LinkedIn Logo YouTube Logo
ANZEIGE

Neue Norm IEC61850 für Schaltanlagen: Direkt mit anderen Geräten und Bereichen kommunizieren

Der Kosten- und Zeitaufwand, der während des Engineering-Prozesses und Betriebs einer Schaltanlage anfällt, lässt sich nur dann reduzieren, wenn die Geräte unterschiedlicher Hersteller reibungslos zusammenarbeiten. Auf Basis des objektorientierten Ansatzes des neuen Standards IEC61850 mit genormten Datenmodellen, definierten Schnittstellen sowie einer einheitlichen Konfigurationssprache kann das Ziel erreicht werden.

Früher wurden Schaltanlagen mit einer autonomen Gerätetechnik ausgestattet, sodass die einzelnen Komponenten nicht miteinander kommunizieren konnten. Daran änderte sich auch Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Master-Slave Kommunikation in zentral aufgebauten Systemen nichts. Ende der 1990er-Jahre kamen dezentralisierte Lösungen mit einer hierarchischen Kommunikationsstruktur in der Automatisierungstechnik auf. Sie wurden Anfang des neuen Jahrtausends durch verteilte Systeme abgelöst, die untereinander über eine Netzwerk-basierte Peer-to-Peer-Kommunikation verbunden sind. Bei allen Entwicklungsschritten wurde und wird eine herstellerspezifische Gerätetechnik mit proprietären Schnittstellen und Protokollen verwendet, sodass die Datenstrukturen und -formate der verschiedenen Hersteller inkompatibel sind. Standardisierte Kommunikation Mit der Norm IEC61850 werden die Kommunikation und der Engineering-Prozess standardisiert, sodass die Anwender nicht mehr von einem Hersteller abhängig sind und sich die Schnittstellen-Vielfalt reduziert. Durch die Nutzung von Internet-Technologien können darüber hinaus alle berechtigten Personen jederzeit und überall auf die Informationen zugreifen. Zu diesem Zweck werden intelligente elektronische Geräte – auch als IED (Intelligent Electronic Device) bezeichnet – eingesetzt, die über Ethernet miteinander kommunizieren. Aufgrund hoher Übertragungsraten stehen dem Anwender mehr Echtzeitdaten und Funktionen zur Verfügung. Wenn alle Komponenten der Norm entsprechen, ist eine durchgängige Kommunikation von der Prozess- über die Feld- und Stations- bis zur Netzleitebene möglich. Aufgrund der Interoperabilität, Kompatibilität und Zuverlässigkeit rechnet sich der Aufwand für IEC61850-konforme Geräte, denn die Schaltanlagen sind auch für zukünftige Anforderungen gerüstet. Objektbezogene Beschreibung Die von der International Electrotechnical Commission erarbeitete IEC61850 ist in zehn Teile gegliedert. In der Norm sind die Anforderungen an die Geräte und die Kommunikation festgeschrieben, die in Systemen der Schutz- und Leittechnik elektrischer Schaltanlagen genutzt werden. Die Norm definiert vor allem: – allgemeine Festlegungen für Schaltanlagen – die wichtigsten Informationen für Funktionen und Geräte den Informationsaustausch zum Schutz sowie zur Überwachung, Steuerung und Messung der Schaltanlagen sowie – die Kommunikationsschnittstelle und die Konfigurationssprache. Die IEC61850 zielt darauf ab, sämtliche Funktionseinheiten innerhalb einer standardisierten Schaltanlage mithilfe Herstellerunabhängiger Objektmodelle zu beschreiben. In diesem Punkt unterscheidet sie sich im Wesentlichen vom Datenmodell der IEC60870-5-104, die signalorientiert aufgebaut ist. Zur Identifikation verwendet die IEC61850 den Namen des Objekts im Klartext. Die Objekte sind selbst beschreibend, das heißt ihre Struktur wird mit dem Objekt im Telegramm übertragen. Die Norm erfüllt somit alle Anforderungen der Stationsautomatisierung. Das betrifft sowohl die Kommunikationsstrukturen als auch das streng objektbezogene Datenmodell. Die IEC61850 ist aber so allgemein ausgelegt, dass sie auf viele andere Automatisierungsanwendungen übertragen werden kann (Bild 2). Direkter Datenaustausch Für den Datenaustausch nutzt die IEC61850 vor allem TCP/IP sowie MMS (Manufacturing Messaging