Realitätscheck

Inwieweit ist Industrie 4.0 heute bereits Realität?
Immer wieder tauchen derzeit die Begriffe Industrie 4.0 oder Cyber-Physical Systems (CPS) auf. Der Artikel zeigt, wie die prinzipiellen Ideen dahinter funktionieren, wirft einen Blick über den Tellerrand dieser Visionen hinaus und betrachtet, in welchen Bereichen ähnliche Ansätze bereits Erfolg hatten.

Ein Ursprung von Industrie 4.0 liegt sicherlich in der Einführung von CIM (Computer Intelligence Manufacturing) durch Joseph Harrington in den 1980er-Jahren. Er ging auf Synergieeffekte durch die Vernetzung verschiedener EDV-Insellösungen ein, darunter CAD, NC und CAM. In der Vision von Industrie 4.0 wird diese Idee sehr viel weitergeführt. Dabei sind alle Bestandteile einer Wertschöpfungskette mit Intelligenz ausgestattet – angefangen bei Produktionsanlagen, über Testsysteme bis hin zum Produkt selbst. Dies führt dazu, dass die gesamte Wertschöpfungskette intelligent vernetzt ist. Produkte lassen sich so leicht individualisieren und benötigte Materialien kommen automatisch nach dem Just-in-Time-Prinzip an der flexiblen Produktionsstraße an. Das Beispiel zeigt, dass Industrie 4.0 die Automatisierung auf eine völlig neue Stufe führen wird. Was bedeuten aber dies im Detail für die einzelnen Systeme und welche Vorteile können wir aus den Entwicklungen ziehen? Smart Grids sind eines der schönsten Beispiele für die Evolution eines Systems nach dem Vorbild von Industrie 4.0. Dabei handelt es sich, wie der Name schon vermuten lässt, um ein intelligentes Stromnetz. Die Intelligenz liegt dabei in verteilten und vernetzten Systemen, die die Umgebungsbedingungen, erzeugte oder verbrauchte Leistung und vieles mehr von Verbrauchern, Erzeugern oder Übertragungseinrichtungen im Netz erfassen, verarbeiten und diese Daten durch ein Netzwerk weitergeben. Ganz im Sinne von Industrie 4.0 sind hier Embedded-CPS vernetzt. Durch diese Daten lässt sich das Netz intelligent steuern und überwachen. Der Schlüssel von Industrie 4.0 liegt also grundsätzlich im Detail bei den intelligenten Embedded-Systemen von heute und morgen.

Ruf nach Standardisierung

Bei dem Gedanken an eine ganzheitliche Vernetzung wird aber zunächst der Ruf nach Standardisierung laut. Im Moment ist jedoch fraglich, ob sich die vielen verschiedenen Hersteller auf einen einheitlichen Standard in der Kommunikation ihrer verschiedenen Hardware-Systeme einigen können. Dies wirft die Frage auf, welche Entscheidungen Entwickler für die Zukunft treffen sollten. Ist es besser, zu warten bis Standards für die Vernetzung im Sinne der neuen Visionen gefunden sind und damit den Wettbewerbern einen zeitlichen Vorteil zu gewähren? Oder sollten die neuen Trends sofort aufgegriffen werden, mit dem Risiko eventuell auf einen falschen Standard zu setzen? Sicherlich führt der Mittelweg zum Erfolg: der Einsatz flexibler und modularer Hardwaretechnologie.

