\“Was der Kunde wirklich will, ist Durchgängigkeit\“

Welche Disziplin steht bei Lenze an erster Stelle - Antriebstechnik oder Automatisierung? Im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN erklärt Dr. Thomas Cord, Geschäftsführer von Lenze Automation, den jeweiligen Stellenwert im Portfolio sowie in der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und gibt einen Ausblick auf die kommende SPS IPC Drives.

Herr Dr. Cord, Lenze ist in der Antriebstechnik groß geworden. Heute präsentiert sich das Unternehmen als Spezialist für die Automatisierung. Gab es einen Scheitelpunkt, ab dem Lenze gesagt hat: Wir müssen jetzt Automatisierung machen? Oder war das ein schleichender Prozess?

Dr. Cord: Steuerungstechnik und Antriebstechnik verschmelzen seit vielen Jahren und Kunden fordern verstärkt integrierte Systeme. Diesem Trend haben wir Rechnung getragen und sind in die Automatisierungstechnik eingestiegen – seit der Akquisition des IPC-Spezialisten Digitec im Jahr 2005 haben wir konsequent Kompetenz im Bereich der Steuerungstechnik aufgebaut. Das ist die produktorientierte Sicht. Man kann es aber auch so erklären: Lenze wandelt sich seit zehn Jahren vom einem Produkt- zu einem Lösungsanbieter. Seither wollen wir uns nicht nur mit unseren Produkten differenzieren, sondern Lösungs-Know-how zusammen mit unserem Kunden entwickeln. Dieses Vorhaben haben wir sehr konsequent umgesetzt. Letztendlich haben wir schon immer Bewegung automatisiert und kennen die Maschinen und Applikationen unserer Kunden sehr genau. An dieses Wissen haben wir dann quasi die Steuerungstechnik angehängt. Heute bieten wir unseren Kunden neben innovativen Antriebslösungen auch integrierte Systeme für die Automatisierung von Maschinen.

Der Plan war also nie, eine einzelne Steuerung zu verkaufen?

Dr. Cord: Nein. Für uns steht immer die Gesamtlösung im Vordergrund.

Mit Ihrem Claim \’Motion Centric Automation\‘ räumen Sie der Antriebstechnik ein hohes Gewicht ein. Muss die Steuerungstechnik im Hause Lenze hinten anstehen?

Dr. Cord: Nein. Mehr denn je ist Motion Control, also die Bewegungssteuerung, der komplexeste Part einer Maschine. Das Klick-Klack der Automatisierung drumherum ist viel einfacher. Um die Bewegung zu beherrschen, war bei Lenze im Lösungsvertrieb schon immer viel Automatisierungs-Know-how nötig. Heute arbeiten unserer Leute ganzheitlich und konzipieren übergreifende Systeme. Die Lösungskompetenz ist unsere Wettbewerbsdifferenzierung geworden.

Welche Vorteile bieten Sie Ihren Kunden, indem Sie die Antriebstechnik in den Mittelpunkt stellen?

Dr. Cord: Wir verstehen die Applikationen unserer Kunden sehr viel besser und können sie dadurch einfacher umsetzen: das reicht vom Querschneiden über Pick&Place bis hin zur Vereinzelung von Produkten. Aus dem Fokus auf Zielbranchen und unserem Verständnis branchentypischer Applikationen ziehen wir die Basis, um Kundennutzen und Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Unser Ziel ist es, die Engineeringprozesse unserer Kunden zu vereinfachen, damit sie die Engineeringzeiten und -kosten im Griff behalten können.

Um welche Branchen und Anwendungen geht es dabei?

Dr. Cord: Unser Schwerpunkt liegt heute auf den Produktionswerken in der Automobilindustrie, auf der Intralogistik für Warenlager, Flughäfen und Postverteilzentren sowie auf Prozess-, Verpackungs- und Palettierungssysteme in der Pharma-, der Getränke- und der Lebensmittelindustrie. Hier haben wir nicht nur Lösungs-Know-how aufgebaut, sondern auch vorgefertigten Funktionsmodule geschaffen. Jetzt stellen wir fest, dass wir über diese Module auch in andere Märkte reinkommen. Beispielsweise in Handlingsysteme für Holz, Glas und Blech oder auch in der Kunststoffindustrie. Man muss also nicht hunderte Applikationen beherrschen, um ein breites Feld im Maschinenbau abzudecken.

Durch die Vertiefung Ihrer Expertise erweitert sich automatisch das Sprektrum der Anwendungen?

Dr. Cord: So ist es. Gleichzeitig wollen die Maschinenbauer einen Partner, der auf Augenhöhe mitdiskutieren kann. Das gelingt uns heute sehr gut und wird im Markt anerkannt. Unsere Kunden schätzen, dass sie gemeinsam mit uns Entwicklungen von der Idee über die Konzeption bis hin zu Betrieb und Wartung erarbeiten können. Mit Stolz können wir sagen, dass wir aufgrund der engen Zusammenarbeit mit unseren Kunden zu der ein oder anderen Innovation beitragen konnten.

Lenze bedient Applikationen von der klassischen Fördertechnik bis hin zur komplexen Motion-Control-Lösung. Wie bringen Sie diese Bereiche unter einen Hut?

