'Breaking the Surface':

Beckhoff Servoklemmen bewegen virtuellen Ozean

Ethercat synchronisiert 529 Achsen einer kinetischen Installation
Anlässlich seines 10-jährigen Firmenjubiläums hatte sich der norwegische Ölkonzern Lundin Norway etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Auf der ONS Energy Convention, der weltgrößten Offshore-Energie-Messe, die im August 2014 in Stavanger stattfand, sorgte das Unternehmen mit einer kinetischen Installation für Aufsehen. 529 Plexiglasröhren werden konstant so verfahren, dass sie den Wellengang des Ozeans simulieren und gleichzeitig die unablässige Suche nach Ölvorkommen auf dem norwegischen Kontinentalschelf symbolisieren. Und nicht nur das, die Installation interagiert auch mit dem Besucher. Ein künstlerisch ebenso wie mechanisch und steuerungstechnisch ausgesprochen komplexes und anspruchsvolles Projekt, das durch die intensive Zusammenarbeit von Designern, Architekten, Sicherheitsexperten, Maschinenbauern und Beckhoff als Steuerungslieferant realisiert wurde.

Das künstlerische Gesamtkonzept inklusive der Softwareprogrammierung der Installation \’Breaking the Surface\‘ stammt von der Scandinavian Design Group (SDG). \“Ziel war es, ein Kunstobjekt zu schaffen, das die Corporate Identity von Lundin Norway zum Ausdruck bringt. Lundin ist mit der Exploration und der Förderung von Ölvorkommen auf dem norwegischen Kontinentalschelf befasst; was lag also näher, als die abstrakte Darstellung einer submarinen Landschaft zu kreieren\“, kommentiert Bjørn Gunnar Staal, Senior Creative Technologist der SDG, den Entwurf. Die seismischen Aufnahmen des Meeresbodens, die Geophysiker auf der Suche nach Erdölvorkommen erstellen, visualisieren die unterschiedliche Dichte von Gesteins-, Kies- und Sandschichten durch eine Farbskala zwischen einem blassen Gelb und einem tiefen Orange. Dies inspirierte die Designer, die Plexiglasröhren in einem hellen Orange einzufärben. Die virtuellen Meereswogen, die sich vor den Augen des Betrachters dahinwälzen, sind daher nicht blau, sondern changieren, abhängig vom Betrachterstandpunkt, zwischen einem hellen und gesättigten Orange. Während die einzelne Röhre für eine Erkundungsbohrung steht, ergibt sich durch die Gesamtheit der sich bewegenden, transparenten Röhren das Bild einer Landschaft mit organischen, felsenförmigen Formationen, das sich von der im ersten Stock der Installation gelegenen Betrachterebene entdecken lässt. Beim Betreten der Installation öffnet sich der virtuelle Ozean, d.h. die Röhren werden an eine sichere Position gefahren und lassen die Person quasi \’eintauchen\‘. Mit dieser Interaktion spielen die Künstler bewusst auf die Exploration der Ölvorkommen auf dem Meeresgrund an.

Kunst und Technik gehen Hand in Hand

Die Mechanik und die Tragekonstruktion der kinetischen Installation lieferte das norwegische Maschinenbauunternehmen Intek Engineering. Sie besteht aus einem Gerüst von 23 Stahlträgern, das in der Decke zwischen zwei Geschossebenen untergebracht ist. Bei einem Gewicht von gut 5t, verteilt auf eine Fläche von 25m2, stellte die bauliche Umsetzung eine große Herausforderung dar, die das Architekturbüro Ctrl+N übernahm. Jeder Stahlträger ist mit 23 wabenförmigen Edelstahlgehäusen bestückt, in denen auf engstem Raum jeweils eine Plexiglasröhre, ein Beckhoff-Servomotor AM8121, ein Antriebsrad sowie sechs Stützräder zur Führung und ein kapazitiver Sensor zur Positionskompensation untergebracht sind. Die Tatsache, dass im Auge des Betrachters das 3D-Bild einer Wellenbewegung entsteht, beruht nämlich auf einer ausgeklügelten Relation von Geschwindigkeit, Röhrendurchmesser sowie dem Abstand der Röhren zueinander, die mechanisch umzusetzen war. In Summe wurden hier 529 Servomotoren verbaut. Die dazugehörige Steuerungselektronik befindet sich an den beiden Enden der Tragekonstruktion und besteht aus je einem Ethercat-Koppler EK1100, den digitalen Eingangsklemmen, den Servoklemmen zur Ansteuerung der Servomotoren und den Puffer-Kondensator-Klemmen zur Stabilisierung der Versorgungsspannung. \“Insgesamt sind hier 10.200 Anschlusspunkte zu verarbeiten. Dies stellte sowohl mechanisch aber auch hinsichtlich der Steuerungselektronik eine Herausforderung dar\“, hebt Rune Nordby, Marketingmanager bei Intek, hervor. \“Die Kompaktheit der Steuerungs- und Antriebsmodule, vor allem der Servoverstärker im 12mm-Klemmengehäuse lieferte die Grundvoraussetzung für die technische Umsetzung des künstlerischen Konzepts von SDG.\“ Das Steuerungssystem umfasst drei Hauptelemente:

