Mehr Sicherheit für die industrielle Robotik

Visuelle Überwachung von Roboterarbeitsräumen
In der heutigen industriellen Produktion nimmt die Komplexität der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine stetig zu. An hochtechnisierten Industriearbeitsplätzen entstehen immer häufiger kritische Situationen, die zu schweren Arbeitsunfällen führen können. Um diese Situationen zu verhindern und ihre Zahl zu minimieren, sind bereits vielfältige Sicherheitstechnologien im Einsatz. Eine Absperrung des kritischen Bereiches senkt zwar das Gefahrenpotenzial für die Mitarbeiter, schränkt jedoch auch die erforderlichen Interaktionsmöglichkeiten erheblich ein. Gefragt sind deshalb intelligente, barrierefreie Sicherheitslösungen für den industriellen Bereich, um sowohl sicher als auch gleichzeitig effizient zu automatisieren.

Flexibel einsetzbare Maschinen und zunehmend autonom arbeitende Roboter übernehmen in der automatisierten industriellen Fertigung immer mehr und vor allem auch immer komplexere Aufgaben: Sie arbeiten in für den Menschen gefährlichen Umgebungen; sie löten, schweißen und schrauben Bauteile präzise zusammen; sie transportieren tonnenschwere Werkstoffe und Fertigprodukte oder stapeln, palettieren und verpacken alles, was die Produktionshallen verlässt. Daher nimmt auch ihre Anzahl stetig zu. Deutschland gehört zusammen mit Japan und Südkorea zu den Ländern mit der höchsten Roboterdichte. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist das enorme Platzproblem in den Fabrikhallen: Elektronische Arbeitsmaschinen und das zuständige Fachpersonal kommen sich an Montagebändern und Roboterstraßen zunehmend in die Quere, was zu einem erhöhten Unfallrisiko für die Beschäftigten führt. Schwer einsehbare Arbeitsbereiche, Material- oder Produktstapel und dadurch entstehende tote Winkel bergen das größte, aber nicht das einzige Gefahrenpotenzial. Der Einsatz intelligenter Sicherheitssysteme, die auch bei höherer Qualität und Quantität eingesetzter Roboter für mehr Schutz sorgen, ist deshalb von enormer Bedeutung.

Arbeitsunfälle und unnötige Produktionsstopps verhindern

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Ilmenau arbeiten seit Jahren aktiv daran, die Sicherheit bei der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zu erhöhen. Im Rahmen einer Forschungs- und Entwicklungskooperation ist ein modulares Set von \’4Save\‘-Technologien entstanden, die helfen, die Überwachung im gesamten Arbeitsraum zu optimieren. Das Institut hat diese Bausteine gemeinsam mit Thüringer Unternehmen im Verbundprojekt \’BildRobo\‘ des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) entwickelt. Das Set besteht aus dem Simulations-Tool \’Sim4Save\‘, der kooperativen Softwareplattform \’Link4Save\‘ und dem neuen visuellen Überwachungssystem \’Eye4Save\‘ des Zentrums für Bild- und Signalverarbeitung e. V. Ilmenau (ZBS). Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten erhöht nicht nur die Sicherheit, sondern gleichzeitig auch die Effizienz robotergestützter Arbeitsplätze. Oftmals reicht allein schon die Gefahr einer Kollision aus, um Produktionsstopps zu veranlassen. Diese unnötigen Unterbrechungen in der Produktion auf ein Minimum zu reduzieren und ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten ist Anliegen der interdisziplinären Forschung.

