Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Industrieunternehmen ihre Produktivität steigern, effizienter arbeiten und ihre Flexibilität erhöhen. Eine dafür erforderliche ressourcenschonende Produktion, flexible Großserienfertigung (Mass Customization) und die optimierte Integration von Anwendern und Geschäftspartnern in Wertschöpfungsprozesse erfordern den Einsatz neuartiger industrieller Hard- und Software. Das sind zentrale Punkte, an denen die Vision Industrie 4.0 ansetzt. Nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung steht nun die umfassende Vernetzung dezentraler Produktionstechniken mit eingebetteten Steuerungen an.
Cyber-Physische Systeme – die Bausteine von Industrie 4.0
In der Industrie 4.0 werden Produkte, Transportmittel, Werkzeuge oder Maschinen zu Cyber-Physischen Systemen (CPS) – also zu miteinander vernetzten, intelligenten Objekten, die über internetbasierte Technologien miteinander kommunizieren und – nach vom Menschen vorgegebenen Regeln – selbstständig den jeweils optimalen Produktionsweg ermitteln. Das zu fertigende Produkt hat dabei alle Informationen über seine erforderlichen Produktionsschritte und kommuniziert mit den vorhandenen Produktionseinrichtungen, welche Bearbeitungsstation den nächsten Fertigungsschritt ausführen kann. Die \’intelligenten\‘ und selbstorganisierten Produktionseinrichtungen handeln nun ihrerseits untereinander aus, welche Bearbeitungsstation den Auftrag übernimmt. Dafür benötigen die CPS neben den Informationen wie Auslastung, Verfügbarkeit oder notwendige Werkzeugwechsel auch Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette, wie beispielsweise anstehende Aufträge oder Materialverfügbarkeit (Bild 2).
Virtuelles und aktuelles Abbild Cyber-Physischer Systeme
Schaut man sich ein CPS etwas genauer an, so besteht dieses aus einem physischen Teil und einem Cyberteil. Am Beispiel einer Maschine wäre das digitale, virtuelle Abbild der Maschine der Cyberanteil, während die reale, anfassbare Maschine dem physischen Teil entspricht. Das virtuelle Abbild enthält alle Informationen über die Maschine wie etwa mechanische Konstruktion, Elektrik, Automatisierung, Produktionsdaten, Wartung und Service. Diese Informationen werden in Form des virtuellen Abbildes immer auf dem aktuellen Stand gehalten und über den gesamten Lebenslauf der Maschine kontinuierlich mit allen erforderlichen Informationen weiter angereichert. Die Geburtsstunde des virtuellen Abbilds beginnt beim Design einer neuen Maschine. Hier werden zunächst vorrangig Daten über die Mechanik erzeugt. Im Laufe der weiteren Lebensphasen wie Engineering, Inbetriebnahme, Betrieb und Wartung/Service kommen schrittweise zusätzliche Informationen hinzu. Jede Produktionseinrichtung hat damit ihr aktuelles virtuelles Abbild. In Summe ergeben die einzelnen virtuellen Abbilder dann das virtuelle Abbild der gesamten Produktionsanlage (Bild 3). Dies ermöglicht, zu jedem Zeitpunkt einen ganzheitlichen Ist-Zustand über die Anlage zu bekommen. Modernisierungen oder Anpassungen an neue Produkte sind schneller und aufwandsärmer realisierbar. Eine Cyber-Physische Produktionseinrichtung besitzt mit ihrem virtuellen Abbild auch das Wissen über ihre Integration in die gesamte Produktionsanlage. Das führt dazu, dass während der Inbetriebnahme diese Einheiten sich selbst konfigurieren, automatisch die Kommunikation zu ihren Produktionspartnern aufbauen und damit die kostspielige Inbetriebnahmezeit erheblich reduzieren. Anschließend kommt die Optimierungsphase im laufenden Produktionsbetrieb. Hier können sich die Produktionseinrichtungen aufgrund ihrer Intelligenz selbst optimieren und so den optimalen Arbeitspunkt einstellen. Sollte es doch zu Problemen im Produktionsprozess kommen, weil etwa eine Maschine ausgefallen ist, können Ausweichstrategien entwickelt werden und so den Prozess selbst \’heilen\‘ und am Laufen halten.
Digitale Unternehmensplattform – der nächste Meilenstein
Bevor autonome und sich selbst optimierende Cyber-Physische Systeme die Produktion übernehmen und auf Basis des virtuellen Abbildes über den gesamten Lebenszyklus immer ein aktueller Ist-Zustand der Produktionsanlage verfügbar ist, muss dafür noch eine wichtige Basis geschaffen werden. Dieser nächste wichtige Schritt auf dem Weg zu Industrie 4.0 beinhaltet das Zusammenwachsen des gesamten Produktentwicklungs- und Produktionsprozesses. Der Prozess beginnt bereits beim Design eines neuen Produkts, der von Anfang an auch das Design und die Entwicklung der erforderlichen Produktionsanlage mit einbezieht (Bild 4). Dies erfordert stärker integrierte Lösungsansätze auf Basis einer abgestimmten und durchgängigen Engineering-Werkzeugkette. Mit den gebräuchlichen, mehr oder weniger autark arbeitenden Entwicklungswerkzeugen lässt sich der serielle Erstellungsprozess von Produkt und Produktion kaum weiter optimieren. Der entscheidende Hebel liegt in der Parallelisierung der Prozesse. Um künftig parallel bei der Entwicklung von Produkt, Prozess, Mechanik, Elektrik und Automatisierung arbeiten zu können, ist ein noch intensiverer digitaler Informationsaustausch aller Beteiligten notwendig, unabhängig davon, ob sich diese in separaten Standorten oder Abteilungen eines Unternehmens oder in unterschiedlichen Unternehmen befinden. Die heute oftmals noch getrennten Welten der Produktentwicklung und Produktionsplanung müssen durchgängig über eine digitale Unternehmensplattform zusammengeführt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Beteiligten und Werkzeuge auf einer gemeinsamen Datenbasis mit einem einheitlichen Datenmodell arbeiten. Dies ermöglicht einen bi-direktionalen Datenfluss über alle Lebensphasen vom Produktdesign und der Produktionsplanung über das Produktionsengineering und die eigentliche Produktion bis hin zum Service. Ein neues Produkt kann so bereits in seiner Designphase produktionsoptimiert gestaltet werden. Damit reduziert sich der Anpassungsaufwand von bereits vorhandenen Produktionseinrichtungen. Das spart Zeit und Geld.