Die Teilnehmer der SPS-MAGAZIN-Drehgeberrunde (v.l.n.r.): Dr. Johann Pohany (JP Consulting), Frank Maier (ehem. Lenze), Jörg Paulus (Fraba), Stefan Schubert (Kübler) und Michael Pfister (Sick). – Bild: TeDo Verlag GmbH Vielleicht müssen wir den Begriff Drehgeber zukünftig mehr als Funktion und nicht mehr als Komponente sehen. Jörg Paulus, Fraba – Bild: TeDo Verlag GmbH Um das Low-Level-Geschäft brauchen wir uns nicht kümmern. Da werden wir wahrscheinlich nicht mal mit unseren Materialkosten hinkommen, was in China als Verkaufspreis auf den Markt kommt. Stefan Schubert, Kübler – Bild: TeDo Verlag GmbH Bild: TeDo Verlag GmbH Bild: TeDo Verlag GmbH
Was ich aktuell bei Drehgeberherstellern sehe sind Kit-Lösungen, also keine IP-Cores, sondern immer noch geschlossene Systeme, die aber eleganter zu integrieren sind.
Jörg Paulus (Fraba): Stand jetzt sind es Kit-Lösungen, das heißt die Mechanik ist schon weniger geworden. Wir sind aktuell in Diskussionen mit Antriebsherstellern, die sagen, wir müssen noch mehr in die Integration und wollen den Drehgeber selber machen. Wir liefern dann die Funktionen, z.B. Single Turn Technologie. Diese gibt es auf den Chips magnetisch oder optisch sowie eine Funktion Multiturn. Zudem gibt es auch eine Funktion Interface, aber das können die Antriebsleute in der Regel selber.
Ist das dann noch ein Drehgeber?
Paulus: Die Funktion eines Drehgebers ist nach wie vor vorhanden, egal ob diese jetzt über einen reinen IP-Core generiert ist oder ob es ein paar Bauteile gibt, so dass ich einen gehousten Geber habe. Von dem her müssen wir vielleicht den Begriff Drehgeber zukünftig mehr als Funktion und nicht mehr als Komponente sehen.
Bei Sick ist die Antriebstechnik separiert von den klassischen Drehgebern. Ist dies ein Schritt in diese Richtung oder bereits schon vor vielen Jahren erfolgt?
Michael Pfister (Sick): Wenn ich an Servos denke, ist das Thema Absolutgeber im Fokus. Dort haben wir die Trennung mit dem Motorfeedback schon vor vielen Jahren gemacht, da wir in der Motorregelung sind und alles was Encoder ist, an Maschinen verbaut wird und nicht im Motor, wie Motorfeedbacksysteme.
Wenn ich fünf Jahre in die Zukunft schaue und die Innovationszyklen im Maschinenbau und der Antriebstechnik betrachte und einen optischen inkremental 58mm Geber habe und auf der anderen Seite ein High Performance Kit-Geber: sind das noch dieselben Ingenieure, die das entwickeln?
Paulus: Das sind schon seit einiger Zeit nicht mehr dieselben Ingenieure. Früher waren wir im Grunde Mechaniker, und haben uns um Wellen und Mechanik gekümmert. Inzwischen sind wir Softwareleute, weil es um das Ganze aus Magnetik und induktiven Signalen geht. Dies zu optimieren ist Software, wie auch die Simulation von den Magnetfeldern und all diese Themen. Entscheidend ist die Geschwindigkeit, mit der aktuell Dinge passieren und da sehe ich Asien vorne. Dort werden Motoren gerade komplett integriert. Die machen dort bereits diese Dinge, über die wir gerade gesprochen haben. Einen komplett eigenen neuen Drehgeber in dem Motor innerhalb von zwölf Monaten. In der Zeit haben wir in Deutschland noch nicht einmal entschieden, ob das Projekt überhaupt startet. Da müssen wir Dinge schneller umgesetzt bekommen, sonst werden wir mehr und mehr von der Geschwindigkeit, die aus Asien kommt, eingeholt werden.
Der Siemens Factory Automation Vorstand hat kürzlich gesagt, wir müssen uns in Europa integrieren. Er sprach zwar nicht von Drehgeber und Antrieben, sondern von der gesamten Automatisierungspyramide, aber wenn wir das nicht gemeinsam auf die Straße bekommen, werden wir nicht überleben. Sehen Sie das genauso?
Stefan Schubert (Kübler): Wir müssen in Europa enger zusammenarbeiten und auch Kooperationen und Partnerschaften eingehen, dann können wir auch das Erreichen, was aktuell die Chinesen uns vormachen: mit hoher Geschwindigkeit Lösungen auf die Straße bringen. Ein Kübler oder ein Lenze alleine kann das aber nicht machen.
Pfister: Ein weiterer Punkt wäre die Dockerthematik. Was wir schon tun, bei Produkten, die ein integriertes Condition Monitoring Feature haben. Dort besteht die Möglichkeit, Daten über Docker-Container auch ins Kundenumfeld oder die Cloud zu bringen. Dies geht aber nur über gemeinsames Reden und Partnerschaften.
Wir haben Wahlen in den USA gehabt; das heißt es muss dort jetzt wieder stärker lokal produziert werden. Ist eine Integration eine Möglichkeit dem entgegenzutreten, dass man über den Antrieb auch Drehgeber noch in den USA verkaufen kann?