Anforderung ans CPS-Design

Durch den modularen Aufbau lassen sich die Bestandteile eines Systems, die für die Vernetzung verantwortlich sind, leicht austauschen. Hier spielt vor allem die Software eines CPS eine entscheidende Rolle. Diese muss modular so aufgebaut sein, das sich die für die Kommunikation verantwortlichen Teile des Programms leicht austauschen lassen. Fassen wir die Anforderungen an die Bestandteile aktueller Hard- und Software für das Design von Cyber-Physical Systems im Sinne von Industrie 4.0 nochmals zusammen. Die Systeme müssen drei Bestandteile abdecken: Anbindung physikalischer Signale, intelligente Verarbeitung und Vernetzung der Systeme. Die Komponenten müssen dabei von der Software bis zur Hardware modular aufgebaut sein. Bei all diesen Anforderungen stellt sich die Frage, wie überhaupt noch Zeit in die Lösung der eigentlichen Aufgabe investiert werden kann, anstatt in das Systemdesign. National Instruments verfolgt seit Jahren den Gedanken des Graphical System Design. Dabei abstrahiert ein grafischer Programmieransatz komplexe Anforderungen an die verschiedenen Applikationen. Die Entwicklungsumgebung bringt hierfür alles mit und vereint die benötigten Werkzeuge in einer Oberfläche. Dazu zählt die Verarbeitung und Analyse von Daten mittels mathematischer Algorithmen und Funktionen, die Gestaltung von Benutzeroberflächen zur Kommunikation mit dem Bediener, die Anbindung physikalischer Signale und Sensoren, der Einsatz verschiedener \’Models of Computation\‘, die Adressierung verteilter Zielgeräte und das Ansprechen neuester kommerzieller Technologien. Beim Einsatz von standardisierten Architekturen im Sinne des Graphical System Design lassen sich einzelne Code-Bestandteile ohne viel Aufwand ersetzen, sodass in kurzer Zeit z.B. die API für die Kommunikation über einen Bus ausgetauscht werden kann. Hier zeigt sich, dass intelligente, eigenständige und vernetzte Module besonders gut geeignet sind, um komplexe, flexible und leicht wartbare Gesamtsysteme zu erstellen. In der Informatik ist seit Jahren der Akteur eine etablierte Architektur. Dabei wird ein Teilaspekt einer Anwendung separiert betrachtet. Dieser separierte Code-Abschnitt muss zum einen alles Nötige für die eigene Ausführung aufweisen, z.B. einen eigenen Speicherbereich, alle benötigten Parameter, Variablen und genug Systemressourcen, um von allen anderen Prozessen unabhängig, sprich parallel, ausgeführt zu werden. Zum anderen muss der Codeabschnitt weitgehend unabhängig von anderen Prozessen sein. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn man in einer Applikation einen Anwendungsteil für die Kommunikation im Sinne eines Akteurs erstellt haben, muss man diesem nur die zu übertragenden Daten und den Befehl ´Start´ mitgeben. Der Akteur kümmert sich dann eigenständig um die Übertragung und gibt lediglich eine Nachricht für die abgeschlossene Übertragung oder einen möglichen Fehler zurück. Solche Systeme zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität aus, da Akteure und deren Kommunikationsmethoden es ermöglichen, Bestandteile der Software leicht wiederzuverwenden oder zu tauschen. Mit solchen Ansätzen kann auch softwareseitig der steigenden Komplexität begegnet werden. Dabei steht der Entwickler nicht alleine vor solchen Implementierungsherausforderungen. Auch im Falle von LabView nimmt ihm ein Akteur-Framework einiges an Arbeit ab.

Anforderungen an die Hardware

Auch die Hardware muss den Anforderungen Folge leisten. Sei es bei der Erstellung von Prototypen, im Testbereich oder bei Embedded-Plattformen als Bestandteil des Endproduktes – überall hat ein modularer plattformbasierter Ansatz Vorteile. Bei der Hardware lassen sich so problemlos verschiedene Bussysteme austauschen, die Rechenleistung an neue Technologien anpassen oder die Signalkonditionierung für neuartige Sensoren wechseln. Auch hier verfolgen einige Hersteller seit Jahren einen modularen Ansatz. Es gibt verschiedenste Plattformen, die sich durch eine ständige Weiterentwicklung und Anpassung an neue Gegebenheiten seitens des Herstellers auszeichnen. Bei jeder neuen Hard- bzw. Softwaregeneration ändert sich für den Programmierer augenscheinlich nichts. Dennoch werden im Hintergrund Treiber an neue Betriebssysteme angepasst, neue Softwaretechnologien integriert oder neue Hardwaretrends, wie die Verbindung von Prozessor und FPGA auf einem Chip, in das bestehende Produktportfolio integriert. Um all diese Punkte müssen sich Systemdesigner von heute und morgen nicht mehr kümmern, sondern können sich ganz auf die eigentliche Aufgabenstellung konzentrieren. Wichtig ist es jedoch, global zu denken. Nicht nur die einzelnen Produkte werden immer mehr zu vernetzten Systemen. Auch die Testsysteme in den Produktionsanlagen müssen nach der Vision von Industrie 4.0 und dem Vorbild eines CPS aufgebaut sein, um aus allen Daten ein einheitliches Bild zu erhalten. So lassen sich z.B. Systemfehler, die im Alltag mit einem Produkt auftreten, schnell mit den erfassten Fehlern in der Produktion vergleichen. Es entstehen völlig neue Möglichkeiten, Erkenntnisse über Produkte zu gewinnen.

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National Instruments Germany GmbH
http://www.ni.com

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