Kennt der Anwender inzwischen alle Fakten, die er zum effektiven Energiesparen kennen muss?
Mieslinger: Diese Frage kann man nur mit einem klaren Jein beantworten. Zuerst einmal sollte man bei dem Begriff ´Anwender´ unterscheiden zwischen Anlagen-/Maschinenbauer sowie Betreiber/Endanwender. Das größte Interesse Energie zu sparen liegt nämlich zwangsläufig bei den Anlagenbetreibern. Dieser wiederum erwartet von den Anlagenlieferanten eine entsprechende Unterstützung und Lösungen. Des Weiteren ist zu unterscheiden zwischen dem Kenntnisstand bezüglich kommender gesetzlicher Vorschriften und den tatsächlichen Optionen, Energie möglichst ökonomisch einzusparen bei den bisher eingesetzten Antriebslösungen. Speziell bei Letzterem tun sich viele schwer, die Vor- und Nachteile sowie Potenziale der verschiedenen Motortechnologien wie Asynchron, Permanentmagnet, Synchronreluktanz etc. gegeneinander abzuwägen. Hier fehlt es meist an unabhängiger Beratung und Vor-Ort-Analyse. Ansonsten treffen wir auf das gesamte Anwenderspektrum: von sehr gut Informierten, die Vorteile aus der ErP-Richtlinie für sich zu ziehen versuchen, bis zu denjenigen, die ´das Thema auf sich zukommen lassen´ und mit minimalem Aufwand gerade eben den gesetzlichen Vorschriften genügen wollen. Insgesamt überwiegt sicherlich das Interesse, den Energieverbrauch zu reduzieren und sich so Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten.
Der Anwender kann mit Energiemanagement viel Geld einsparen. Warum tun sich manche Anwender dennoch schwer, entsprechende Maßnahmen einzuleiten?
Mieslinger: Fakt ist, dass das größte Energieeinsparpotenzial im Bestand der installierten elektrischen Antriebe liegt. Diese werden jedoch von den Regulierungen der Ökodesign-Richtlinie kaum erfasst. Die Modernisierung dieses Altbestands als hidden treasure´ zu heben, obliegt also allein dem Endanwender. Der Umsetzung von energiesparenden Maßnahmen stehen jedoch die notwendigen Investitionen gegenüber. Für gewöhnlich fordern die Kapitaleigner wegen der häufig intern hohen Kapitalverzinsung sehr kurze Amortisationszyklen oder es fehlt speziell bei kleinen bis mittleren Unternehmen in der aktuellen wirtschaftlichen Lage schlicht die Liquidität. Dadurch wird die Entscheidung für diese Maßnahmen intern immer wieder aufgeschoben, obwohl diese insgesamt unbestritten sinnvoll sind. Als wirkungsvollen Anreiz haben sich deswegen Fördermaßnahmen, wie die der BAFA für Querschnittstechnologien für den Mittelstand, erwiesen. Förderbar sind die Energieberatung sowie ein Anteil der Investition. Gleichzeitig wird ein zeitlicher Rahmen für die Umsetzung vorgegeben, was vermeidet, dass diese auf die lange Bank geschoben wird. Wir bei Danfoss haben in Projekten mit unseren Kunden gute Erfahrungen mit dieser Förderung gemacht. Es ist bedauerlich, dass es von dieser Art Programmen für die Retrofit-Modernisierung von Antrieben nicht noch mehr gibt, insbesondere auf EU-Ebene.
Welches sind die häufigsten Anwenderfehler beim Energiesparen?