  • – die Sensor- und Aktorebene, bestehend aus den Ethercat-Klemmen und speziellen Sensoren für die Sicherheit
  • – die SPS-Ebene, basierend auf vier Industrie-PCs C5102
  • – die übergeordnete Anwendungsebene

Um die Interaktion zwischen Mensch und kinetischer Skulptur zu realisieren, wurden zwei sich überlappende Sensordatenebenen installiert: ein 40m2 großer kapazitiver Sensorboden unter dem Parkettfußboden und vier am Boden in jeder Raumecke installierte K4W-Sensoren (Tiefenkameras). \“Die übergeordnete Steuerungsanwendung haben wir in openFrameworks entwickelt\“, erläutert Bjørn Gunnar Staal. Sie umfasst ein Echtzeitmodell der Umgebung auf Basis der vom Sensorboden und den Bewegungssensoren bereitgestellten Daten, auf dessen Grundlage ein Bewegungsschema zur Simulation der Wellenbewegung erzeugt wird.

Komplexe Steuerungstechnik simuliert Wellengang

Die Anwendung kommuniziert mit den vier PC-Plattformen, die auch – per Twincat ADS – die Steuerung der Servomotoren übernehmen. \“Wir haben ein ganzes Bündel an openFrameworks Add-Ons für diese Applikation genutzt\“, erklärt Bjørn Gunnar Staal. Außerdem hat das Entwicklerteam von Scandinavian Design Group und Abida für \’Breaking the Surface\‘ drei neue Add-Ons entwickelt:

  • – ofxMultipleKinect: zur Anzeige und Ausrichtung von mehreren Kinect-Punktwolken im gleichen Koordinatensystem
  • – ofxBeckhoffADS: zur Datenübertragung zwischen openFrameworks und der Beckhoff-Steuerungsplattform
  • – ofxSensfloor: zur Kommunikation und Visualisierung von sensfloor-Daten in openFrameworks

Über die ADS-Schnittstelle werden die in C++ programmierten Sollwerte des Bewegungsschemas in die Automatisierungssoftware Twincat NC PTP importiert. Die Punkt-zu-Punkt-Achspositioniersoftware berechnet, in Verbindung mit dem schnellen Ethercat-Bussystem und den Servoklemmen, die Position für jede einzelne Röhre in einer Zykluszeit von 1ms, sodass eine interpolierende Bewegung entsteht, die der Betrachter optisch als natürliche Wellenbewegung wahrnimmt. Melden die Sensoren eine Bewegung, das heißt, betritt eine Person den \’Ozean\‘, so werden die Achspositionen der \’Wellenbewegung\‘ überschrieben und die Positionen der nächstliegenden Röhren so angepasst, dass sich eine schützende Kuppel über der Person bildet, die sich mit ihr durch den Raum bewegt. \“Ein Metallring, der an der Innenseite jeder Röhre angebracht ist, übermittelt ein Referenzsignal, wenn er den kapazitiven Sensor in der Antriebseinheit passiert. Auf diese Weise sind wir in der Lage, unseren Algorithmus für die Positionsanpassung, mit dem wir die exakte Position der Röhren jederzeit bestimmen können, einfach und zuverlässig zu überprüfen und langfristig zu optimieren\“, erläutert James Fox, Gründer von Abida, das Sicherheitskonzept. Die überlagerte SPS-Ebene besteht aus vier auf Twincat 3 und Ethercat basierenden PC-Steuerungen des Typs C5102: Dabei fungiert eine SPS als Datenübermittlungs- und Synchronisierungsebene zwischen der openFrameworks-Application-App und den drei untergeordneten SPSen, die jeweils für die Ansteuerung eines Drittels der Servoachsen zuständig sind. Die SPSen erledigen den größten Teil der \’schweren Hebung\‘, indem sie kontinuierlich die Geschwindigkeit, die Beschleunigung, die Verzögerung und die Abbremsung jeder Servo-Einheit auf der Grundlage der von der übergeordneten Anwendung vorgegebenen Position anpassen. Darüber hinaus verwalten diese SPSen die Kalibrierung, die Positionskompensation, sowie die Geschwindigkeit und die Drehmomentüberwachung.

