

Die neue Smart Factory

Das Potenzial von Corvina belegt Exor mit seiner eigenen Smart Factory am Stammsitz bei Verona. Sie wurde 2020 zusammen mit dem langjährigen Partner Intel realisiert. Ziel ist es, Kunden vor Ort am Beispiel der eigenen HMI-Fertigung von den Features moderner IPC-Technik zu überzeugen. Gleichzeitig hat sich Exor auf diese Weise für die nächsten Wachstumsschritte ausgerichtet: „Wir haben vor zwei Jahren 140.000 HMIs hergestellt“, gewährt Giuseppe Pace Einblick. „Letztes Jahr waren es 30 Prozent mehr, also 200.000. Diese Zahl mag nicht sonderlich spektakulär klingen. Sofern man davon ausgeht, dass wir Losgrößen von 1.000 Geräten und mehr produzieren. Dem ist aber mitnichten so. Eine typischer Auftrag bei Exor umfasst oft gerade einmal zehn HMIs.“ Um diese Flexibilität zu gewährleisten, analysiert und verbessert Exor die eigene Produktion regelmäßig anhand zahlreicher Corvina-Reports. Die gesammelten Daten erlauben zudem detaillierte Rückschlüsse über jedes einzelne produzierte HMI, was wiederum auf die Qualitätssicherung einzahlt. „Da unsere Produkte in der Anwendung zehn Jahre und mehr fehlerfrei laufen müssen, machen wir bei der Qualität keine Abstriche“, unterstreicht der CEO. „Das ist für Exor nach wie vor ein sehr wichtiger USP, den unsere Kunden zu schätzen wissen.“

Der zweite Teil des Artikels im SPS-MAGAZIN 5/2024 wirft einen detaillierten Blick auf die Prozesse in der Smart Factory von Exor und den Einsatz von Corvina.

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