Schrittmotoren positionieren Glasfasern im Spektrographen

3D-Vermessung der Milchstraße

Eine präzise und exakt wiederholbare Positionierung ist für die moderne Automatisierungstechnik unabdingbar, z.B. in der Mikroproduktion, Kommunikation oder für neue Forschungsansätze. Die dort eingesetzten Komponenten kommen aber auch in eher exotischen Anwendungsgebieten wie der Astronomie zum Einsatz. Ein astronomischer Spektrograph mit über 1.000 präzise positionierten Glasfasern zeigt, welches Potential heutige Mikropositioniersysteme haben.
 Der neue Moons-Spektrograph kann kosmische Objekte im 
sichtbaren und infraroten 
Spektrum gleichzeitig erfassen.
Der neue Moons-Spektrograph kann kosmische Objekte im sichtbaren und infraroten Spektrum gleichzeitig erfassen.Bild: eso.org

Die Erde befindet sich in der Scheibenebene der Milchstraße. Will man von hier aus in das Zentrum der Galaxie oder auf die andere Seite blicken, sind zahllose Sterne im Weg. Wo sich welche Sonnen der Milchstraße befinden, lässt sich aus irdischer Perspektive also nur schwer ermitteln. Ein astronomisches Großprojekt soll in naher Zukunft viele dieser Wissenslücken schließen. Daran beteiligt sind acht Institute aus mehreren Ländern. Auftraggeber ist die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, ESO). Sie betreibt in der chilenischen Atacama-Wüste einige der weltweit leistungsstärksten Teleskope. Zu ihnen gehört auch das Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium mit einem Spiegeldurchmesser von 8,2m. Ziel ist, das VLT mit dem neuen Spektrographen Moons (Multi-Object Optical and Near-infrared Spectrograph) auszustatten, der eine große Zahl kosmischer Objekte im sichtbaren und infraroten Spektrum gleichzeitig erfassen kann.

 Die eingesetzten Schrittmotoren 
erlauben Voll-, Halb- und Mikroschrittbetrieb, sind langlebig und arbeiten 
in einem großen Temperaturbereich zuverlässig.
Die eingesetzten Schrittmotoren erlauben Voll-, Halb- und Mikroschrittbetrieb, sind langlebig und arbeiten in einem großen Temperaturbereich zuverlässig.Bild: Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG

Einzelne Spektren statt Foto

„Bei einer hochwertigen Fotokamera kann man die Objektive wechseln. Bei einem astronomischen Teleskop ist es andersherum – wir haben die hervorragenden Objektive des VLT und werden die Kamera gegen unser Moons austauschen“, erklärt Dr. William Taylor, Wissenschaftler des Projektkoordinators United Kingdom Astronomy Technology Centre (UK ATC) in Edinburgh. Moons soll ganz neue Möglichkeiten der Himmelsbeobachtung eröffnen, auch wenn dabei keine großflächigen Bilder entstehen. Stattdessen werden viele Einzelheiten detailliert ins Visier genommen. Dafür schwenken die riesigen Linsen und Spiegel des VLT auf den Himmelsausschnitt, der untersucht werden soll. Anschließend werden im Moons die Enden von genau 1.001 optischen Fasern auf einzelne Objekte in dieser kosmischen Region ausgerichtet. Statt wie mit einer Kamera die ganze ausgewählte Fläche abzubilden, fokussiert das neue Instrument die Fasern auf bestimmte Punkte im Universum und zerlegt ihr Licht mittels Prismen in unterschiedliche Wellenlängen. „Mit dieser Methode erhalten wir wesentlich mehr Information als aus einem einfachen Bild“, sagt Taylor. „Wir erfahren z.B. etwas über die chemische Zusammensetzung der beobachteten Objekte. Außerdem können wir ihre Dynamik – die Geschwindigkeit und Richtung der Bewegungen – berechnen.“ Da Moons das nahe Infrarot-Spektrum erfasst, lässt sich die Rotverschiebung genau analysieren, der das Licht ferner Objekte auf dem Weg zur Erde unterliegt.“ Wenn sich ein Stern von der Erde entfernt, wird die Wellenlänge seines Lichts länger.

