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Antriebe individuell abstimmen

Aufgabengerechte Inbetriebnahme von Servoantrieben erhöht die Produktivität
Maschinenhersteller setzen Servoantriebe immer dort ein, wo es auf Dynamik und Präzision ankommt. Die individuelle Abstimmung auf die jeweilige Aufgabe während der Inbetriebnahme entscheidet dabei wesentlich über die erreichbare Produktivität und Prozessgüte. Stammen Motor und Antriebsregler von unterschiedlichen Herstellern, erforderte die Inbetriebnahme gerade bei anspruchsvollen Aufgaben oft eine manuelle Feineinstellung. Einige Antriebshersteller automatisieren die Inbetriebnahme deshalb durch intelligente Softwaretools und Systembaukästen bereits teilweise oder sogar weitestgehend.

In der Praxis kommt es beim ersten Probelauf von Achsen immer wieder zu ernüchternden Ergebnissen, wenn nur die Standardwerte für die Regelkreisparameter eingesetzt werden. Anstatt mit hoher Dynamik schleicht sich dann etwa der Antrieb in seine Zielposition oder die Regelkreise schwingen sich auf und mindern die Präzision. In beiden Fällen ist eine nachträgliche Anpassung der Regelkreise notwendig, um die nötige Prozesssicherheit und die geforderten Taktzeiten zu erreichen. Moderne Inbetriebnahmesoftware umfasst eine Vielzahl von Tools von Datenspeichern über automatische Motoridentifikation bis hin zu automatischem Tuning und Zykluszeitoptimierung.

Im Werk ermittelte Werte erleichtern die Inbetriebnahme

Einige Hersteller, wie Bosch Rexroth bei den IndraDyn A und S Baureihen, rüsten ihre Servomotoren mit Feedbackdatenspeichern aus. Dort sind die durch Messungen im Werk ermittelten Motordaten und Stromreglerparameter bereits abgespeichert. Bei der Inbetriebnahme des Motors liest der Antriebsregler diese Daten aus und setzt damit automatisch die entsprechenden Daten und Parameter. Ist kein Feedbackdatenspeicher vorhanden, bieten Hersteller spezifische Datenbanken, aus denen der Inbetriebnehmer die jeweiligen Werte übernehmen kann. Bei allen anderen Motor-/Reglerkombinationen muss er die Motor- und Geberdaten wie Nenn- und Maximalmoment, Nenn- und Maximalstrom, Polpaarzahl, Nenn- und Maximaldrehzahl, Motor-Längs- und Querinduktivität sowie den Wicklungswiderstand manuell eingeben. Darüber hinaus muss er in den meisten Fällen noch einige Parameter der angeschlossenen Mechanik aus den Dokumentationen heraussuchen und einpflegen. Die eingegebenen Motordaten bilden die Basis, auf der die Firmware die Parameter für den Stromregler berechnet. Hat der Inbetriebnehmer die Daten für Wicklungswiderstand und Induktivität nicht zur Hand, stellen ihm Engineeringumgebungen wie IndraWorks von Rexroth eine automatische Motordatenidentifikation zur Verfügung. Dieses Tool misst den Motor aus und ermittelt die fehlenden Werte. Zusätzlich optimiert die Motoridentifikation die Stromreglereinstellungen. Eine hilfreiche Zusatzfunktion deckt eine häufige Fehlerquelle bei der Montage auf: Bei der Motoridentifikation überprüft die Antriebsfirmware zusätzlich auch die Verkabelung der Motor- und Geberleitungen. Hier bieten die meisten Hersteller vorkonfektionierte Kabel, die Fehler bei der Verdrahtung der Motor- und Geberkabel ausschließen. Ist kein Motor-Feedbackdatenspeicher mit einem gespeicherten Kommutierungswinkel vorhanden, führt der Antriebsregler beim ersten Einschalten der Achse eine automatische Ermittlung des Kommutierungsoffsets durch. Hier kann der Techniker zwischen dem Sättigungs- und Sinusverfahren auswählen. Der wichtigste Unterschied: Beim Sättigungsverfahren muss sich die Achse nicht bewegen. Es kommt darum sehr häufig bei vertikalen Achsen, beispielsweise bei Pick-and-Place-Einheiten, zum Einsatz. Dagegen erfordert das Sinusverfahren eine freie Bewegung der Achse.