Dr. Cord: Produktorientierte Anbieter trennen Getriebemotoren von Frequenzumrichtern und diese wiederum von Servo-Antrieben. Mit unserer lösungsorientierten Sichtweise stellen wir fest: Was der Kunde wirklich will, ist Durchgängigkeit. Deswegen trennen wir die verschiedenen Welten gar nicht voneinander, sondern bieten ein ganzheitliches Engineering.

Wie bewerten Sie das Schlagwort Industrie 4.0 und wo sehen Sie Chancen für das Unternehmen Lenze an dieser Stelle?

Dr. Cord: Wenn es um intelligente und autarke Maschinen geht, die sich individuell auf ein zu fertigendes Produkt einstellen, dann ist die Maschinensteuerung die zentrale Datenquelle für die Integration der Maschinen- und der Leitebene. Sie sammelt die Daten der Sensoren und Aktoren ein und verarbeitet sie zu höherwertigen Informationen. Für Lenze ist es sehr wichtig, Teil dieser Steuerungswelt zu sein und damit ein gewichtiges Wort in einer vernetzten Produktion mitreden zu können. Wir treiben dazu in den entsprechenden Organisationen Standards für Daten- und Software-Schnittstellen sowie für die Integration von Maschinenin die Systeme zur Produktionsplanung.

Das Lösungsgeschäft, also antriebstechnische Kombinationen, macht den Großteil des Geschäfts von Lenze aus. Wie ist Ihre Roadmap in Richtung Systemgeschäft?

Dr. Cord: Es gibt heute schon viele Maschinenbauer, die in Sachen Antriebs- und Automatisierungskompetenz auf einen Systempartner wie Lenze vertrauen. Mit dem technologischen Wandel hin zu Industrie 4.0 wird sich deren Anzahl nochmal deutlich erhöhen. Entsprechend sehen wir eine stark wachsende strategische Bedeutung des Systemgeschäfts.

Ein Punkt, der in dieser Hinsicht nicht fehlen darf, ist die Software-Kompetenz. Welchen Stellenwert hat dieser Bereich im Hause Lenze?

Dr. Cord: Die Bedeutung der Software wird in den kommenden Jahren weiter steigen – bei unseren Kunden aber natürlich auch bei uns. Wir haben in den vergangenen Jahren in unsere Engineering-Prozesse, aber auch in die Schlagkraft unserer Mitarbeiter investiert und haben Methoden aus der Welt des klassischen Software Engineerings in die Automatisierung gebracht. Unser Ziel ist es, die Komplexität der Software im Maschinenbau beherrschbar zu machen und auch Engineering-Tools anzubieten, die unsere Kunden entlang ihres gesamten mechatronischen Wertschöpfungsprozesses unterstützen. Heute beschäftigen wir bereits mehr als 40 Software-Ingenieure in unserem Entwicklungszentrum in Indien. Wir machen dies nicht aus Kostengründen, sondern um langfristig ein weiteres Kompetenzzentrum für Software zu etablieren. Indien ist hierfür aufgrund der hervorragenden Ausbildung im Software-Bereich prädestiniert.

Welche konkreten Themen und Trends wird denn die SPS IPC Drives abseits vom Buzzword Industrie 4.0 beschäftigen?

Dr. Cord: Das wird sicherlich die Engineeringeffizienz sein. Hier geht es um Zeit, Kosten und Know-how die treibenden Faktoren für unsere Kunden im Maschinenbau. In Zukunft wird ein ganz wesentliches Kriterium bei der Auswahl von Automatisierungskomponenten und -systemen sein, wie einfach die Handhabung in der Praxis ist.

Was zeigen Sie auf der SPS IPC Drives? Welche Highlights sollte der Messebesucher keinesfalls verpassen?

Dr. Cord: Ich sehe vor allem drei Highlights: Erstens haben wir die Robotik in unseren Software-Baukasten FAST integriert. Hier folgen wir dem großen Trend, Kinematiken direkt in Maschinen zu integrieren, anstatt einen Stand-alone-Roboter daneben zu stellen. Mit FAST muss der Maschinenbauer nicht mehr einzelne Achsen programmieren, sondern bekommt komplette Robotik-Funktionen an die Hand. Zweitens zeigen wir unser neues gestengesteuertes Bediensystem auf IPC-Basis in IP65, das jetzt serienreif ist. Drittens gehen wir den Weg weiter, mechatronische Antriebspakete zu realisieren, die perfekt auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten sind. Aktuell auf der Messe zeigen wir Lösungen für die horizontale Fördertechnik. Fördertechnische Applikationen sind ein wesentlicher Teil unseres Geschäfts und hier wollen wir uns natürlich weiterentwickeln.

Wie sehen Ihre Erwartungen für die Messe aus? Welche Ziele haben Sie sich für die Veranstaltung gesteckt?

Dr. Cord: Im Gegensatz zu einer Branchenmesse, auf der wir unser jeweiliges Lösungsangebot Branche zeigen, präsentieren wir uns auf einer Technologiemesse wie der SPS IPC Drives in voller Breite. Hier sprechen wir die Techniker unserer Kunden an und präsentieren Produkte und Lösungen im Detail. Für mich persönlich ist die Messe aber auch eine Kommunikationsplattform, auf der man nicht nur seine Kunden, sondern das Who ist Who der gesamten Branche trifft.

Lenze SE
http://www.lenze.com

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