Produktivitätssteigerung durch Safe Motion (Teil 2 von 3)

Sichere Maschinenchoreografie

Safe Motion-Lösungen sind stark vom Maschinentyp abhängig. Der erste Teil dieser Artikelserie hat die Bedeutung und erste Voraussetzung für ein effizientes Safe Motion-Konzept in den Fokus gestellt: Anwender müssen das Risiko adäquat beurteilen. So können sie für ihre Maschine ein Sicherheitskonzept finden, das nicht zu Lasten der Produktivität geht. In Teil 2 steht das Thema Produktivitätssteigerung mit Safe Motion-Lösungen nach EN61800-5-2 anhand konkreter Bewegungsbeispiele im Fokus. Wie bewegt sich meine Maschine schnell und sicher?

Unzugängliche Maschinen, lange Wartezeiten und schlechtes Handling sind häufig Gründe für eine reduzierte Produktivität. Sie führt zu Manipulationen an den Maschinen, einfach aus dem eigentlich positiven Verlangen heraus, produktiver zu fertigen. Lösungen mit Safe Motion-Funktionen reduzieren den Einsatz trennender Schutzeinrichtungen. Das macht Maschinen zugänglicher, was nicht nur die Produktivität gewährleistet, sondern letztendlich auch Manipulation vermeiden hilft.

Keine Universallösung

Eine Universallösung für Safe Motion gibt es jedoch nicht: Konzepte müssen entsprechend ihrer Mechanik, ihrer Geschwindigkeit und auch mit Blick auf die notwendigen Betriebsarten jeweils angepasst werden. Nichtsdestotrotz gibt es eine Basisfunktion bei Safe Motion: die sichere Momentenabschaltung Safe Torque off (STO). In modernen Frequenzumrichtern oder Servoumrichtern ist diese Funktion bereits integriert. Abhängig von der Ausführung kann die Performance-Ebene PLd oder PLe erzielt werden. Gegenüber der klassischen Abschaltung, über zwei in Reihe geschalteten Schütze, wird der Zwischenkreis nicht abgeschaltet. Das hat in puncto erhöhte Produktivität Vorteile: Die Lebensdauer der Zwischenkreiskondensatoren nimmt beim Einsatz von STO erheblich zu. In Extremfällen kann z.B. an einem im Zehnsekundentakt betriebener Handeinlegeplatz einer Fügevorrichtung die Lebensdauer der Hardware erhöht werden – mindestens um sechs Monate und bis zu einem Jahrzehnt. Auch ist die Achse nach wenigen Millisekunden wieder verfügbar. Gegenüber der typischen Sekunde sind bei einer Abschaltung über Schütze sind bis zu 10 Prozent höhere Takte möglich.

Erhöhte Produktivität und Qualität

Wichtigste Safe Motion-Funktion ist das Sichere Einrichten oder Beobachten, sprich Observing. Anwendungen wie das Einrichten genauer Positionen an einer Steckerbestückungsmaschine erfordern, dass der Bediener seine Beobachtung bei laufender Maschine direkt an der durchgeführten Bewegung macht. Die dazu eingesetzte Funktion SLS (Safe limited Speed), sichere reduzierte Geschwindigkeit, überwacht, dass eine Bewegung so langsam ist, dass der Bediener rechtzeitig reagieren kann. In der Regel sollte die Funktion SLS in Verbindung mit einem Zustimmschalter eingesetzt werden. Effizienz bringt Produktivitätsvorteile. Eine einfache Möglichkeit zur Produktivitätssteigerung ist die Nutzung der Funktion sichere Bewegungsrichtung SDI (Safe direction), wie z.B. bei Handeinlegeplätzen an Pressen. Für eine größtmögliche Produktivität sind diese oft mit Lichtgittern ausgestattet. Hier ist es zulässig, den Zugang in den Schutzbereich bereits wieder freizugeben, wenn die Presse nach dem Formen in der Aufwärtsbewegung ist. Zwingend notwendig ist, dass es keine Gefährdungen wie Fang oder Scherstellen gibt. Durch die schnellere Entnahme und Neubestückung des Werkstücks kann die Produktivität um ein Drittel erhöht werden. In Verbindung mit sicherer Bremsüberwachung kann eine weitere Verbesserung durchgeführt werden, allerdings nur dann, wenn das Sollwert-Signal ebenfalls sicher verfügbar ist. Diese Funktion erkennt, wenn die notwendige Bremsrampe verlassen wird. In diesem Fall erfolgt eine sofortige Abschaltung und eine Bremse stoppt die Anwendung. Resultat ist ein Stillstand der Anwendung so kurz wie möglich. Vorteil hier: Lichtgitter können näher an die Gefahrenquelle. Die Wege zum Be- und Entladen werden kürzer, die Produktivität steigt. Jedoch ist die Wegnahme des Momentes beim Betreten einer Anlage nicht in allen Fällen sinnvoll. So kann insbesondere bei Anwendungen mit einer Bahnspannung, z.B. bei Großdruckern, ein einfaches Abschalten zu einem Ausschuss für alles im Prozess befindliche Material führen. Die Funktion Sicherer Stop 2 SS2 (Safe Stop 2) und sicherer Betriebshalt SOS (Safe operation stop) sind hier richtig: Sie ermöglichen es, die Anwendung kontrolliert zu stoppen und auch die Zuordnung aller Achsen exakt einzuhalten. So lässt sich nicht nur Ausschuss verhindern, es kann ebenso die Zeit zum Entfernen des Ausschussmaterials und des Neuanlaufs reduziert werden.

