Neues Konzept für die Möbellogistik


In der Simulation wird das neue Konzept mit dem aktuellen Zustand verglichen, um Einsparungen abzuschätzen. – Bild: Christian Schaal

In Zusammenarbeit mit Unternehmen der Möbellogistik hat die Fakultät für Holztechnik und Bau der Technischen Hochschule Rosenheim ein Maßnahmenpaket entworfen, wodurch Leerkilometer eingespart und die Zahl der Direktlieferungen erhöht werden kann. Das Ergebnis: Es werden die Kosten, die Zahl der Reklamationen und die Fahrzeugemissionen gesenkt. Das entwickelte Konzept soll nun im Rahmen einer Pilotphase in der Praxis erprobt werden.

Leere LKWs und nicht genutzter Laderaum tragen zu hohen Kosten bei und emittieren dabei noch Treibhausgase. Der Fachkräftemangel setzt die Auslieferlogistik zusätzlich unter Druck. Lange Touren verursachen hohe Kosten, Warenumschläge führen zu Beschädigungen der Ware und leere Rückfahrten verringern die Wertschöpfung. Heute ist eine optimierte Auslieferlogistik aus diesen Gründen wichtiger denn je. Da Logistik im Mittelstand der deutschen Möbelindustrie bisher eine untergeordnete Rolle spielt, ist sie besonders davon betroffen und muss zukunftsfähige Lösungen für diese Probleme finden. Deshalb arbeitet die Fakultät für Holztechnik und Bau der Technischen Hochschule Rosenheim in Zusammenarbeit mit sechs Unternehmen der Möbellogistik aktuell an der Umsetzung eines vielversprechenden Konzepts, bei dem Leerkilometer stark reduziert und bisher nicht genutzter Laderaum verfügbar gemacht werden kann. Wichtiger Teil hiervon sind Rundläufe, also die Beladung des Transportfahrzeugs auf dem Hin- und Rückweg. Das neue Konzept stellt die Zusammenarbeit von Herstellern und Speditionen in ein neues Licht und sieht unter anderem vor, Umzugsunternehmen einzubeziehen.

Umfrage verdeutlichte die Optimierungspotentiale

Im Mai 2020 wurden, im Rahmen eines Studierenden-Projekts, Unternehmen aus der Möbelbranche befragt. Die Umfrage sammelte Informationen über die Probleme der Möbellogistik und richtete sich an Möbelhersteller, -händler und -speditionen. Aus den gesammelten Informationen wurden Optimierungspotenziale herausgestellt und aufgenommen. Die Bachelorarbeit des Studenten Christian Schaal unter der Betreuung der Professoren Dr. Holly Ott und Andreas Heinzmann greift die Ergebnisse auf und untersucht das neue Konzept.

Im vergangenen halben Jahr wurde nun ein Maßnahmenpaket entwickelt, wodurch Leerkilometer eingespart und die Zahl der Direktlieferungen erhöht werden kann. Neben den Kostensenkungen werden eine niedrigere Reklamationsquote und die Verringerung von Fahrzeugemissionen erwartet. Das entwickelte Konzept soll nun von Partnern aus der Industrie in einem Pilotprojekt in der Praxis erprobt werden.

Durch die Kooperationen zwischen Spediteuren und Herstellern können Frachten früher und gezielter vermittelt werden. In der Auslieferregion kann von einem Partner eine Rückladung abgeholt werden, die wiederum für Kunden in der Heimatregion bestimmt ist. Gleichzeitig können durch die Einbindung von Umzugsplattformen und Paketdiensten besonders kleine Kommissionen kostengünstiger versendet werden. Es können somit Abladestellen, die Tourdauer oder gesamte Touren reduziert werden.