Frank Maier (Senior Advisor): Die Antwort auf die Frage wäre eher nein. Was aber hilft ist, wenn wir in stärkere Modularisierungen einsteigen, also nicht mehr Produkte einführen, sondern Komponenten. Dann können wir mit Sicherheit mit der ein oder anderen Handelsbarriere besser umgehen. Handelsbarrieren, haben meist den Zweck, den Local Content zu schützen und da geht es meistens um Endmontagen. Es ist völlig unrealistisch, dass sich die Amerikaner komplett aus den USA heraus selbst versorgen. Deswegen wird Modularisierung helfen, das zu adressieren. Gleichzeitig hilft es als Antriebstechniker zu schauen, bestimmte Kernkomponenten, die für uns überlebensnotwendig sind, also die Performance des Geräts dramatisch beeinflussen, in einem vertrauensvollen Ökosystem zu betreiben. Es hat schon Charme, ob ich einen Mikrocontroller in Deutschland kaufe, oder in China, Taiwan oder den USA. Wir haben uns lange gescheut, selbst bei der Bremse oder Lüfter, auf chinesische Lieferanten zuzugehen. Beim Geber ist die Hemmschwelle mit Sicherheit noch größer. Aber wir brauchen eine Antwort auf die Dynamik in China. Die Chinesen bekommen aktuell ihre Produkte noch nicht so schnell in den europäischen Markt, wie sie es gerne hätten, da der Maschinenbau langsam ist. Das ist für die Chinesen eine neue Erfahrung, aber wenn wir nicht mitspielen, dann hängen sie uns ab. Anbaugeber werden sich noch eine ganze Weile verkaufen, 20 Jahre mindestens, aber wenn wir jetzt nicht anfangen, das Ökosystem neu aufzubauen, dann werden wir abgehängt. Die Antwort auf den Kollegen von Siemens wäre, wir werden nicht in der Form überleben, wie wir heute sind, entweder überleben wir gar nicht oder völlig anders.
Der Maschinenbau hat langsame Zyklen, die Antriebstechnik schnellere. Wenn ich mir die unterschiedlichen Versionen ihrer Schnittstellen anschaue, wie viele sind ‚alte‘ Schnittstellen und wie viel State-of-the-Art?
Pfister: Da sind wir aktuell bei Fifty Fifty.
Schubert: SSI bekommt man nicht tot, das ist hartnäckig im Markt und wird es auch noch in zehn Jahre sein. Es gibt eine Vielzahl an Schnittstellen, zum Teil auch kundenspezifische, die gut funktionieren. Vielleicht auch gut genug für eine Anwendung. Daher kann ich nicht sagen, welche wachsen oder nicht wachsen werden.
Sind wir Europäer immer noch am Over-Engineeren, wie wir es gerne machen, oder nähern wir uns dem ‚gut genug‘?
Paulus: Ich habe schon das Gefühl, dass wir uns dem gut genug ein bisschen nähern, aber die Tendenz zum Over-Engineering ist immer noch da. Brauchen wir wirklich jedes Feature, oder geht es nicht zukünftig darum, auf die Kosten zu schauen? Wenn man sich einzelne Projekte anschaut, ist der Drehgeber teilweise teurer als der Antrieb.
Pfister: Gerade die ganzen EU-Regelungen, z.B. der Cyber Resilience Act usw., machen es uns nicht gerade einfach. Auf der Produktseite gilt zwar, was ist gut genug, aber auf der anderen Seite gibt es auch Standards, die man erfüllen muss.
Maier: Wir haben in der Antriebstechnik auf der Motoren und Umrichterseite in den letzten zehn Jahren enorme Fortschritte gemacht, was die Kostenreduktionen angeht. Die zwei Komponenten, die dort aber hinterher hinken, ist der Geber und die Bremse. Diese bereiten mir heute als Antriebstechnikhersteller die meisten Kopfschmerzen, wenn es ums Kostendesign der Gesamtlösung geht. Wir werden aber nie im Leben Kostenführer werden, das heißt im Low-Cost Segment aus China nicht erfolgreich sein, egal was wir hier tun und wie wir zusammenarbeiten. Daher sollten wir ein wenig Over-Engineering machen, also deutsche Kreativität sowie Begeisterungselemente drin haben und nicht me-too werden, sonst überleben wir nicht.
Paulus: Der Wiegand Sensor ist ein perfektes Beispiel hierfür. Diese Technologie wurde in Europa erfunden. Das positive Feedback das wir in allen Gesprächen zu den Wiegand Energy Harvesting Multiturn erhalten, zeigt, dass dies genau die Innovationen sind, bei denen wir vorne sind. China hat aktuell noch keine Wiegand Sensoren.
Pfister: Ich sehe die Integration auf unterschiedenen Ebenen: auf der einen Seite in der Qualität. Wenn ich vorab viel Frontloading mache, um Qualitätsstandards zu setzen, habe ich hinten raus im Lifecycle Management weniger Kosten. Der andere Faktor ist die Integration auf der Produktseite und das Dritte, eine gemeinsame Logistik mit den Kunden zu machen.
Schubert: Es gibt rechtliche Grundlagen und wenn ich einen Feldbusgeber machen will, muss ich auch Cyber Security Anforderungen erfüllen. Das kann ich nicht außer acht lassen, auch wenn es dann Over-Engineered aussieht. Daher werden wir in Europa immer auch Produkte haben, die am höheren Ende sind. Im Feedback System brauchen wir nicht nach China schauen und auch um das Low Level Geschäft brauchen wir uns nicht kümmern. Da werden wir wahrscheinlich nicht mal mit unseren Materialkosten hinkommen, was dort als Verkaufspreis auf den Markt kommt.