Gesamtlösung vom Sensor in die Cloud

Das Unternehmen Hilscher bietet seit fast dreißig Jahren Lösungen rund um die Industriekommunikation und ist als Innovationstreiber in der Branche bekannt. Die PC-Einsteckkarte für Feldbusse und die netX-Multiprotokoll-Technologie haben das Unternehmen international erfolgreich gemacht. Die mit der Entwicklung hin zur Industrie 4.0 anstehenden Veränderungen hat Unternehmenslenker Hans-Jürgen Hilscher früh erkannt und mit netIOT eine Lösung für die Kommunikationswege der Zukunft entwickelt. Über die Veränderungen, die Industrie 4.0 mit sich bringt, die Auswirkungen für Maschinen- und Anlagenbauer sowie die neue Plattform sprachen wir mit Armin Pühringer, Business Development Manager und Stefan Körte, Bereichsleiter Sales & Marketing bei der Hilscher GmbH.

Was verändert sich durch Industrie 4.0?

Pühringer: Wir sehen derzeit in vielen Pilotanwendungen, die wir für unsere Industrie-4.0-Plattform netIOT durchführen, dass sich bei den produzierenden Unternehmen tatsächlich ein Paradigmenwechsel vollzieht. Die Automationsstrukturen fangen an sich zu verändern. Die Anwender erkennen den Nutzen von modernen Industrie 4.0-Konzepten und sind sogar bereit noch eventuell offene Sicherheitslücken zu akzeptieren. Das ist ein klarer Unterschied zu der Situation, die wir noch vor wenigen Monaten vorgefunden haben.

Man begegnet dem Thema also nicht mehr vor allem mit Vorbehalten sondern versucht die Technologien für sich einzusetzen?

Pühringer: Auch die Frage nach der Technologie ist in den Hintergrund getreten. Die Frage lautet heute nicht mehr, welche Technologie ist die richtige. Die Frage ist nicht einmal mehr die, wie man daraus Nutzen ziehen kann, denn das ist heute jedem Unternehmen klar. Heute geht es vielmehr um ganz pragmatische Lösungen. Das ist übrigens genau das, was Hilscher mit netIOT liefert. Die Anforderung lautet nicht: Wie bekomme ich meine Maschinendaten in die Cloud? Sie lautet vielmehr: Wie verbinde ich die Daten meiner Produktion mit der Gesamtstruktur des Unternehmens – ganz im Sinne einer durchgehenden, vertikalen Integration. Und die Antworten darauf werden dank netIOT deutlich einfacher.

Sie haben mit netIOT eine Plattform vorgestellt, für solche modernen Kommunikationsansätze\‘ vom Sensor in die Cloud\‘. Können Sie kurz umreißen, was netIOT ist?

Körte: netIOT ist eine Lösungsansatz, der die vertikale Kommunikation vom Sensor bis ins ERP-System ermöglicht, wir nennen das \’Industrial Cloud Communication\‘. Sie basiert auf weltweiten Standards und wurde entwickelt auf Basis der Referenzarchitektur von Industrie 4.0 und IIC (RAMI und IIRA). Es handelt sich um drei verschiedene Produktlinien, die den unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe gerecht werden: Dem Komponentenhersteller, dem Maschinen- und Anlagenbauer sowie dem IT-Unternehmen/Integrator. NetIOT umfasst also das Interface im Feldgerät, das Edge-Gateway und die sichere Kommunikation vom Sensor bis in die Cloud.

Was leistet die Plattform?

Körte: Im Gerätebereich ist es so, dass das netIOT im Prinzip eine Ergänzung und Erweiterung unserer bewährten Bausteine darstellt. D.h. wir verwenden unsere bisherige Technologie mit allen Protokollen wie Profinet, Ethernet IP usw. und ergänzen es um die Fähigkeit auf Basis von OPC UA und MQTT unabhängig von den eigentlichen Steuerungszyklus kommunizieren zu können. Dafür wurde die Systemsoftware innerhalb unserer Kommunikationsasics weiterentwickelt und natürlich auch die dazugehörige Toolchain entsprechend angepasst. Eine interessante Möglichkeit – die wir gerade entwickeln – ist die für Gerätehersteller eigene Apps zu erstellen, die auf jedem Smartphone und Tablet lauffähig sind. Diese App ermöglicht es dann direkt mit dem jeweiligen Endgerät zu kommunizieren. Herstellertyp, Einstellungen, Parametersätze oder was auch immer sind dann problemlos abrufbar. Das ist natürlich für die Gerätehersteller ein wunderbares Differenzierungsmerkmal. Wer die clevere App zur Inbetriebnahme anbieten kann, hat bessere Karten im Verkauf.

Welche Zielgruppe sprechen Sie mit NetIOT an?