Manueller Feinschliff der kaskadierten Regler

In einigen Fällen sowie beim Einsatz von Sondermotoren stoßen die automatischen Verfahren der Motoridentifikation an ihre Grenzen. Hier kann es sinnvoll sein, die Stromregler manuell zu überprüfen und an die individuelle Aufgabe anzupassen. Wichtigste Voraussetzung: Der Motor muss mechanisch geklemmt werden, sodass keine Bewegung entstehen kann. Der Inbetriebnehmer schaltet dann den Antriebsregler in die Betriebsart Momentenregelung. Als Momentensollwert gibt er einen Sprung bis maximal 20% vom Nennmoment vor. Über die Oszilloskopfunktion, bei Bosch Rexroth Bestandteil der Inbetriebnahmesoftware für Antriebsregler, zeichnet er die Sprungantwort des momentenbildenden Stroms auf. Stellt die Anwendung sehr hohe Anforderungen an die Gleichmäßigkeit der Bewegung, oder handelt es sich bei dem eingesetzten Motor um einen niederinduktiven oder schnell drehenden Motor, so muss er in einigen Fällen eine höhere Pulsfrequenz einstellen. Dadurch wird die Stromwelligkeit reduziert und die Dynamik erhöht. Die Pulsfrequenz sollte er dabei vor der Feineinstellung der Motordaten festlegen.

Automatisches Tuning der Drehzahl- und Lageregler nutzen

Nach dem Stromregler folgen die Arbeiten an den Drehzahl- und Lagereglern. Am einfachsten ist dabei ein automatisches Tuning, wie es Bosch Rexroth in die Antriebsregler-Software integriert hat. Das Autotuning ermittelt das externe Massenträgheitsmoment und die Parameter für den Drehzahl- und Lageregelkreis vollständig. Dazu führt die Achse in einem zuvor fest definierten Verfahrbereich eine vollautomatische Bewegung aus und die Software bestimmt die am besten geeigneten Parameter. Wenn zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Achsen eine Achsbewegung noch nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit, die Regelkreisparameter für Drehzahl- und Lageregler durch die Inbetriebnahmesoftware von IndraWorks zu berechnen. Allerdings muss hierzu das externe Massenträgheitsmoment bekannt sein.

Kürzere Zykluszeit durch aufgabengerechte Inbetriebnahme

Bei einer ganzen Reihe von Aufgaben kann es sinnvoll sein, Drehzahl- und Lageregelkreis manuell zu optimieren. So erfordert beispielsweise das Handling von empfindlichen Flat Panel Displays durch Gantry-Antriebe eine absolute Spannungsfreiheit und perfekten Gleichlauf, sonst kann es zu Beschädigungen an den Panels kommen. Ein weiterer Aspekt ist die Zykluszeit. Gegenüber den Standardeinstellungen kann die Zykluszeit durch eine aufgabengerechte Inbetriebnahme des Drehzahl- und Lagereglers um bis zu 100ms pro Positioniervorgang verkürzt werden. Bei der Einstellung des Drehzahlreglers findet das \’Ziegler-Nichols-Verfahren\‘ eine breite Verwendung. Dabei setzt der Inbetriebnehmer den Integral-Anteil des Drehzahlreglers vorab auf 0ms und deaktiviert ihn damit. Anschließend erhöht er den Proportional-Anteil des Drehzahlreglers langsam bei niedriger Drehzahl, bis ein instabiles Verhalten, eine Dauerschwingung auftritt. Den Wert für die Geschwindigkeitsregler-Proportionalverstärkung reduziert er im Anschluss so lange, bis die Dauerschwingung selbsttätig abklingt. Der ermittelte Wert wird dann mit einem Faktor von 0,5 bis 0,7 multipliziert, um einen \’sicheren\‘ Betrieb zu gewährleisten. Zum Einstellen der Nachstellzeit ist der Wert für die Geschwindigkeitsregler-Nachstellzeit beginnend beim Maximalwert so lange zu reduzieren, bis ebenfalls ein instabiles Verhalten (Dauerschwingung) auftritt. Anschließend erhöht der Techniker den Wert so lange, bis die Dauerschwingung wieder selbsttätig abklingt. Der dadurch gefundene Wert entspricht der \’kritischen Nachstellzeit\‘. Dieser Wert sollte für die meisten Applikationen mit dem Faktor 1,5 bis 2 multipliziert werden. Alternativ kann der Drehzahlregler über einen klassischen Sollwertsprung optimiert werden.