Sichere Steuerung eines virtuellen Ozeans

Dem Sicherheitsaspekt wurde bei der Konzeption der Installation und ihrer technischen Umsetzung von Anfang an sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, sowohl was die mechanische Konstruktion angeht, als auch in Hinblick auf die Elektrik und die Sensorik. Der für das Sicherheitskonzept zuständige James Fox war von Anfang an in das Projekt der Scandinavian Design Group eingebunden. Bereits die Entscheidung für Plexiglasröhren basierte auf einem durchdachten Konzept, das von vornherein jegliche Verletzungsgefahr ausschließen sollte: Plexiglas ist leicht, und die Kanten der Rohröffnungen ließen sich abrunden. Außerdem wurde die Installation so designt, dass sie mit einer niedrigen Verfahrgeschwindigkeit funktioniert. Die Sensorebene im Fußboden beruht auf einer anspruchsvollen Abtastung auf engstem Raum, inklusive einer Redundanz, damit keine Blindstellen möglich sind. \“Ziel unseres Sicherheitskonzepts war es, die Installation von vornherein so sicher zu machen, dass Sicherheitsvorkehrungen nach Sicherheits-Integritätslevel 3, die den Zugang und die Ästhetik dieser Installation entscheidend beeinträchtigt hätten, nicht zur Anwendung gebracht werden mussten\“, erläutert James Fox und fügt hinzu: \“Aufgrund der guten interdisziplinären Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten wurde für \’Breaking the Surface\‘ ein Sicherheitskonzept umgesetzt, hinter dem wir voll stehen können und das die sichere Interaktion mit Menschen erlaubt! Wir alle – der Endkunde Lundin Norway und die Provider – sind stolz, eine derart komplexe Installation in dieser Größenordnung und mit höchsten Qualitätsansprüchen realisiert zu haben.\“ Abgerundet wird die eindrucksvolle Installation, die demnächst dauerhaft am Unternehmenssitz von Lundin Norway in Oslo zu bewundern sein wird, durch mit Öl befüllte Kristalle, die in einigen der Plexiglasröhren verborgen sind. Bewegt sich der Besucher durch den virtuellen Ozean, wird er quasi zum \’Entdecker\‘ dieser Bohrproben aus den sechs wichtigsten Ölvorkommen von Lundin Norway, einschließlich des riesigen Ölfeldes \’Johan Sverdrup\‘. Bjørn Gunnar Staal von der Scandinavian Design Group kann sich weitere Projekte auf der Basis von Twincat und Ethercat vorstellen. \“Ich habe erstmals bei diesem Projekt mit Beckhoff gearbeitet, und es wird sicher nicht das letzte Mal sein. Die großen Datenmengen, die über die Sensoren eingesammelt werden, müssen sehr schnell an die Steuerung übergeben und verarbeitet werden. Dafür haben wir mit der PC- und Ethercat-basierten Steuerung die perfekte Lösung gefunden.\“

Die SDG ist eine der führenden Designagenturen Skandinaviens mit Hauptsitz in Oslo. Mit knapp 220 Mitarbeitern stellt sie das größte Kommunikationsnetzwerk Norwegens dar und unterstützt namhafte Unternehmen beim Branding und der Corporate-Identity-Entwicklung, beim Verpackungsdesign und dem Endkundenmarketing, und ist bekannt für innovative Lösungen in den Bereichen Digital- und interaktives Design, wie die kinetische Installation für Lundin Norway eindrucksvoll zeigt.

Abida

Das interdisziplinäre Unternehmensziel von Abida ist die Integration von

Technologie, Design und Architektur zu individuellen Lösungen für viele

unterschiedliche Anwendungsgebiete. Für die Implementierung nutzen die Experten von Abida ihre breit gefächerten Kompetenzen in den Bereichen Automation, kundenspezifische Softwareentwicklung und Robotik sowie Elektrotechnik, Systems Engineering und Biomedizintechnik.

Intek Engineering

Das norwegische Maschinenbauunternehmen Intek Engineering, mit Firmensitz in Raufoss, wurde 1980 gegründet und ist Spezialist für die Automatisierung von Produktionsanlagen und Materialhandlingsystemen sowie Roboteranwendungen etc.

Lundin Norway AS

Lundin Norway, mit Sitz in Oslo, ist ein Tochterunternehmen der Lundin

Petroleum AB, einer schwedischen Unternehmensgruppe, die weltweit in der Förderung von Erdöl und Erdgas tätig ist.

Beckhoff Automation GmbH & Co. KG
http://www.beckhoff.de

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