Student Christian Schaal gemeinsam mit seiner Betreuerin Prof. Dr. Holly Ott – Bild: Julia Hinterseer

Simulationsmodell zeigt mögliche Einsparungen auf

In Vorbereitung darauf wurden mit einem Simulationsmodell (siehe Bild) erste Prognosen über die Einsparpotenziale gemacht. Dazu wurden Tourdaten aus dem vergangenen Jahr einmal im Ist- und im Soll-Zustand verwendet. Diese beinhalten Kunden in ganz Deutschland, die beliefert werden. Über den Zeitraum von einer Woche werden Daten zu den Strecken, Touren und Stationen erhoben. Im Ist-Zustand wird der aktuelle Stand der Möbelauslieferung abgebildet. Im Soll-Modell wird die Umsetzung des Konzepts simuliert: Sind in den Anlieferregionen Partnerfabriken ansässig, wird dort eine Rückladung aufgenommen und in der Heimatregion des Herstellers ausgeliefert.

Die Simulation zeigt, dass der Anteil der Leerkilometer von 24% auf 8% reduziert werden konnte. Kosten für Leerfahrten werden damit deutlich reduziert. Mit erhöhter Auslastung der LKWs können im Simulationsbeispiel 24% der gesamten Emissionen eingespart werden. Daneben werden weitere Problemfelder adressiert: potenzieller Laderaum, der dringend benötigt wird, kann verwendet werden. Wenn für den bisher leeren Rückweg die Waren des Partners geladen werden, stehen ihm seine eigenen Fahrzeuge für weitere Touren zur Verfügung. Die wertschöpfenden Tätigkeiten der Fahrer*innen können gesteigert werden. Die Simulation zeigt, dass Touren eingespart werden könnten. Hier punktet der Sonderfall, dass Waren mit geringem Volumen gesondert abgewickelt werden: statt mit 40t-LKWs und 2-Personen-Besatzung wird als Rückladung über Umzugsunternehmen und mit Paketdiensten ausgeliefert. Die Umzugsunternehmen profitieren durch die Auslieferung der bisherigen Leerfahrt genauso wie die Hersteller, für die die Auslieferstellen ihrer Touren reduziert werden. Damit können diese Abladestellen von den Touren ausgenommen werden. Außerdem werden die Warenumschläge und die Auslieferungszeit reduziert, indem die Ware auf direktem Wege zum Händler geliefert werden soll. Durch dieses System werden die Transportschäden und Reklamationen in hohem Maße reduziert. Es werden nicht nur die erneute Produktion und Auslieferung von Einzelteilen vermieden, sondern auch eine kundenfreundliche Auftragsbearbeitung gewährleistet.

Das Konzept soll in Zukunft mit dem Einsatz moderner Informationstechnologie weiter optimiert werden. Diese soll dafür sorgen, dass die richtigen Informationen, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort sind. Das beinhaltet die Steuerung und Benachrichtigung über Live-Tracking sowie die Führung der Fahrer*in beim Erfüllen des Auftrags. Mit Echtzeitdaten ist es möglich, auf ungeplante Ereignisse schnell zu reagieren und spontane Änderungen in der Planung vorzunehmen. Schäden können direkt mit Fotografien dokumentiert und bearbeitet werden. Eine entscheidende Neuerung wird die Datendurchgängigkeit bringen: die richtigen, aktuellen Informationen stehen zur richtigen Zeit zur Verfügung. Eine Frachtverfolgung über mehrere Stationen entfällt damit.

Mit anfangs zwei Partnern begann Mitte Februar die Umsetzung des Konzepts. Bis Mitte des Jahres 2021 wird es auf alle kooperierenden Unternehmen erweitert. Bei der Umsetzung des Konzepts ist mit erheblichen Vorteilen sowohl für die Hersteller, Speditionen, Frachtführer, Umzugsunternehmen, Paketdienste und nicht zuletzt die Umwelt zu rechnen. Mit dem Pilotprojekt wird eine wichtige Veränderung für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und für unsere Umwelt angestoßen.

Technische Hochschule Rosenheim

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