Aktives Eingreifen in die Robotersteuerung senkt Gefahrensituationen

Kern des neuen Sicherheitssystems ist die Softwareplattform Link4Save (Bild 1). Sie sammelt und analysiert in Echtzeit Informationen von visuellen, akustischen oder taktilen Überwachungssystemen. Wird eine akute Gefährdung erkannt, stoppt ein ausgesandtes Signal die Maschinen, noch bevor es zu einer Kollision kommt. Denn oft sind es schon kleine Unachtsamkeiten der Mitarbeiter, die zu schweren Unfällen beim Umgang mit Robotern führen können. Das System Link4Save kontrolliert genau, wie sich die einzelnen Maschinen bewegen bzw. ob sie sich an den vorausberechneten Positionen befinden. Link4Save schreitet ein, wenn der Sicherheitsabstand zwischen Mensch und Roboter unterschritten wird. Die Reaktion reicht in Abhängigkeit von Kraft und Geschwindigkeit der arbeitenden Maschine von akustischen Warnsignalen über ein Verlangsamen der Prozesse bis hin zum sofortigen Stopp des Roboters. Die an Link4Save gekoppelten Überwachungssysteme sind aus Sicherheitsgründen redundant ausgelegt und agieren auf unterschiedlichen \’Sinnesebenen\‘. Sie repräsentieren Elemente einer visuellen, akustischen oder taktilen Sensorik. Je unterschiedlicher die Systeme sind, desto höher ist das Sicherheitsniveau.

Visuelle Überwachung ermöglicht unmittelbare Mensch-Maschine-Kooperation

Eine neu entwickelte Komponente der 4Save-Technologien ist das visuelle 3D-Überwachungssystem Eye4Save. Eye4Save verarbeitet die Bilder von Kamerapaaren, die das Szenario aus verschiedenen Perspektiven erfassen. In der Standardkonfiguration werden vier Kamerapaare eingesetzt, die in den Raumecken montiert sind und das Szenario aus einer schrägen Aufsicht beobachten. In Analogie zum menschlichen räumlichen Sehen werden aus jedem der Kamerapaare Tiefeninformationen gewonnen. Diese liefern die Basis, um Objekte in der Werkhalle anhand ihres Abstandes zur Kamera vom Hintergrund zu unterscheiden. Die Wahrnehmung von Objekten im Raum beruht auf der Analyse dieser Tiefeninformationen in Kombination mit aufgenommenen Farbwerten des Hintergrundes. Als Referenz dient ein im Vorfeld für jedes Stereokamerapaar angelerntes distanzbasiertes und farbadaptives Hintergrundmodell. Die aus den verschiedenen Perspektiven erkannten Vordergrund-Objekte werden zusammengeführt und in Form ihrer visuellen Hüllen dreidimensional abgebildet. Je mehr Kameras ein Objekt sehen, desto besser nähern sich die Hüllen der tatsächlichen Objektform an. Für den Fall, dass eine Kamera ein Objekt nicht komplett erkennt, da es durch andere Objekte verdeckt wird, bleibt die Hülle entsprechend groß. Dadurch werden Verdeckungen immer zugunsten der Sicherheit behandelt. Verdecken sich Objekte gegenseitig, führt dies im Zweifelsfall zu einer verfrühten Kollisionswarnung.

Optimale Raumüberwachung mit Sicherheitstechnik

Die optimale Anzahl an Kameras und Sensoren sowie deren ideale Position und Ausrichtung werden vorab mithilfe des Simulations-Tools Sim4Save interaktiv ermittelt (Bild 2). Dieses Werkzeug simuliert die Werkhalle dreidimensional und sorgt für eine optimale Ausstattung des gesamten Arbeitsbereiches mit Sicherheitstechnik. Oft behindern verdeckte Objekte oder zu hohe Entfernungen die Qualität der Kameraaufnahmen. Diese Situationen werden bei der Simulation berücksichtigt. Mit Sim4Save gehören tote Winkel oder schlecht einsehbare Arbeitsbereiche der Vergangenheit an.

Flexibel einsetzbar

Die 4Save-Technologien sind als Baukasten ausgelegt und können daher sowohl im Verbund als auch einzeln eingesetzt werden. Während Architekten und Planer neuer Werkhallen Sim4Save als separate Dienstleistung nutzen können, arbeitet die Plattform Link4Save auch ohne die weiteren Elemente der 4Save-Toolbox, nicht aber ohne vorgeschaltete Sensorik. Eye4Save kann an Link4Save gekoppelt, aber auch plattformunabhängig betrieben werden.

www.idmt.fraunhofer.de

www.zbs-ilmenau.de

Fraunhofer-Institut f. Digi. Medientechn. IDMT
http://www.fraunhofer.de

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