Mieslinger: Der klassische Fehler liegt oft im Denkansatz: Wer meint, durch den Austausch einzelner Komponenten gegen effizientere Typen am meisten Energie zu sparen, liegt falsch. Wir nennen das intern die Energiesparlampenmentalität. Dieses Verhalten wird aktuell bei den elektrischen Antrieben durch die Regulierungen der Ökodesign-Richtlinie noch verstärkt, welche hauptsächlich auf Komponentenebene greift (z.B. Verschärfung der Grenzwerte von IE2- auf IE3-Motoren ab 2015). Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Gesetzgeber dem Anwender immerhin die Souveränität gelassen hat: Zu entscheiden, ob er ab 2015 einen IE3-Motor einsetzt oder vielleicht doch – optimalerweise – die Antriebsregelung verbessert mit einem IE2-Motor mit Drehzahlregelung. Wichtig zu wissen ist, dass sich eine Energieeinsparung in der jeweiligen Anwendung durch Motortausch allein nur im unteren einstelligen Prozentbereich bewegt. Das Gros der Einsparung – und wir reden hier schnell einmal von 30 bis 50% – liegt schlicht verborgen in der genauen Analyse der Anwendungsaufgabe im Verbund mit der Antriebsumsetzung selbst. Hier gilt es, Dimensionierung, Betriebszyklus, Anwendungsverhalten usw. fundamental zu hinterfragen. Denn oft genug weiß doch kaum jemand mehr, weshalb der Antrieb in einer konkreten Anwendung genau so dimensioniert und eingesetzt wird, wie er teils schon seit Jahrzehnten läuft – mit allen Sicherheitsreserven oder logistischen Gründen, die es zum Zeitpunkt der Planung vielleicht gab. Vielfach schätzt man nach unserer Erfahrung zudem die möglichen Potenziale und Maßnahmen falsch ein. Deswegen ist es ratsam, einen Antriebsspezialisten mit ausreichend Anwendungserfahrung hinzuzuziehen und zuerst einmal die niedrig hängenden Früchte zu ernten, sprich, auf die offensichtlich großen Verbraucher oder einfach zu optimierenden Antriebe zu fokussieren. Hierzu zählen in aller Regel sämtliche Lasten mit quadratischem Drehmomentverlauf wie Pumpen und Lüfter/Gebläse. Weiterhin sollte man sich logischerweise die Antriebe mit langen Betriebszeiten anschauen. Übrigens: Ein älterer Antrieb muss nicht zwangsläufig eine schlechte Energiebilanz aufweisen, nur weil er alt ist. Eventuell liegt das größere Potenzial in einem solchen Fall im Optimieren des Anwendungsverhaltens selbst.
Inwieweit gibt es Tools, die es dem Anwender ermöglichen, Potentiale in der eigenen Anlage zu finden, an denen er Energie einsparen kann?
Mieslinger: Der erste Schritt zur Einsparmaßnahme ist immer die vorhergehende Analyse und Kostenabschätzung. Deshalb sind bewährte Analysewerkzeuge eine wertvolle Unterstützung. Danfoss bietet hier kostenlos die sogenannte VLT Energy Box 2.1 an. Mithilfe dieses Tools können Anlagenbetreiber den voraussichtlichen Energieverbrauch anhand der Anlagencharakteristik und Antriebsart bei unterschiedlichen Lastzyklen berechnen. Als Ergebnis lassen sich die Investitionskosten sowie der ROI und ein Finanzmodell bestimmen. Besonders interessant: Der VLT HVAC Drive Antriebsregler kann die abgegebene Leistung über die Zeit aufzeichnen. Diese Daten können mit der VLT Energy Box ausgelesen und als Lastprofil hinterlegt werden.
Kann Industrie 4.0 helfen, das Thema Energiesparen nochmals voranzutreiben?
Mieslinger: Industrie 4.0 wird dazu beitragen, die verstreut teilweise auf Komponenten – oder Maschinenebene vorhandenen Daten bzw. Funktionsparameter weiter zu systematisieren und für einen Gesamtkontext zusammenzufassen. Antriebsregler sind dabei wertvolle Datenmessstellen, da sie bereits heute mit leistungsfähigen ethernetbasierenden Schnittstellen ausgerüstet sind und neben der reinen Erfassung der momentanen Antriebsleistung auch dazu beitragen können, das gesamte und tatsächliche Lastzyklusbild über eine längere Zeitperiode zu bestimmen. In anderer Richtung lassen sich künftig hingegen eine Vielzahl von Antriebsparametern und Kompensationen quasi ´on the Fly´ je nach Anlagenbetriebszustand nachführen. Im Prinzip kann in einer solchen Fertigung nach Industrie 4.0 ständig live an den Stellschrauben gedreht werden bzw. im Optimum erledigt die intelligente Fertigung das mehr oder weniger selbst. Abschließend rate ich Anwendern dazu, mit klarem Kopf und ausreichend Pragmatismus an die Sache heranzugehen, das heißt bei aller Konzentration auf die Kosteneinsparung nicht die Hauptaufgabe der jeweiligen Anwendung sowie mögliche ungewünschte Nebeneffekte außer Acht zu lassen. Auch sollte man sich nicht automatisch für die Lösung mit der geringsten Investition entscheiden. Bereits nach verhältnismäßig kurzer Zeit könnte sich die Lösung mit etwas höheren Investitionen als die deutlich lohnendere erweisen.