Körte: Mit NetIOT sprechen wir gleichzeitig drei Zielgruppen an: Das ist einmal die Gerätehersteller, die Maschinen- und Anlagenbauer und schließlich die IT-Anbieter und IT-Spezialisten, die heute immer häufiger auch im Produktionsumfeld arbeiten. Neu an den Entwicklungen der Industrie 4.0 ist übrigens, dass wir häufig in ein und dem selben Projekt mit Ansprechpartnern aus diesen drei Bereichen sprechen. Das heißt, ich muss mit dem Gerätehersteller über die Implementierung in sein Gerät sprechen, mit dem Maschinenbauer über dessen Integration und im dritten Schritt schließlich mit dem IT- und ERP-Anbieter über die daraus zu gewinnenden Informationen.

Das klingt ein wenig nach der Aufteilung, in die drei Bereiche, die Sie mit netIOT vorgenommen haben?

Körte: Klar, genau deswegen haben wir netIOT ja auch in die drei Bereiche unterteilt: Das netIOT Interface, also die Datengewinnung aus der \“letzten Meile\“, netIOT Edge – oder wie wir es nennen: \’die Brücke zwischen Automatisierungsnetzwerk und Cloud\‘ – und schließlich netIOT Service – die Schnittstelle zur Wertschöpfung in der Cloud. Unten generieren wir Daten, in der Mitte formen wir aus den Daten Informationen und nach oben geben wir Informationen in strukturierte Form ab. Und das ist auch die Erwartungshaltung der drei Bereiche. Mit allen haben wir über die letzten Wochen und Monate zahlreiche Gespräche geführt, um eine Synchronisierung der Anforderungen vorzunehmen. In der Cloud habe ich zwar keine Schnittstellen mehr, aber die Struktur der Informationen muss natürlich passen. Um diese Gesamtheit der Informationen einheitlich abbilden zu können, muss die dargestellte gesamte Kette sauberer zusammengeführt werden.

Sie hatten eingangs gesagt, man sei jetzt geneigt, Sicherheitsbedenken zunächst ein bisschen beiseite zu stellen. Nichtsdestotrotz haben Sie in netIOT Sicherheitsmechanismen eingebaut.

Pühringer: Natürlich. Unsere Strategie zielt darauf ab, dass wir die sinnvollen Security-Elemente die es gibt in unsere Produkte einbinden. Beispielsweise setzen wir eine TPM-Anbindung (Trusted Platform Module) in netIOTs ein. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Security-Mechanismen. Wir haben Technologieelemente in der Kommunikation wie OPC UA, mqtt oder dds rest, die alle im Bezug auf Security bestimmte Funktionalitäten bieten. Das sind aber einzelne Technologieelemente. Ein Gesamtkonzept entsteht erst, indem der IT-Software Anbieter, der Infrastrukturlieferant – zu dem ich uns jetzt einmal zähle – und der Endkunde gemeinsam ein Konzept für ihre Produktion entwickeln .

Welche Hilfestellung bieten Sie ihren Kunden bei der Entwicklung ihrer eigenen Lösung?

Körte: NetIOT ist ein Lösungskonzept. Natürlich unterstützen wir unsere Kunden bei deren Entwicklung. Gerade sind wir dabei, den Kompetenzbereich der Entwicklung sehr stark auszubauen. Wir sehen deutlich, dass es nicht ausreicht, dem Kunden einfach ein Edge-Gateway in die Hand zu drücken und zu sagen, damit kannst du nach \’oben\‘ sprechen. Wir haben in den zurückliegenden Monaten und Jahren so viel Erfahrung gesammelt, die unserem Kunden wiederum hilft, mit seiner eigenen Entwicklung sehr schnell erfolgreich am Markt zu sein. Hier wollen wir unsere Kompetenz einsetzen, um unsere Kunden zu unterstützen. Das tun wir natürlich zum einen als Beratungsangebot. Und wir tun es, indem wir mit großen Herstellern wie IBM gemeinsam vordefinierte Lösungswege für die IoT Kommunikation vordesignen.

Welche Auswirkungen hat die Veränderung des Datentransportes auf die Automatisierung?

Pühringer: Im amerikanischen würde ich ganz klar sagen: Das ist ein Game Changer und ich weiß nicht, wie man das auf Deutsch besser ausdrücken könnte. Sie sehen das auch daran, dass wir uns in unseren Projekten immer in solchen Dreier-Konstellationen aus Gerätehersteller, Maschinen- und Anlagenbauer und IT-Unternehmen wiederfinden. Das ist nicht mehr der klassische Bereich, aus dem Hilscher ursprünglich kommt. Das geht weiter über unser bisheriges Geschäft hinaus.

Zusammenfassend: Was hat Hilscher seinen Kunden für die Umsetzung von Industrie 4.0 zu bieten?

Pühringer: Industrie 4.0 ist auch für Hilscher der nächste große Evolutionsschritt und netIOT ist eine sehr gute Startposition für alle, die diese Plattform einsetzen. Nach allem was wir am Markt sehen, haben wir Stand heute einen Vorsprung von einem halben bis zu einem Jahr vor allen Wettbewerbern. Diesen Vorsprung können alle drei Player für ihren Wettbewerbsvorteil nutzen.

Hilscher Gesell. f. Systemautomation mbH
http://www.hilscher.com

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