Tausend Objekte im Blick

Bisher konnte man höchstens etwa hundert Objekte einzeln beobachten, und das auch nur im Bereich des sichtbaren Lichts. Mit Moons wächst diese Zahl auf das Zehnfache und die Informationstiefe nimmt um ein Vielfaches zu. „Es gehört zu den Zielen unseres Projekts, eine 3D-Karte der Milchstraße zu erstellen“, führt Taylor fort. „Außerdem erlaubt uns die Moons-Technologie, mit einer bisher unerreichten Auflösung sehr weit – und damit auch zeitlich sehr weit zurück – zu schauen. Wir werden uns so dem Urknall bis auf wenige hundert Millionen Jahre annähern können.“ Damit sollen die Wissenschaftler Einblick in die frühe Kindheit des Weltalls erhalten und zwar weit schärfer und detaillierter als bisher. „Wir werden in der Lage sein, neben der Milchstraße auch das Universum in bisher unerreichter Tiefe zu kartieren“, versichert Taylor. Dafür wollen die Astronomen in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren viele Millionen Objekte ins Visier nehmen. Das kann aber nur gelingen, wenn alle Lichtleitfasern des Spektrographen sich schnell und weitgehend automatisiert auf die kosmischen Ziele ausrichten lassen. Diese Aufgabe übernehmen ebenso viele Faserpositioniermodule (Fibre Positioning Units, FPU). Sie verfügen über zwei Antriebseinheiten aus je einem Schrittmotor und einem spielarmen Stirnradgetriebe. Das Getriebespiel wird dazu mittels einer Vorspannung durch gegensinniges Verdrehen der Getriebestränge und deren Verspannung auf dem Motorritzel möglichst gering eingestellt. Damit sind solche Getriebe gut geeignet für Positionieraufgaben mit hoher Genauigkeit und geringem Drehmoment.

Faserpositioniereinheiten mit Schrittmotoren

Die hintere, sogenannte Alpha-Einheit bewegt dann die Zentralachse. Auf ihr ist exzentrisch die vordere Beta-Einheit befestigt, die gleichzeitig die Faserspitze bewegt. Durch die Kombination der zwei axialen Bewegungen deckt jedes Positioniermodul eine kreisförmige Fläche ab, in der die Faser beliebig ausgerichtet werden kann. Diese Fläche überschneidet sich teilweise mit den Flächen der benachbarten FPUs. Auf diese Weise lässt sich jeder Punkt im Erfassungsbereich ansteuern. Um die benötigte Präzision zu gewährleisten und Kollisionen zwischen den FPU-Spitzen zu vermeiden, müssen die Systeme mit hoher Wiederholgenauigkeit arbeiten. Aus der Erfahrung von Faulhaber mit der Positionierung von Glasfasern im Telekommunikationsbereich, die ähnlichen Anforderungen an Präzisionsschrittmotoren stellen, ließ sich die Aufgabe mit Standardprodukten umsetzen. Die Precistep-Schrittmotoren erlauben Voll-, Halb- und Mikroschrittbetrieb, sind langlebig und arbeiten in einem großen Temperaturbereich zuverlässig. Letzteres ist wichtig, da die Teleskopkuppel für die Aufnahmen in kalten Wüstennächten geöffnet werden muss. Zudem erlauben die Schrittmotoren ein kostengünstiges Positionieren ohne Impulsgeber. Die spielarmen Getriebe von Faulhaber Minimotor erhöhen die Genauigkeit der Positionierung durch die Präzisionsuntersetzung. Für die mechanische Konstruktion der FPU-Module ist die Faulhaber-Tochter MPS zuständig.

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Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG

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