Schnelle Positionierung ohne Überschwinger

Die Anpassung des Positionsregelkreises an die Aufgabe erfolgt am einfachsten über die Aufnahme des Schleppfehlers. Hierzu bietet die Inbetriebnahmesoftware IndraWorks die Möglichkeit, einen definierten Weg positionsgeregelt zu verfahren und so den Schleppfehler automatisch zu berücksichtigen. Der Lageregler ist optimal eingestellt, wenn die Position schnell und ohne Überschwingen erreicht wird.

Feintuning

Über die klassische Reglereinstellung hinaus bieten manche Antriebsregler zusätzliche Funktionen, die die Regelgüte maßgeblich beeinflussen. Beispielsweise können sich systembedingt bei Synchronmotoren Rastmomente vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten in Form eines unruhigeren Laufs auswirken. Eine in die Antriebsfirmware integrierte Rastmomentenkompensation der IndraDrive Antriebe kann diesen Effekten entgegenwirken. Damit erreicht die Achse vor allem bei kleineren Drehzahlen einen ruhigeren Lauf und einen besseren Gleichlauf. Durch die Frequenzganganalyse des IndraWorks können zudem Resonanzstellen in der Mechanik erkannt und mit Filtern die Auswirkungen entsprechend minimiert werden.

Softwaretool reduziert Aufwand um 80%

Ein Beispiel: Die manuelle Inbetriebnahme von Achsen ist sehr zeitaufwändig und verlangt umfangreiche technische Kenntnisse. Bei zahlreichen Anwendungen im Handhabungsbereich verringert jetzt ein neuer Inbetriebnahmeassistent von Rexroth diesen Aufwand um bis zu 80%. Im Systembaukasten für Handhabungssysteme EasyHandling kombiniert Bosch Rexroth Antriebsregler, Motor und Linearsystem zu kompletten Achsen. Das Softwaretool EasyWizard erkennt die optimalen Werte und Parameter des Motors über das elektronische Typenschild und den Feedbackspeicher. Nach Eingabe der Seriennummer des angeschlossenen Linearsystems greift das Tool auf eine Datenbank zu und setzt automatisch die individuellen mechanischen Parameter. Die Inbetriebnahme einer Achse verkürzt sich damit auf wenige Minuten.

Sicherheitsfunktionen nutzen

Direkt nach der elektrischen Inbetriebnahme empfiehlt es sich, falls vorhanden, die in den Antrieb integrierten Sicherheitsfunktionen zu aktivieren. So bietet beispielsweise Bosch Rexroth mit \’Safety on Board\‘ zahlreiche zertifizierte Sicherheitsfunktionen, die ohne Umweg über die Steuerung innerhalb weniger Millisekunden reagieren. Sie gewährleisten den normgerechten Schutz der Techniker beim weiteren Inbetriebnahmeprozess der Maschine oder Anlage.

www.boschrexroth.de

Bosch Rexroth
http://www.boschrexroth.com

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