Beginnend mit dem Faustkeil haben Menschen schon immer versucht, sich mittels Werkzeuge die tägliche Arbeit zu erleichtern. Lange Zeit war jedoch die menschliche Muskel- und Geisteskraft erforderlich, um solche Werkzeuge zielgerichtet einzusetzen. Erst mit dem Beginn der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts wurden Maschinen mithilfe von Wasser- oder Dampfkraft statt menschlicher oder tierischer Muskelkraft angetrieben, seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dann auch mithilfe elektrischer Antriebstechnik. Die \’Steuerung\‘ von Maschinen erfolgte zunächst mechanisch, beispielsweise durch eine Königswelle. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann die Einführung programmierbarer Steuerungen, was der Produktionstechnik eine neue Flexibilität verlieh. Für eine wirkliche Flexibilisierung der Produktion, mussten auch die Maschinen selbst flexibler werden. Es ist somit kein Zufall, dass etwa zur selben Zeit Industrieroboter in die Produktionsanlagen Einzug hielten. Mit ihrer Hilfe lassen sich Werkzeuge (z.B. Schweisszangen oder Greifer) flexibel in allen sechs Freiheitsgraden bewegen. Was jedoch auch bei dieser \’Industrie 3.0\‘ bis heute noch fehlt, ist die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit zwischen Mensch und Maschine bzw. zwischen Maschine und Maschine. Genau dies verspricht das \’Update\‘ von \’Industrie 3.0\‘ auf \’Industrie 4.0\‘.
Praktisches Szenario
Doch was bringt dieses \’Update\‘ in der Praxis? Angenommen, ein mittelstän-discher Produktionsbetrieb erhält einen dringenden Produktionsauftrag. Eine der Produktionsmaschinen, die für diesen Auftrag benötigt wird, stellt selbst fest, dass sie mit dem aktuellen Auftrag noch bis Ende der Woche ausgelastet sein wird. Mit dem neuen Auftrag kann also frühestens am Samstag begonnen werden. Über ihr Smart-Phone melden sich die Mitarbeiter, die prinzipiell an diesem Samstag arbeiten können. Neben Menschen und Maschinen müssen aber auch die benötigten Werkzeuge und Materialien bereitstehen. Ein Roboter, der für die ursprünglich produktionsfreie Zeit am Samstag bereits einen Service-Techniker und ein neues Getriebe bestellt hat, dirigiert beides auf die nächste Produktionspause um. Die zu produzierenden Werkstücke \’kennen\‘ zwar ihre eigene Geometrie, ihren Werkstoff und die Arbeitsschritte, die mit ihnen durchzuführen sind, und teilen dies auch den jeweiligen Maschinen mit. Die eigentliche Prozess-Durchführung, die das Werkstück von einem Start- in einen Zielzustand überführt, ist aber Aufgabe der jeweiligen Maschine. So muss beispielsweise ein Roboter selbst erkennen, dass ein benötigtes Werkzeug nicht vorhanden ist, und dies dann selbsttätig im Internet bestellen, sodass es bis zum Produktionsbeginn am Samstag verfügbar ist. Ebenso muss sich der Roboter die benötigten Prozessparameter zur Bearbeitung des Werkstücks aus einer entsprechenden Datenbank im Internet besorgen.
Selbstorganisierte Produktion
Das Beispiel zeigt, wie eine wandlungsfähige, hochflexible, sich in Teilen selbstorganisierende Produktion ermöglicht wird, die sich in kurzer Zeit auf unterschiedlichste Marktanforderungen einstellen kann. So wird eine ebenso stückzahl- wie auch variantenflexible Produktion ermöglicht, wie sie bei immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen und immer größerer Variantenvielfalt längst gefordert ist. Doch welche Technologien werden benötigt, um dieses Szenario Realität werden zu lassen? Aus Sicht der Informationstechnik sind heute bereits viele Technologien verfügbar, etwa Service-orientierte Architekturen (SOA) mit in sich gekapselten Software-Diensten, welche über ein Netzwerk miteinander kommunizieren und sich erst zur Laufzeit organisieren. Die einzelnen Software-Services können so gemeinsam Aufgaben erfüllen, an die der Programmierer zum Erstellungszeitpunkt noch gar nicht gedacht hat. Die Übertragung dieser Konzepte aus der Welt der \’Bits und Bytes\‘ in die harte Realität gestaltet sich jedoch als nicht ganz so einfach. Schließlich bedeutet dies, dass Automatisierungskomponenten erst zur Laufzeit gemeinsam eine Aufgabe erfüllen, welche die Konstrukteure und Programmierer zum Zeitpunkt ihrer Entwicklung noch gar nicht vorhersehen konnten. So müssen etwa zwei Steuerungen miteinander Informationen austauschen können (und zwar auf syntaktischer und semantischer Ebene), die zum ersten Mal in einem Produktionsumfeld aufeinandertreffen. Dies ist nur durch Festlegung und Einhaltung von Kommunikationsstandards möglich.
Flexibler Roboter
Einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu Industrie 4.0 bilden sicherlich Industrieroboter als die flexible Automatisierungskomponente schlechthin. Roboter können Werkzeuge wechseln und diese frei und ggf. sensorgeführt durch den Raum bewegen. Was fehlt also noch? Während Industrieroboter flexibel hinsichtlich ihrer Bewegung sind, sind sie noch unflexibel bezüglich ihres Einsatzortes: Sie sind meist am Hallenboden festgedübelt und durch einen starren Schutzzaun von der Umgebung abgetrennt. Benötigt werden stattdessen Roboter, die sich dorthin bewegen können, wo sie gebraucht werden. Hierfür sind kleine, leichte, energiesparende Roboter von Vorteil, welche auf mobilen Plattformen mithilfe von Umgebungs-Scannern frei (d.h. ohne feste Spurführung) navigieren können und dabei keine Menschen gefährden, denen sie unterwegs begegnen. Die mobilen Plattformen müssen idealerweise auf engster Produktionsfläche manövrieren können. Hierfür sind besonders omnidirektionale Plattformen geeignet. In bestimmten Industrien müssen auch Schwerlast-Roboter bewegt werden können, beispielsweise zur Bearbeitung großer Flugzeugteile oder Rotorblätter von Windkraftanlagen. Hier ist es einfacher, den Roboter zum Werkstück zu bewegen als umgekehrt.