Sicher auf und ab

Vertikale oder Federkraft belastete Achsen stellen unter Umständen eine große Gefahr dar. Denn, im Unterschied zu horizontalen oder rotatorischen Achsen entsteht an vertikalen Achsen oft die Gefahr erst, wenn die Leistung, etwa bei einem Not-Halt, weggenommen wird. Die unterschätzte Gefahr vor dem Hintergrund der Schwerkraft: Auch und vor allem Bremsvorrichtungen, die jahrelang gute Dienste geleistet haben, können aufgrund von Verölung, Staub oder mechanischen Defekten einfach durchsacken. Bolzen oder ein Unterbau lösen das Problem, sind aber zeitaufwendig und umständlich. Eine technisch einfache Lösung ist, durch die Kombination Sicherer Betriebshalt SOS (Safe operation Stop) und einer zyklisch getesteten, Sicheren Bremsentest SBT (Safe brake test) und Sicher angesteuerten Bremse SBC (Safe bake control) eine redundante Sicherheit zu gewährleisten. Gegebenenfalls kann sogar auf eine zweite Bremse verzichtet werden, was wiederum Investitionskosten einspart. So lässt sich ohne Unterbau bzw. Bolzen beispielsweise an einer Lackieranlage eine Produktivitätssteigerung von bis zu 10 Prozent erreichen.

Positionsbestimmung

Relativ neu, dennoch sehr effizient, ist die Funktion Sicher begrenzte Position SLP (Safe limited Position). Mit dieser kann z.B. bei einer Roboterapplikation ein Bereich zum Beladen, ein Bereich für das eigentliche Handling und einer für das Entladen definiert werden. Betritt ein Werker den Bereich zum Beladen, wird der Roboter in Kombination mit der sicheren Drehrichtung in wenigen hundert Millisekunden aus dem Bereich herausgefahren. Während der Roboter im eigentlichen Arbeitsbereich seinen Tätigkeiten nachgeht, kann der Werker die Maschine neu beladen. Ähnlich kann das fertige Gut entladen werden. Da der Roboter ohne Stillstandzeiten produziert, ist ergo die Produktivität erhöht. Je nach Maschinentyp und Applikation kann die Produktivität um bis zu 20 Prozent gesteigert werden.

Lösung für viele Bereiche

Mit der Safe Motion-Lösung im kombinierten Steuerungs-Antriebskonzept Pilz Motion Control (PMC) steht eine Lösung zur Verfügung, die anwendungsspezifische Lösungen ermöglicht. Dabei handelt es sich um die Kombination der Sicherheitskarte PMCprotego S und des Servoverstärker PMCprotego D von Pilz. Der Verbund von Antrieb und Sicherheit gewährleistet mit Bewegungs-, Stopp- und Bremsenfunktionen die Sicherheit des Werkers bei Bedienung, Rüsten, Formatwechsel oder Wartung und erhöht gleichzeitig die Produktivität. Anwender profitieren von dynamischen, kurzen Reaktionszeiten, einfacher und schneller Inbetriebnahme und Bedienung sowie höchstes Sicherheitslevel mit nur einem Geber. Alle Sicherheitsfunktionen mit PMCprotego DS erfüllen die Anforderungen der Maschinenrichtlinie auf Basis der IEC61800-5-2 und sind ausgelegt bis PLe nach ISO13849-1. Durch die flexiblen Schnittstellen ist eine Integration der sicheren Servoantriebstechnik von Pilz unkompliziert in bestehende Maschinen oder Anlagen möglich. Safe Motion erlaubt es, Maschinen produktiver und bedienungsfreundlicher zu gestalten. Es gibt aber keine Universallösung. Denn die Unterschiedlichkeit der Maschinen im Markt, die verschiedene Anforderungen an Safe Motion stellt, erfordert anpassungs- und wandlungsfähige Lösungen. Wenn, wie bei PMC, mit einer Safe Motion-Lösung unterschiedliche Anwendungsfälle flexibel abgedeckt werden können, bringt dies für den Anwender entsprechende Vorteile.

Pilz GmbH & Co. KG
http://www.pilz.com

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