Specification) zur Client-Server-Kommunikation. Da auf die aus der Informationstechnologie sowie der Industrial-Ethernet-Vernetzung bekannten Technologien zurückgegriffen wird, werden auch deren Strukturen verwendet. Ein wesentliches Merkmal ist dabei, dass grundsätzlich jedes im Netzwerk eingesetzte Gerät mit jeder anderen Komponente ohne Umwege kommunizieren kann. Somit ist es möglich, die Informationen direkt zwischen den unterschiedlichen Bereichen wie der Netzleitstelle, den Primär- und Hilfseinrichtungen, Schutzgeräten oder dem Bediener auszutauschen. Hohe Kommunikationssicherheit Müssen in der Schaltanlage zeitkritische Daten übertragen werden, lässt sich dies über GOOSE-Nachrichten (Generic Object Oriented Substation Events) realisieren. Um den Echtzeit-Anforderungen zu genügen, werden die generischen Ereignisse systemweit per Broad- oder Multicast zyklisch in festgelegten Zeitintervallen (2s) versendet. Eine Wertänderung wird sofort mit einem steigenden Zeitintervall (1, 10, 20ms bis hin zu 2s) weitergeleitet. Obwohl es sich um einen unbestätigten Datenaustausch handelt, ist die Kommunikationssicherheit durch die zyklische Übertragung hoch, und der jeweils aktuelle Zustand eines Gerätes ist im ganzen System bekannt. Hierarchischer Aufbau Der Aufbau der intelligenten elektronischen Geräte (IED) ist streng hierarchisch (Bild 3). Das Datenmodell beginnt mit einem physikalischen Gerät (Physical Device – PD), das mit dem Netzwerk verbunden ist und durch die Netzwerkadresse bestimmt wird. Im PD können ein oder mehrere logische Geräte (Logical Device – LD) implementiert sein. Die LD fassen Funktionen zusammen, die Gemeinsamkeiten in der Datenidentifikation und Zustandsbehandlung haben. Die Namen der logischen Geräte sind dabei nicht genormt und werden nach der Funktion vergeben, beispielsweise \’Trenner1\‘. Jedes LD verfügt über mehrere logische Knoten (Logical Node – LN), die alle Informationen über Teilfunktionen der logischen Geräte enthalten. Jeder LN umfasst wiederum ein oder mehrere eindeutig bezeichnete Datenobjekte, welche den anwendungsspezifischen Inhalt der logischen Knoten beschreiben. Die Datennamen sind durch die Norm festgelegt und beziehen sich jeweils auf ihre funktionale Verwendung im Netzwerk (Bild 4). Reduzierter Engineering-Aufwand Das objektorientierte, hierarchisch aufgebaute Datenmodell ist die Grundlage für ein vereinfachtes Anlagen-Engineering. Da auf vordefinierte Funktionseinheiten zurückgegriffen wird, müssen die Anlagen nicht aufwendig dokumentiert werden. Aufgrund der Klartextbeschreibung der Mess- und Statuswerte einschließlich Einheit und Multiplikator wird der aktuelle Zustand der Anlage sofort und eindeutig erkannt. Durch die Verwendung von IEC61850-fähigen I/O-Geräten mit der jeweils benötigten Funktionalität lässt sich die Kommunikation einfach in Schaltanlagen integrieren. Die Geräte werden je nach Einsatzort zum Beispiel als Leistungsschalter XCBR, Standard-I/O-Gerät GGIO oder in einer anderen Funktion konfiguriert und anschließend in der Schaltanlage genutzt. Die lange Lebensdauer der Systeme innerhalb einer Station ermöglicht neben der Verwendung in Erstausrüstungen auch die Migration von älteren Anlagen in ein IEC61850-konformes System.

Thema: Allgemein
Ausgabe:
Phoenix Contact Deutschland GmbH
http://www.phoenixcontact.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Stöber Antriebstechnik GmbH & Co. KG
Bild: Stöber Antriebstechnik GmbH & Co. KG
Auf Nummer sicher

Auf Nummer sicher

Stöber präsentiert in Nürnberg ein neues Safety-Modul für Antriebsregler, mit dem sich Sicherheitsfunktionen Niveau frei kombinieren lassen sollen. Auch die neueste Reglerbaureihe ist auf dem Messestand zu sehen. Ein weiteres Highlight ist eine neue einstufige Winkelgetriebegeneration, die deutlich höhere Drehzahlen am Abtrieb und einen größeren Übersetzungsbereich ermöglichen soll.

mehr lesen